Grundlegende Fragen zur Struktur des Universums

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grhansolo

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Hallo,

ich habe zwei theoretische Fragen. Es wäre toll, wenn Ihr mir weiterhelfen würdet:

1.) In der Legende des „Deep Sky Reiseatlas“ ist u.a. von „Sternwolken“ die Rede. Trotz Googlens kann ich nicht nachvollziehen worin sich eine Sternwolke von einem Kugelsternhaufen bzw. von einem Offenen Sternhaufen unterscheidet. Könnt Ihr mir den Unterschied erklären?

2.) Unsere Milchstraße besteht ja aus gigantisch vielen Sonnensystemen. Nun gibt es ja neben unserer Milchstraße gigantisch viele andere Galaxien, z.B. unsere Nachbargalaxie M31. Nun würde mich interessieren, ob folgende Objekte nur innerhalb von Galaxien existieren oder ob diese auch außerhalb von Galaxien z.B. zwischen Milchstraße und M31 existieren:

- Sterne
- Kugelsternhaufen, offene Sternhaufen
- Emissionsnebel, Reflexionsnebel, Dunkelnebel, Sternwolken
- Kometen
- Asteroiden

 
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Moin Robert!

"Sternwolke" --> https://de.wikipedia.org/wiki/Sternwolke

> ob diese auch außerhalb von Galaxien z.B. zwischen Milchstraße und M31 existieren:

> - Sterne

Ja, sogenannte vagabundierende oder Runaway-Sterne. Meist verlassen nach einer Supernoa-Explosion die übriggebliebene Komponenten eines Doppelsternsystems den Ort des Geschehens mit hoher Geschindigkeit, die z.T. über der Fluchtgeschwindigkeit einer Galaxis liegt.

Selbiges gilt dann natürlich auch für die "Kleinkörper" eines solchen Systems, wie Planeten jeder Größe, Planetoiden und Kometen.

> - Kugelsternhaufen, offene Sternhaufen

Ja, bestes Beispiel ist der "Intergalaktische Wanderer", der Kugelsternhaufen NGC 2419 im Luchs (Lynx).
--> https://de.wikipedia.org/wiki/NGC_2419

> - Emissionsnebel, Reflexionsnebel, Dunkelnebel

Intergalaktische Gasnebel verraten sich durch entsprechende Radiowellen, die bereits nachgewiesen wurden.

> Sternwolken

...gehören im Allgemeinen zu Galaxien - siehe oben. Da erübrigt sich die Frage.
 
> den Unterschied zu Kugelsternhaufen und offenen Sternhaufen verstehe ich trotzdem noch nicht.

Im normalen Sprachgebrauch bezeichnet eine "Sternwolke" eine Verdichtung von Sternen in einer Sichtlinie. Anders als bei KS oder OH sind diese Sterne untereinander nicht gravitativ um ein "Haufenzentrum" angeordnet. KS sind meist strenger symmetrisch, OH und Sternwolken eher unregelmäßig, wobei auch der Übergang von einem zum anderen Objekttyp durchaus fließend ist - siehe M71 bspw.

"Sternwolke" ist auch kein fesstehender Begriff so wie es soundsoviele KS und mehr oder weniger abgegrenzte OH (die aus einem engen Entstehungsgebiet stammen) in unserer Galaxie. Bei einigen KS vermutet man sogar den Rest des Zentrums einer eingefangenen Zwerggalaxie.

Genauere Definitionen der einzelden Objekttypen bitte bei Wikipedia nachgucken. Wenn die dt. Version nicht eindeutig ist, ruhig mal die englische lesen, die ist meist umfangreicher.
 
Hallo Micha,

vielen Dank für Deine prima Infos.

Eine Frage habe ich noch. Bei dieser hilft mir leider auch das englische Wikipedia nicht wirklich weiter. Wäre prima, wenn du nochmal kurz Zeit findest:

Du schreibst ja, dass es auch Kugelsternhaufen zwischen Galaxien gibt und nennst hierbei als Beispiel den "Intergalaktischen Wanderer" "NGC 2419".

Bisher dachte ich das KS und OS IMMER Bereiche IN einer Galaxie sind, in welchen die Sterndichte besonders hoch ist. Ich dachte das ein KS oder eine OS immer in einer Galaxie sein muss.

Nun hast du mich eines besseren belehrt anhand des Beispiels mit "NGC 2419".

