Re: Taschenglas 8x20 10X25 (Leica / Zeiss / Nikon)
Hallo Thomas,
Steve hat ja schon eine Menge Infos geliefert. Ich möchte dazu noch einiges ergänzen.
Zunächst zu den Leica-Versionen BC und BCA: 1. gibt es beide nur in der 8x20 Ausführung; das 10x25 ist ausschließlich als BC zu haben. 2. Auch das BC hat sowohl als 8x20 als auch als 10x25 phasenkorrigierte Dachkantprismen, nicht nur das BCA. 3. Der Unterschied der BCA-Version gegenüber den BC-Version liegt also nicht in der Phasenkorrektur, sondern in der Gummiarmierung der BCA-Version (A = armiert). Ich hatte 17 Jahre lange ein Leica 8x20 BCA, und es sah trotz häufigen Gebrauchs (allerdings hatte ich es immer nur in der Gürteltasche mitgeführt, so daß es bei Nichtbenutzung gut geschützt war) noch immer fast wie neu aus; nur an den Metallkanten nahe den Gelenken der Knickbrücke war die Schwärzung dem blanken Metall gewichen. Die Gummiarmierung ist auch „leiser”. Das heißt nicht, daß die anderen Modelle quietschen oder knarren, aber wenn man das Fernglas auf einer harten Unterlage wie etwa auf einer Tischplatte oder Sitzband aus Holz ablegt, hört man das weniger (oder gar nicht). Jäger und Ornithologen wissen das zu schätzen. Dennoch habe ich jetzt – einfach nur der Schönheit wegen – das Leica 8x20 BC in der Titanversion mit Phasenkorrektur. Gegenüber dem alten Modell ohne Phasenkorrektur, das etwas anders vergütet (und möglicherweise auch anders am Dachkantprisma verspiegelt) war, ist das neue eine Spur schärfer und etwas heller.
Das Leica 10x25 BC ist qualitativ auf gleichem Niveau das richtige Modell für Leute, die eine etwas stärkere Vergrößerung bevorzugen. Allerdings sollte man bedenken, daß alle diese Kompaktferngläser im Vergleich zu den „ausgewachsenen” Modellen kleine Gesichtsfelder haben. So bietet das 8x20 BC(A) nur 115 m und das 10x25 BC nur 95 m auf 1000 m. Obwohl das für die Kompaktklasse Spitzenwerte sind, muß man im Vergleich zur nächstgrößeren Klasse 8x32 oder 10x32 mit deutlich eingeengtem Blickfeld rechnen (Musterbeispiel Trinovid 10x32 BN mit 120 m auf 1000 m!). Ich würde daher je nach Beobachtungsvorlieben im Zweifelsfalle eher zum 8x20 als zum 10x25 raten, weil man ein größeres reales Gesichtsfeld überblickt und die Kompaktheit optimal ist (nach dem Motto: wenn schon ein Kompaktfernglas, dann ein wirklich kompaktes).
Nun zu den Alternativen, zunächst Zeiss. Ich konnte mich mit diesen nie richtig anfreunden, obwohl ich andere Zeiss-Produkte wie das Gregory-Spektiv 30x60 oder die Objektive der Contax G2 sehr schätze. Ich hatte mal (parallel zum alten Leica 8x20 BCA) ein Zeiss Classic 10x25, das mir immer etwas wackelig vorkam, wenn ich es mit dem absolut soliden Leica 8x20 verglich. Auch der Fokussiertrieb lag mir nicht so, und die Klapp-Augenmuscheln mag ich als Brillenträger auch nicht (vor allem, wenn auch meine Frau mal schauen wollte, aber natürlich ohne Brille, so daß die Gummiröhre immer erst umständlich und zeitraubend um- oder aufgeklappt werden mußte). Ich habe es deshalb nicht lange behalten. Das etwas teurere Zeiss Victory ist bei vermutlich gleichem optischen Aufbau wohl mechanisch solider und dem Leica vergleichbar, aber diese Version kenne ich nicht aus eigener Praxis, sondern nur vom Ausprobieren beim Händler - zu wenig also, um Präziseres dazu sagen zu können.
Das Swarovski kenne ich leider nur von der Photokina, wo ich zwar auch durchschauen konnte, aber leider ohne direkte Vergleichsmöglichkeit mit einem Leica- oder Zeiss-Glas. Es wirkt mechanisch ebenso solide wie das Leica, aber bietet als zusätzlichen Vorteil die Wasserdichtheit (was je nach Anwendung den deutlichen Mehrpreis rechtfertigen könnte), obwohl es sogar noch geringfügig leichter als das Leica-Glas ist. Zwei Nachteile sind, daß es das Swarovski nicht in einer gummiarmierten Version gibt (es ist also bei harter Beanspruchung empfindlicher und beim Ablegen/Anstoßen lauter), und daß die Nahgrenze mit 4 m (8x20) bzw. 5 m (10x25) recht weit ist. Demgegenüber liegt sie beim Leica 8x20 bei 3 m, allerdings bei 10x25 auch nur bei 5 m. Schmetterlingsfreunde freut das Swarovski daher wohl weniger. Die optische Qualität erschien mir (leider, wie gesagt, ohne den direkten Vergleich) auf etwa demselben Niveau wie bei Leica. Leider hatte ich nicht ausreichend auf die Randschärfe geachtet. Vielleicht kann dazu jemand anderer etwas sagen.
