Evidenz für die Topologie des Universums?

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rockscientist01

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Hallo,

in den letzten Wochen habe ich viel Literatur im Netz über die Beschaffenheit unseres Universums gelesen. Bisweilen widersprechen sich viele Aussagen, Annahmen werden getroffen aber selten finde ich Begründungen, woher diese Annahmen über die Ausdehnung unseres Universums stammen.

Gesichert scheinen ja inzwischen die Attribute des beobachtbaren Universum zu sein: Das Alter entspricht 13,8 Gyr (Planck Collaboration 2013), die Ausdehnung nach Integration des Hubble-Faktors 91 GLyr.

Nun lese ich allerlei (durchaus interessante) Theorien, z.B. welche Topologie unser gesamt-Universum hat. Z.B. wird die Form eins Hypertorus vorgeschlagen, auch der Poincaré-Dodekaeder soll ein heißer Kandidat sein.

Natürlich machen diese mathematischen Konstrukte für sich alles Sinn, und sind auch durchaus hübsch "anzusehen" - also darüber nachzudenken und das zu berechnen hat sicherlich seinen Reiz für Physiker. Nur widerspricht ein in sich geschlossener Raum doch stark unserer alltäglichen Erfahrung. Wenn ich nach dem Prinzip Ockhams Rasiermesser vorgehe, um die Frage zu beantworten "welche Form" und "welche Ausdehnung" hat das gesamt-Universum, dann würde ich doch annehmen "ich beobachte hier euklidischen Raum - also sollte sich auch hinter dem Horizont eben dieser fortsetzen. An dessen Ende gibt es eine Grenze über deren Beschaffenheit wir niemals Erkenntnis erlangen werden, da ja hinter dem Horizont/außerhalb unseres beobachtbaren Universums".

Aus dieser Sichtweise ergibt sich meine konkrete Frage:

"Gibt es konkrete Evidenzen im beobachtbaren Universum, die Wissenschaftler dazu veranlassen, das gesamt-Universum exotisch als Hyperraum zu beschreiben, oder ist es anders herum: Man kann mathematisch einen Hyperraum beschreiben, und versucht nun in der Natur Evidenzen für dieses mathematische Konstrukt zu finden?"


Ich würde mich über ein paar fundierte Quellen freuen.
vielen Dank
Jens
 
Was wir auf der Basis von Beobachtungen heutzutage über die Struktur und Evolution des Universums gesichert wissen, wird mit sechs empirischen Parametern im sog. Lambda-CDM-Modell beschrieben. Alles was darüber hinaus geht und dieser Beschreibung nicht widerspricht, ist zwar grundsätzlich möglich, aber ohne neue Informationen derzeit nur Spekulation. Dazu gehören insbesondere solche Spekulationen über die Topologie (Hypertorus, Poincaré-Dodekaeder).

Planck

WMAP

SDSS

Cosmological parameters from SDSS and WMAP

Shape of the Universe

Cosmic Topology


 
Meine Vorstellungen vom Universum sind vermutlich sehr naiv, ich bitte um Nachsicht.

Frage 1:
Wäre nicht ein kugelförmiges Universum am logischsten?
Wenn es wie oben gesagt, ein Dodekaeder wäre, dann wäre es ja in einigen Richtungen (in die Ecken) länger als in anderen. Warum sollte das so sein?

Frage 2: (etwas OT)
Nach Hubble gilt ja v = H * r.
Je weiter etwas von uns weg ist, desto schneller dehnt sich der Raum aus. Das hieße doch aber im Umkehrschluss, dass sich der Raum in unserer Umgebung fast gar nicht ausdehnt.
Eigentlich sollte sich der Raum doch überall gleichmäßig ausdehnen (Isotropie).
 