Das bedeutet "NGC 2419" ist eine Sammlung von vielen Sternen und zwar AUSSERHALB einer Galaxie.

Jetzt kommt das was ich nicht verstehe:

Eine Ansammlung von vielen Sternen ist doch eigentlich eine Galaxie und kein KS. Demnach wäre "NGC 2419" doch eigentlich eine Galaxie und keine KS?

Wann nennt man eine Sternenansammlung Galaxie und wann nennt man eine Sternenansammlung KS?

Anders gefragt, warum nennt man "NGC 2419" nicht Galaxie?
 
Moin Robert!

> Ich dachte das ein KS oder eine OS immer in einer Galaxie sein muss.

Das stimmt so nicht. Normalerweise verteilen sich KS in einer Schale um die "Muttergalaxie", dem sogenannten galaktischen Halo. Aber auch hier würde ich dir für die schnelle Übersicht raten, wenigstens den entsprechenden Wiki-Artikel zu lesen.

Galaxien und KS unterscheiden sich im Wesentlichen durch ihre Form und zum andeen auch im Alter und Aufbau der Sterne darin. KS sind sehr alte Objekte, in Galaxien gibt es oft noch gasreiche Gebiete, in denen immer noch Sterne entstehen. Sowas fehlt in KS. Offene Sternhaufen sind meist das Ergebnis aus solchen Sternentstehungsgebieten. Sie können sehr unterschiedlich alt sein, Stichwort auch: Sternen-Polulation.

Aber sowas liest man am besten mal nach (früher plünderte man seine heimische Bücherei oder Uni-Bibliothek für solche Zwecke) - das ist intensiver zu erklären, würde zu weit führen, zumal der Übergang zwischen den einzelnden Objektarten fließend ist, wie ich oben schon abgedeutet hatte.
 
Wann nennt man eine Sternenansammlung Galaxie und wann nennt man eine Sternenansammlung KS?

Anders gefragt, warum nennt man "NGC 2419" nicht Galaxie?
Hallo Robert,

nur weil etwas extragalaktisch unterwegs ist, macht es das noch lange nicht zu einer Galaxie. Ein Kugelsternhaufen hat kein Spiralarme oder eine irreguläre Form und auch Sternentstehung findet dort (wegen des hohen Alters) nicht mehr statt. Die Sternentstehung war nach seiner Geburt vor 12 bis 13 Milliarden quasi schon abgeschlossen. Und natürlich wäre da noch der Größenunterschied, weshalb ein NGC 2419 nicht mal als Zwerggalaxie durchgeht, aber tatächlich entstand um 2010 die Theorie, dass dieser Kugelsternhaufen der Kernbereich einer eingesammelten Zwerggalaxie ist.

Wie schon gesagt wurde, kann eigentlich alles zu einem extragalaktischen Objekt werden. Planeten, Kometen, Sterne oder ein ganzer Kugelsternhaufen - alles kann durch dynamische Prozesse (z.b. eine Galaxienverschmelzung) nach draußen verschwinden und von einer anderen Galaxie aufgesammelt werden. Oder während Kugelsternhaufen im Halo um die Milchstraße wandern, verlieren sie auch Sterne oder durch einen engen Schwerkrafttanz können sogar Schwarze Löcher nach draußen befördert werden.

Jedoch ist bei so einer Diskussion noch zu berücksichtigen, dass die Übergänge immer fließend sind. Das betrifft die Morphologie des Objekts usw., und außerdem ist alles Definitionssache. Um beim Beispiel mit NGC 2419 zu bleiben: Welche Ausdehnung hat denn die Milchstraße? Nimmt man denn die sichtbare Ausdehnung oder rechnet man ihren unsichtbaren (aber gravitativen) Durchmesser? Jedenfalls konnte im letzten Jahr gezeigt werden, dass NGC 2419 tatsächlich einen Orbit um die Milchstraße hat. Er ist noch an die Milchstraße gebunden, also quasi ein intergalaktisches (statt extragalaktisches) Objekt. So eine Galaxie hat eben einen größeren Spielraum, als man allgemein annimmt - erst recht, wenn man Gezeitenschweife dazurechnet.

Ich hoffe, das war jetzt nicht zu verwirrend. ;) Ansonsten fragen.
 
Hallo,

grundsätzlich gibt es ja drei Bereiche in die man Gliedern kann:

- Galaxie selbst
- Halo der Galaxie
- Außerhalb des Halos einer Galaxie

Mich würde nun interessieren, wo in diesen drei Bereichen KS, OS und Sternwolken vorkommen können. Momentan vermute ich das das wie folgt ist. Liege ich mit dieser Vermutung richtig?

