Das Konzept einer "relativistischen" Masse, welche mit zunehmender Geschwindigkeit immer größer wird, wird zwar in unzähligen populären Schriften immer wieder vorgegaukelt, ist aber - wie auch dieser Beitrag wieder beweist - völliger Kokolores. Wir haben auf das konzeptionelle Missverständnis bereits mehrfach hingewiesen, zuletzt in diesem Thread:
Relativistische Kinematik
deshalb spare ich mir hier eine Wiederholung der dort vorgetragenen grundsätzlichen Argumente. Allerdings kann ich mir nicht verkneifen, auch hier nochmal Einstein zu zitieren:
"It is not good to introduce the concept of the mass M = m / SQRT(1-v²/c²) of a moving body for which no clear definition can be given. It is better to introduce no other mass concept than the 'rest mass' m. Instead of introducing M it is better to mention the expression for the momentum and energy of a body in motion."
Da man sich über theoretische Konzepte endlos lange ohne Erfolg streiten kann, möchte ich hier mal anhand von zwei praktischen Beispielen demonstrieren, dass die Vorstellung von beschleunigten Massen, die mit zunehmender Geschwindigkeit immer schwerer werden, ziemlich realitätsfern ist:
In unseren modernen Teilchebeschleunigern werden Protonen und Elektronen routinemäßi auf ultra-hohe Energien beschleunigt, wobei sie Geschwindigkeiten erreichen, welche nur noch äußerst geringfügig unterhalb der Lichtgeschwindigkeit liegen:
(1) Protonen am LHC
E = 6,5 TeV (relativistische Energie)
m = 0,938 GeV ~ 0,001 TeV (Masse des ruhenden Protons)
γ = E/m ~ 6500 (relativistischer Faktor)
v/c = β = Wurzel (1 - 1/γ²) ~ 1 - 1/(2γ²) ~ 0,999 999 999 988 (Geschwindigkeit in Einheiten von c)
Diese Protonen hätten also in der populistische Vorstellung eine "relativistische" Masse, welche bereits das 6500-fache ihrer "Ruhmasse" beträgt.
(2) Elektronen oder Positronen am LEP oder SLC
E ~ 50 GeV (relativistische Energie)
m = 0,511 MeV ~ 0,0005 GeV (Masse des ruhenden Elektrons)
γ = E/m ~ 100 000 (relativistischer Faktor)
v/c = β = Wurzel (1 - 1/γ²) ~ 1 - 1/(2γ²) ~ 0,999 999 999 999 5 (Geschwindigkeit in Einheiten von c)
Das ist also sogar noch näher an der Lichtgeschwindigkeit, was natürlich daran liegt, dass sich Elektronen wegen ihrer kleineren Masse leichter beschleunigen lassen.
So, und was lehrt uns diese Betrachtung? Jedenfalls wissen wir, dass sich die beschleunigten Teilchen wohl kaum in schwarze Löcher verwandelt haben können, denn das hätte nicht nur die Interpretation der beobachteten Teilchenkollisionben völlig verändert, sondern vermutlich den ganzen Beschleuniger und das Labor, ja vielleuícht sogar die gesamte Erde aufgefressen!
Nun wird man einwenden, dass die Geschwindigkeit und die daraus abgeleitete "Massenzunahme" zwar hoch, aber noch nicht hoch genug sei für solch eine Transmutation zum schwarzen Loch. Wie gesagt, diese fiktive Massenzunahme ist sowieso völliger Blödsinn, aber tun wir mal für den Augenblick so, als wäre das der Fall. Auf welche Energie müsste man ein Proton beschleunigen, damit es per eingebildetem Massenzuwachs zum schwarzen Loch konvertiert?
Tja, wann wird denn eine Masse zum schwarzen Loch? Das regelt der Schwarzschild Radius R_s = 2Gm/c². Für die Sonne beträgt er 3 km, für die Erde 9 mm, und für das Proton 2 x 10^-54 m, was jeweils sehr viel kleiner ist als die tatsächlichen Radien dieser Objekte, weswegen sie eben auch keine schwarzen Löcher sind. Das Proton, dessen Radius etwa 10^-15 m beträgt, ist sage und schreibe um einen Faktor 5 x 10^38 zu groß, um ein schwarzes Loch zu ergeben. Um seinen Schwarzschildradius auf diese Größe zu bringen, müsste seine Masse also um diesen Faktor vergrößert werden.
Wie gesagt, eine Beschleunigung schafft keinen echten Massenzuwachs, aber wenn wir mal so tun, als wäre dem so, dann müsste das Proton auf 5 x 10^38 GeV beschleunigt werden. Das wären dann rund 10^29 Joule, oder die gesamte Energieproduktion der Sonne über eine dreiviertel Stunde, wohlgemerkt für ein einzelnes Proton, also wirklich gigantisch. Aber eben leider völliger Kokolores, denn einen solchen Massenzuwachs gibt es nicht, und darum werden da auch keine schwarzen Löcher entstehen!
Beim Elektron ist die Sache etwas komplizierter, es hat nämlich keine messbare Ausdehnung, könnte also theoretisch kleiner als sein Schwarzschildradius und dann ein schwarzes Loch sein. Aber offensichtlich ist es das nicht, und wenn wir das Elektron bewegen, wird sich daran auch nichts ändern!
Also, wie gesagt, alles Kokolores ...