Zitat von blende8:
Frage 1: Wäre nicht ein kugelförmiges Universum am logischsten?
Tja, könnte man denken, aber mit Logik alleine werden wir das wohl kaum entscheiden. Im Mittelalter konnte man sich zunächst auch nur Kreisbahnen vorstellen, dann kam Kepler mit seinen Ellipsen.
Wenn es wie oben gesagt, ein Dodekaeder wäre, dann wäre es ja in einigen Richtungen (in die Ecken) länger als in anderen. Warum sollte das so sein?
Warum nicht? Die Honigbiene baut ihre Waben in Sechseckform. Das Dodekaeder ist bekanntlich ein dreidimensionaler Raumkörper aus 12 gleichseitigen Fünfecken. Als Poincaré Dodekaeder wäre es aber quasi nur die dreidimensionale "Oberfläche" einer wesentlich komplizierteren vierdimensionalen Struktur. Das sprengt natürlich unsere alltägliche Erfahrung und Vorstellungskraft. Wir können da allenfalls analoge Betrachtungen in zwei und drei Dimensionen bemühen. Aber wie oben bereits erwähnt, sind das zur Zeit nur theoretische Spekulationen.
Frage 2: (etwas OT) Nach Hubble gilt ja v = H * r. Je weiter etwas von uns weg ist, desto schneller dehnt sich der Raum aus. Das hieße doch aber im Umkehrschluss, dass sich der Raum in unserer Umgebung fast gar nicht ausdehnt. Eigentlich sollte sich der Raum doch überall gleichmäßig ausdehnen (Isotropie).
Tut er ja, aber das macht sich erst über kosmologische Distanzen bemerkbar. In der näheren Umgebung einer von uns sehr weit entfernten Galaxie dehnt sich der Raum genauso wenig aus wie hier bei uns. Stell Dir den immer wieder zitierten gleichmäßig expandierenden Hefeteig mit Rosinen darin vor: weit voneinander entfernte Rosinen entfernen sich mit größerer Geschwindigkeit voneinander, als solche in der Nähe. Das gilt für alle Rosinen, egal wo sie sich im Teig befinden.
 
ein allgemeiner nachtrag:

mit "gesundem menschenverstand" oder"alltagserfahrung" kommt man ab punkt x (i.a.: dem umfang der "klassischen" physik) nicht mehr weiter: die beiden erfolgreichsten erklaerungsmodelle unserer gegenwart sind die QM/QED sowie SRT/ART.
beide sind in ihren "zustaendigkeitsbereichen" bisher experimentell komplett unerschuettert, und liefern dort beliebig praezise ( d.h. mit der realitaet experimentell uebereinstimmende ) ergebnisse.

.. und jede von ihnen ist bereits mehr oder weniger hirnzermatschend und komplett alltagsfremd, antiintuitiv.

... und als waere dies nicht schon genug, widersprechen sie einander auch noch, wenn man versucht, sie zusammenzufahren, d.h. zu EINER einheitlichen physik "fuer alles" zu vereinigen: mindestens eine von ihnen ist also wohl unvollstaendig.

hier nun wiederum versuchen neuere ansaetze - die stringtheorie scheint mir da der vielversprechendste*[SUP])[/SUP] - doch "irgendwie" eine bruecke zu schlagen, und ein grundsaetzlich neues bild der dinge zu entwerfen.

die topologie des universums - als eine der auswirkungen des konstrukts - spielt darin eine herausragende rolle

... und da nimmt es fuer mich wenig wunder, wenn die ansaetze dann zu ebenso bizarren formulierungen fuehren, wie es die "elterntheorien" halt auch schon waren, mindestens.

man sollte sich also von der mittelalterlichen forderung Okkam's doch mal irgendwann trennen, wenn man dem universum wirklich verstaendnis entgegen bringen will


gruss

Ingo






*[SUP])[/SUP]
obwohl sie bisher noch nix "zaehlbares" gebracht hat ( "hubble pictures are too crisp" ): ich fasse mich da in erwartungsvolle geduld
 
Hallo Ingo,

der Link unten über die fehlende "Unschärfe" von Objekten in kosmologischen Entfernungen ist ja hochinteressant! Allerdings wird aus dieser Zusammenfassung nicht klar, wie stark sich dieser Effekt bemerkbar machen sollte - weißt Du da Näheres? Sollte die "Blurriness" nicht besonders stark ausgeprägt sein könnte ich mir nämlich vorstellen, dass sie unter Umständen einfach durch Bildverarbeitung "entfernt" wurde. Soweit ich weiß (bitte korrigiert mich, falls ich falsch liege) sind die Rohbilder der WFPC2 (mit der das HDF aufgenommen worden ist) eigentlich immer undersampled und werden erst durch drizzeln auf das theoretische Auflösungsvermögen Hubbles gebracht. Nicht, dass bei diesem Bildverarbeitungsprozess die Bilder aufgrund einer theoretisch erwartbaren PSF schärfer gemacht werden, als sie tatsächlich sind...? Ist das bedacht worden? Oder mache ich es mir hier zu einfach (wahrscheinlich Zweiteres)?

Viele Grüße,
Arndt
 
@ arndt:

es tut mir sehr leid, aber ich bin in mathe nicht gut genug um die stringtheoretischen berechnungen der betreffenden kollegen hier intelligent zu referieren.

... bin jedoch voller vertrauen darin, dass diese genau die von dir beschriebenen effekte sehr sorgfaeltig beruecksichtigt haben werden


gruss

Ingo
 
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