Standort Kugelsternhaufen:

- Galaxie selbst: nein (eine Region größerer Sterndichte wird in einer Galaxie nicht KS genannt, sonst würde man den Bulge bzw. das galaktische Zentrum ja als KS bezeichnen müssen)
- Halo einer Galaxie: ja (häufig)
- Außerhalb des Halos einer Galaxie: ja (selten)

Standort offener Sternhaufen:

- Galaxie selbst: nein (eine Region größerer Sterndichte wird in einer Galaxie nicht OS genannt, sonst würde man den Bulge bzw. das galaktische Zentrum ja als OS bezeichnen müssen)
- Halo einer Galaxie: ja (häufig)
- Außerhalb des Halos einer Galaxie: ja (selten)

Standort Sternwolken:

- Galaxie selbst: nein (eine Region größerer Sterndichte wird in einer Galaxie nicht Sternwolke genannt, sonst würde man den Bulge bzw. das galaktische Zentrum ja als Sternwolke bezeichnen müssen)
- Halo einer Galaxie: ja (häufig)
- Außerhalb des Halos einer Galaxie: ja (selten)
 
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Hi!
Zitat von grhansolo:
Standort Kugelsternhaufen:

- Galaxie selbst: nein (eine Region größerer Sterndichte wird in einer Galaxie nicht KS genannt, sonst würde man den Bulge bzw. das galaktische Zentrum ja als KS bezeichnen müssen)
- Halo einer Galaxie: ja (häufig)
- Außerhalb des Halos einer Galaxie: ja (selten)
In einer Galaxie, sofern man diese als Bulge plus Scheibe betrachtet, sind KS selten zu finden, nur kurz beim Durchqueren der Scheibe. Der Halo dagegen besteht praktisch aus Kugelsternhaufen. Diese zeigen übrigens eine Konzentration zum Zentrum einer Galaxie.

Übrigens gibt es innerhalb einer Galaxie sehr wohl Regionen größerer Sterndichte, z.B. offene Sternhaufen, Assoziationen und Sternwolken. Der Bulge hat aber so abweichende Eigenschaften, daß man ihn einfach nicht so klassifizieren kann.

Üblicherweise teilt man die sternreichen Bereiche einer Spiralgalaxie in zwei Regionen auf: Bulge und Scheibe. Das gilt auch für linsenförmige Galaxien, in denen die Scheiben keine Spiralstruktur aufweisen.

Standort offener Sternhaufen:

- Galaxie selbst: nein (eine Region größerer Sterndichte wird in einer Galaxie nicht OS genannt, sonst würde man den Bulge bzw. das galaktische Zentrum ja als OS bezeichnen müssen)
- Halo einer Galaxie: ja (häufig)
- Außerhalb des Halos einer Galaxie: ja (selten)
Im Halo sind offene Sternhaufen als junge Objekte kaum zu finden, sie entstehen in der Scheibe, weil es dort das benötigte Gas für ihre Bildung gibt. Im Bulge gibt es praktisch nur alte Sterne, hier scheint es an den passenden Bedingungen für die Entstehung von offenen Sternhaufen zu fehlen.

Standort Sternwolken:

- Galaxie selbst: nein (eine Region größerer Sterndichte wird in einer Galaxie nicht Sternwolke genannt, sonst würde man den Bulge bzw. das galaktische Zentrum ja als Sternwolke bezeichnen müssen)
- Halo einer Galaxie: ja (häufig)
- Außerhalb des Halos einer Galaxie: ja (selten)
Halo: kaum, hier fehlt Gas für neue Sterne. Außerhalb des Halos: Noch weniger Gas, keine Sternwolken.
Bevorzugt sind die Dinger in der Scheibe zu finden, ältere Sternwolken kann man wohl auch im Bulge nachweisen.

Grüße

fquadrat
 
Hallo fquadrat,

vielen Dank für Deine prima Antwort, die hilft mir sehr beim Verständnis weiter!

Eine Frage hätte ich noch:

Ich besitze den Deep Sky Reiseatlas, dort sind ja KS, OS, und Sternenwolken eingezeichnet.

Angenommen ich betrachte mit dem Teleskop solch einen KS, einen OS oder eine Sternenwolke.

Mich würde brennend interessieren, wo dieses Objekt seinen Standort hat. Liegt es außerhalb des Halos, liegt es im Halo, liegt es in der Scheibe oder liegt es im Bulge.

Beispiele:

- Wie kann ich herausfinden, ob die Sternenwolke, die ich gerade betrachte, in der Scheibe oder im Bulge liegt?

- Wie kann ich herausfinden, ob der KS, den ich gerade betrachte im Halo oder außerhalb des Halos liegt bzw. ob der KS vielleicht sogar gerade durch die Scheibe durchzieht bzw. ob sich dieser im Bluge befindet?
 
Zitat von grhansolo:
- Wie kann ich herausfinden, ob die Sternenwolke, die ich gerade betrachte, in der Scheibe oder im Bulge liegt?

- Wie kann ich herausfinden, ob der KS, den ich gerade betrachte im Halo oder außerhalb des Halos liegt bzw. ob der KS vielleicht sogar gerade durch die Scheibe durchzieht bzw. ob sich dieser im Bluge befindet?

Hallo Robert,

Google?

Ansonsten kannst Du Dir als Ergänzung zum Deepsky Reiseatlas den Deepsky Reiseführer anschaffen. Da findest Du genauere Erklärungen zu den einzelnen Objekten und unter anderem auch die Entfernung.

Bis dann:
Marcus
 
Zitat von mettling:
Da findest Du genauere Erklärungen zu den einzelnen Objekten und unter anderem auch die Entfernung.
Nur mit den Entfernungen entsteht aber kein räumliches Bild im Kopf. Darum würde ich "Where is M13?" empfehlen, was immerhin 800 Objekte listet.

Der "Deepsky-Reiseführer" ist dennoch sehr zu empfehlen. Durch die Objektbeschreibungen und -zeichnungen wird überhaupt erst klar, was man überhaupt vom eigenen Teleskop erwarten kann.
 
Hallo,

basierend auf den zahlreichen prima Antworten sind mir leider noch ein paar Dinge unklar. Es wäre toll, wenn ihr mir die nachfolgenden Fragen beantworten könntet:

1. Wie Ihr ja schreibt kommen die meisten KS im Halo der Galaxien vor. Ihr schreibt allerdings auch, dass es KS gibt, die außerhalb des Halos von Galaxien existieren. Könnt Ihr mir als Beispiel einen KS nennen, der außerhalb des Halos einer Galaxie existiert?

2. Ich verstehe noch nicht so richtig, warum man die Gebiete im Bulge, die ja zweifelsohne eine wesentlich höhere Sterndichte haben als die Bereiche der Scheibe, nicht als Sternenhaufen bezeichnet. Im Bulge kommen Sterne im Gegensatz zur Scheibe dichter vor bzw. sind im Bulge angehäuft, damit enthält der Bulge doch eigentlich auch Sternenhaufen?

3. Mit den Begriffen „Sternwolke“ und „Sternmuster“ die in der Legende des „Deep Sky Reiseatlas erwähnt werden tue ich mich noch etwas schwer. Micha schreibt hierzu folgendes:

Im normalen Sprachgebrauch bezeichnet eine "Sternwolke" eine Verdichtung von Sternen in einer Sichtlinie. Anders als bei KS oder OH sind diese Sterne untereinander nicht gravitativ um ein "Haufenzentrum" angeordnet. KS sind meist strenger symmetrisch, OH und Sternwolken eher unregelmäßig, wobei auch der Übergang von einem zum anderen Objekttyp durchaus fließend ist - siehe M71 bspw.

Zum einen die Frage ob „Sternenwolken“ primär in der Scheibe vorkommen (so wie OS) oder primär im Halo (so wie KS)?

Zum anderen die Frage wie sich „Sternwolken“ von „Sternmustern“ unterscheiden. Vermutlich ist der Unterschied von „Sternwolken“ und „Sternmustern“ nicht besonders groß, weil diese beiden Objekttypen ja in der „Deep Sky Reiseatlas“ Legende mit dem gleichen Symbol versehen werden.

Abschließend noch die Frage, ob Ihr mir zwei Beispielobjekte (am besten aus dem Messier Katalog) nennen könnt. Einmal eine „Sternwolke“ und einmal ein „Sternmuster“.
 
Hallo,
zu

2. Ich verstehe noch nicht so richtig, warum man die Gebiete im Bulge, die ja zweifelsohne eine wesentlich höhere Sterndichte haben als die Bereiche der Scheibe, nicht als Sternenhaufen bezeichnet. Im Bulge kommen Sterne im Gegensatz zur Scheibe dichter vor bzw. sind im Bulge angehäuft, damit enthält der Bulge doch eigentlich auch Sternenhaufen?

nur ein erster Hinweis:
Die Sterne eines OH entstehen alle aus einer einzigen Molekülwolke. Der Punkt ist, dass die Sterne sozusagen alle aus dem gleichen Ausgangsmaterial einer bestimmten Wolke entstehen, relativ alle gleich alt sind und dabei aber unterschiedliche Größen erreichen, was für die weitere Entwicklung relevant ist. DAS ist der wichtigste Punkt. Im Bulge sind Sterne verschiedener Herkunft, Größe und Alter versammelt. Mal ganz abgesehen von den unterschiedlichen Größenverhältnissen. Ein normaler OH ist ein doch eher lokales Objekt.
Zum Thema Bulge hier mal ein Link

Gruß
Thorsten
 
Hallo Robert,

Wie Ihr ja schreibt kommen die meisten KS im Halo der Galaxien vor. Ihr schreibt allerdings auch, dass es KS gibt, die außerhalb des Halos von Galaxien existieren. Könnt Ihr mir als Beispiel einen KS nennen, der außerhalb des Halos einer Galaxie existiert?
Wie so vieles zu den Begrifflichkeiten, nach denen du fragst, hängt auch die Frage nach dem Halo vom Größenverhältnis ab. Es gibt keine feste Grenze, wo der Halo aufhört - auch hier ist der Übergang fließend. Außerdem wird noch unterschieden zwischen dem stellaren Halo und einem Gas-Halo, der sich viel weiter ausdehnt. Und dann wäre da noch die Gravitation. Ich erzählte ja schon mal was von NGC 2419, das noch weiter entfernt ist als unsere beiden Nachbargalaxien am Südhimmel. Der Kugelhaufen liegt definitiv außerhalb des Milchstraßen-Halos, aber scheint sich doch immer noch um die Milchstraße zu bewegen. Nun die Frage: Ist es dennoch ein intergalaktisches oder extragalaktisches Objekt (in der Fachliteratur gibt's zusätzlich noch den Begriff "Outer Halo")? Das ist alles Definitionssache. So wie bei den Voyager-Sonden, zu denen man gerne schreibt, dass sie das Sonnensystem verlassen haben, obwohl sie immer noch innerhalb der Oortschen Wolke unterwegs sind. Aber das Sonnensystem besteht nun mal nicht nur aus 8 Planeten.

NGC 2419 ist das hellste und prominenteste Objekt so weit draußen. Außerdem gibt's noch Palomar 4 und AM-1, die aber um ein Vielfaches lichtschwächer sind.

Ich verstehe noch nicht so richtig, warum man die Gebiete im Bulge, die ja zweifelsohne eine wesentlich höhere Sterndichte haben als die Bereiche der Scheibe, nicht als Sternenhaufen bezeichnet. Im Bulge kommen Sterne im Gegensatz zur Scheibe dichter vor bzw. sind im Bulge angehäuft, damit enthält der Bulge doch eigentlich auch Sternenhaufen?
Auch hier gilt: Das Größenverhältnis ist hier ausschlaggebend. Ich kenne niemanden, der den Bulge als Sternhaufen bezeichnen würde. Ein Kugelsternhaufen ist nur eine durchschnittlich 100 Lichtjahre große Sphäre, die zentrale Verdickung einer Galaxie ist dagegen schon ein paar 10.000 Lichtjahre groß.

Zu den Sternwolken und Sternmustern: Die gibt's natürlich auch nur dort, wo es in einer Galaxie die meisten Sterne gibt - nämlich in der Scheibe. Die bekannteste Sternwolke ist M 24. Der Sternwolken-Wiki-Artikel fasst das gut zusammen, dass es nur auffällige Verdichtungen innerhalb des Milchstraßenbandes sind (von unserer Position aus gesehen), und nennt auch Objekte.

Der bessere Suchbegriff zum Thema Sternmuster ist Asterismus. Das ist einfach ein Muster, dass nur scheinbar eine zusammenhängende Sterngruppe bildet, also nicht real im Raum zusammenstehen (wie die Sternbilder). Da sind vor allem Kemble 1 (Kembles Kaskade) und M 73 (wird als Asterismus geführt, kann theoretisch auch als "scheinbarer Mehrfachstern" bezeichnet werden). Der bekannteste Asterismus nennt sich Collinder 399, der aufgrund seiner Form einfach nur Kleiderbügel genannt wird. Ein tolles Objekt in jedem Fernglas, gerade jetzt am Sommerhimmel.
 
Hallo Nico,

vielen Dank für Deine geniale Antwort, da merkt man das du wirklich Ahnung hast. Da steckt richtig viel wertvolle Information für mich drin.

Vier Punkte möchte ich noch ansprechen:

1. Du schreibst folgendes:

Zu den Sternwolken und Sternmustern: Die gibt's natürlich auch nur dort, wo es in einer Galaxie die meisten Sterne gibt - nämlich in der Scheibe.

Das verwirrt mich gerade etwas. Du schreibst die meisten Sterne gibt es in der Scheibe, nun ist der Bulge aber doch viel dichter mit Sternen befüllt, demnach müsste es doch im Bulge und nicht in der Scheibe die meisten Sterne geben? Kannst du mir sagen, was ich hier falsch verstanden habe?

2. Du schreibst folgendes:

Es gibt keine feste Grenze, wo der Halo aufhört - auch hier ist der Übergang fließend. Außerdem wird noch unterschieden zwischen dem stellaren Halo und einem Gas-Halo, der sich viel weiter ausdehnt. Und dann wäre da noch die Gravitation. Ich erzählte ja schon mal was von NGC 2419, das noch weiter entfernt ist als unsere beiden Nachbargalaxien am Südhimmel. Der Kugelhaufen liegt definitiv außerhalb des Milchstraßen-Halos, aber scheint sich doch immer noch um die Milchstraße zu bewegen.

Du schreibst ja, das NGC 2419 definitiv außerhalb des Michstraßen-Halos liegt. Auf der anderen Seite schreibst du aber auch, dass es keine feste Grenze gibt, wo der Halo aufhört. Wenn es keine fest Grenze für den Halo gibt kann man im Umkehrschluss doch auch nicht sagen, dass NGC 2419 außerhalb des Halos liegt. Demnach die Frage, warum kann man trotzdem sagen NGC 2419 liegt außerhalb des Halos?

3. Ich bin nun her gegangen und habe die viele prima Informationen aus diesem Thread übersichtlich in nachfolgender Tabelle zusammengefasst. Könnt Ihr bitte kurz drüber schauen und eventuelle Fehler in der Tabelle berichtigen? Des Weiteren seht Ihr bei SW, Anzahl der Sterne die roten Fragezeichen. Könnt Ihr diese Fragezeichen durch einen sinnigen Wert ersetzen?

https://drive.google.com/file/d/0B4hHF5qqYQObNHA1QzNKR2NuNmc/view

4. Leider bin ich noch immer nicht dazu in der Lage einem Außenstehenden den Unterschied zwischen einem Offenen Sternhaufen und einer Sternwolke zu erklären. Meines Erachtens liegt der einzige Unterschied darin, dass die Sterne im offenen Sternhaufen gravitativ gebunden sind, in einer Sternwolke hingegen nicht. Demnach bedeutet das bei den Pjejaden sind die Sterne gravitativ gebunden, bei M24 hingegen sind die Sterne nicht gravitativ gebunden. Habe ich den Unterschied von offenen Sternhaufen und Sternwolken damit richtig verstanden bzw. erklärt?

 
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Hi!
Zitat von grhansolo:
Angenommen ich betrachte mit dem Teleskop solch einen KS, einen OS oder eine Sternenwolke.

Mich würde brennend interessieren, wo dieses Objekt seinen Standort hat. Liegt es außerhalb des Halos, liegt es im Halo, liegt es in der Scheibe oder liegt es im Bulge.
Letzteres kann man mit einer Sternkarte zumindest einmal ausschließen: Liegt ein Objekt nicht in Richtung der Sternbilder, in denen der Bulge zu sehen ist, kann es auch nicht Teil davon sein.

Ein Objekt, welches sich am Himmel im Bereich der Milchstraße aufhält, wird wahrscheinlich nicht im Halo liegen, da die Scheibe viel Staub enthält. Das klappt mit der Sommermilchstraße besser als mit der Wintermilchstraße, da wir bei letzterer in Richtung Rand der Galaxis sehen, wodurch es weniger Staub entlang der Sichtlinie gibt.

Grüße

fquadrat
 
Moin Robert,
Zitat von grhansolo:
4. Leider bin ich noch immer nicht dazu in der Lage einem Außenstehenden den Unterschied zwischen einem Offenen Sternhaufen und einer Sternwolke zu erklären. Meines Erachtens liegt der einzige Unterschied darin, dass die Sterne im offenen Sternhaufen gravitativ gebunden sind, in einer Sternwolke hingegen nicht. Demnach bedeutet das bei den Pjejaden sind die Sterne gravitativ gebunden, bei M24 hingegen sind die Sterne nicht gravitativ gebunden. Habe ich den Unterschied von offenen Sternhaufen und Sternwolken damit richtig verstanden bzw. erklärt?
Ja, das ist korrekt, also bist du doch in der Lage :applaus:
Sternwolken sind lediglich Bereiche benachbarter Spiralarme der Galaxis, die nicht durch Molekülwolken (aka Dunkelwolken) verdeckt werden.
 
Hallo Frank,

du schreibst Sternwolken liegen in benachbarten Galaxiearmen. Das ist doch bei offenen Sternhaufen auch so oder?
 
Hallo Robert,
exakt - darum heißen sie oftmals auch "galaktische Sternhaufen", da meist in der Scheibenebene befindlich. Allerdings kann das aus unserer Perspektive, die wir ja auch da mitten drin sitzen, auf den ersten Blick etwas anders aussehen, aber die Entfernung verrät es dann doch.

Gruß
Thorsten
 
Das verwirrt mich gerade etwas. Du schreibst die meisten Sterne gibt es in der Scheibe, nun ist der Bulge aber doch viel dichter mit Sternen befüllt, demnach müsste es doch im Bulge und nicht in der Scheibe die meisten Sterne geben? Kannst du mir sagen, was ich hier falsch verstanden habe?
Da habe ich nur vereinfacht nach dem Galaxientyp unterschieden. Nach der Form spricht man meist nur von Scheiben-, elliptischen, Balken- und irregulären Galaxien.
Du schreibst ja, das NGC 2419 definitiv außerhalb des Michstraßen-Halos liegt. Auf der anderen Seite schreibst du aber auch, dass es keine feste Grenze gibt, wo der Halo aufhört. Wenn es keine fest Grenze für den Halo gibt kann man im Umkehrschluss doch auch nicht sagen, dass NGC 2419 außerhalb des Halos liegt. Demnach die Frage, warum kann man trotzdem sagen NGC 2419 liegt außerhalb des Halos?
Damit will ich nur wieder zeigen, dass eine Zuordnung eben tatsächlich oft Definitionssache ist, obwohl du hier ganz konkret fragst, wozu etwas gehört. Wie schon mehrfach gesagt, sind die Übergänge fließend. Definiert man es nach der Gravitation, so gehört NGC 2419 noch zur Milchstraße (trotz der gewaltigen Entfernung). In der Fachliteratur wird er dem "outer halo" zugeordnet, dennoch gibt es die (historisch bedingte) umgangsprachliche Bezeichnung "intergalaktischer Wanderer" (weil er weit außerhalb liegt). Bei den Zugehörigkeiten, zu denen du hier fragst, musst du also ebenso berücksichtigen, dass alte Sachverhalte revidiert werden können. So sind es halt neuere Erkenntnisse, dass sich das Halo der Milchstraße viel weiter ausdehnt (und die nächsten Beobachtungen können die Grenzen noch weiter rausschieben) und sich NGC 2419 um die Milchstraße zu bewegen scheint.

Vielleicht noch ein Beispiel aus unserer großen Nachbargalaxie (M 31) im Sternbild Andromeda. Auch bei der Andromedagalaxie findet man Kugelsternhaufen, die riesige Entfernungen zur Galaxie haben. MGC 1 ist z.b. schon über 600.000 Lichtjahre vom M 31-Zentrum entfernt. Am Himmel steht er schon 17 scheinbare Vollmonddurchmesser von der Andromedagalaxie entfernt, man könnte ihn also locker als intergalaktisch (oder extragalaktisch) bezeichnen, dennoch wird auch dieser als "remote cluster" im "outer halo" bezeichnet.
 
Vielen Dank für Eure Antworten.

Hat vielleicht noch einer ein Feedback zu meiner Dritten Frage, zu der verlinkten Excel Tabelle?
 
Moin Robert!

Ohne jetzt im Einzelnden auf deine Excel-Tabelle einzugehen, halte ich es nicht für zielführend, die einzelnden Objektklassen - so wie du es machst - streng in Schubladen einzuordnen.

Zwei Sachen nur, die mir eben bei der ganz kurzen Recherche im Netz untergekommen sind: In einigen Galaxien sind auch junge, sogenannte "Blaue" Kugelsternhaufen entdeckt worden. Man kann also nicht pauschal sagen, KS wären immer nur mit alten Sternen besetzt. Auch dazu findet die Forschung aktuell immer noch Ausnahmen.
Auch stimmt es nicht, daß in dem Milchstraßen-Bulge keine KS anzutreffen sind. Vor einiger Zeit wurde erst wieder über KS berichtet, die sich hinter Dunkelnebeln verstecken und erst mit modernster IR-Astronomie entdeckt werden. Ein Fall ist bspw. dieser hier: https://en.wikipedia.org/wiki/Terzan_5

"Sternwolken" können alles Mögliche sein, sie bilden keine Objektklasse an sich wie GLX, OH oder KS - wo auch dabei wieder die Grenzen fließend sind. Auch ein Asterismus ist ein eher willkürlicher Begriff für etwas, was aus einer persönlichen Perspektive gesehen wird.

Früher war's einfach: da gab es Sterne, Planeten und "Nebel"... :smiley60:
 
Hallo Sternenfreunde,

ein sehr interessanter und lehrsamer Thread! Ich hätte dazu eine Frage (vlt. off topic, aber s.u.) und eine Anmerkung.

Zur Anmerkung: Könnte es sein, daß mit den "Sternwolken" die sg. "dwarf spheroidal galaxies (dSph)" gemeint sind? In der deutschen Wikipedia gibt es nur einen ziemlich unzulänglichen Artikel über die Kugelsternhaufen. In der hervorragenden englischen Fassung findet man dazu folgenden Passus:

"In 2005, astronomers discovered a completely new type of star cluster in the Andromeda Galaxy, which is, in several ways, very similar to globular clusters. The new-found clusters contain hundreds of thousands of stars, a similar number to that found in globular clusters. The clusters share other characteristics with globular clusters such as stellar populations and metallicity. What distinguishes them from the globular clusters is that they are much larger – several hundred light-years across – and hundreds of times less dense. The distances between the stars are, therefore, much greater within the newly discovered extended clusters. Parametrically, these clusters lie somewhere between a globular cluster and a dwarf spheroidal galaxy."

Es gibt einen eigenen Artikel zu den dSph's - guckst du hier!

Zu meiner Frage: Kugel oder Scheibe, that's the question :smiley60: Von planetarischen Systemen heißt es immer, daß die Scheibenform unvermeidlich ist wegen der Kollisionen im Halo! Und für Galaxien liest man ähnliche Erklärungen. In Gegensatz dazu steht angeblich die Oortsche Wolke und, offensichtlich, die Kugelhaufen. Und diese Kugelform muß äußerst stabil sein, weil die Kugelhaufen zu den ältesten Gebilden des Kosmos gehören. Man liest viel über Sterne mit Escape Velocity und Verdichtung zum Kern von, aber weshalb die Kugel sich nur durch Gezeiten-Effekte abflachen soll und nicht von sich aus, ist mir nicht klar.

Diese Frage beschäftigt mich schon länger, und ich habe sie auch schon öfter gestellt, aber noch nie eine (befriedigende) Antwort erhalten. Vielleicht kann hier jemand weiterhelfen?

Klare Nächte,
Jan Willem
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Moin,
Zitat von Bradyon:
Könnte es sein, daß mit den "Sternwolken" die sg. "dwarf spheroidal galaxies (dSph)" gemeint sind?
Nein!
P_E_T_E_R (bzw. indirekt zuvor Winnie) hat es mit seinem Sammelsurium an Google-Bildern berechtigterweise auf die Spitze getrieben: Der Begriff "Sternwolke" ist wissenschaftlich nicht definiert!

Ich persönlich kenne auf unserer Nordhalbkugel nur zwei klar definierte Sternwolken: die Schildwolke und die Sagittarius Star Cloud (aka M24):
The stars, clusters and other objects comprising M24 are part of the Sagittarius or Sagittarius-Carina arms of the Milky Way galaxy.

In beiden Fällen handelt es sich lediglich um "Löcher" in den Dunkelwolken unserer galaktischen Nachbarschaft, durch die wir einen Blick auf benachbarte Spiralarme erhaschen.
 
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