Nun aber noch zu den Nikon-HG-Gläsern (HG = High Grade), die Du auf keinen Fall aus Deinen Überlegungen ausklammern solltest. Ich habe sowohl ein Nikon 8x20 HG als auch ein Nikon 10x25 HG, obwohl ich mir eigentlich nur eines von beiden kaufen wollte, aber ich konnte mich noch nicht entscheiden, welches von beiden ich wieder abgebe. Beide sind absolute Spitzenmodelle, und zwar in mehrfacher Hinsicht.
Die Transmission (Bildhelligkeit) liegt wie beim Leica auf höchstem Niveau; der Farbton ist neutral mit einem minimalen Hauch von Purpur (fällt nur im dirkten Vergleich mit dem Leica auf, wenn man von der Objektivseite auf ein weißes Blatt Papier durchschaut), während beim Leica ein ebenso minimaler Hauch von Gelblichgrün wahrnehmbar ist – nochmals: nur beim direkten Vergleich, in der Praxis ist das völlig unerheblich; auch der kritischste Ornithologe, der feinste Farbnuancen im Federkleid unterscheiden können muß, wird beide als farbneutral einstufen! Die Schärfe ist erstklassig und zwar bis zum Rand. Das hervorragende Leica ist in weitem Bereich um die Mitte, vielleicht bis etwa 75…80% gleich scharf, wird dann aber zum Rand hin leicht unscharf. In der Praxis spielt das kaum eine Rolle, insbesondere bei einem Kompaktfernglas, das ja nie auf einem Stativ benutzt wird und von Hand blitzschnell auch einem bewegten Motiv nachgeführt werden kann, so daß man letztlich das wichtige Motiv immer im oder nahe dem Zentrum des Gesichtsfeldes hat. Und dort hat man ja einen wirklich großen superscharfen Bereich. Aber das Nikon 8x20 HG und 10x25 HG fällt am Rand in der Schärfe fast gar nicht ab und wirkt im direkten Vergleich dort merklich schärfer. Das Gesichtfeld ist bein Nikon 8x20 HG einen Tick größer als beim Leica, aber der Unterschied ist so gering, daß man schon sehr sorgfältig prüfen muß, um ihn überhaupt zu erkennen. Beim 10x25 sollte nach den Herstellerangaben Leica ein minimal größeres Feld (95 m gegenüber 94 m beim Nikon) bieten, doch konnte ich keinen Unterschied erkennen. Die Nikon-Gläser haben Drehaugenmuscheln, die nicht ganz so ruck-zuck-schnell wie die Schiebeaugenmuscheln von Leica in die gewünschte Position zu bringen sind, was aber für mich keine Rolle bei der Bewertung spielt (es ist ja auch ein bißchen Geschmackssache). Als Brillenträger kann ich sowohl beim Leica wie beim Nikon 8x20 und 10x25 das volle Gesichtsfeld bequem überblicken, beim Nikon vielleicht noch eine Spur bequemer. Für das Nikon spricht ferner die extrem kurze Nahgrenze von nur 2,4 m beim 8x20 HG und exzellente 3,2 m beim 10x25 HG - absolute Topwerte für alle, die gern Schmetterlinge, Eidechsen, Lurche, Frösche, Libellen usw. im „Nahbereich” beobachten. Und schließlich kann es unter gewissen Bedingungen ein entscheidendes Argument sein, daß die Nikon-Gläser 8x20 HG und 10x25 HG wie die von Swarovski wasserdicht (und im Notfall abwaschbar) sind.
Nun gibt es aber auch ein paar dicke Wermutstropfen: Die Nikon-Kompaktferngläser sind am wenigsten kompakt und merklich schwerer als die von Leica, Swarovski und Zeiss. So steht beipielsweise dem Gewicht meines Leica 8x20 BC titan von 232 g ohne und 272 g mit Gürteltasche ein Gewicht meines Nikon 20x25 HG von 283 g ohne und 344 g mit Gürteltasche gegenüber (nicht nach Herstellerangaben, sondern jeweils von mir auf der Digitalwaage und einschließlich Umhängekordel/riemen ermittelt). Noch deutlicher fällt der Größenvergleich aus; die Nikon-Kompaktgläser sind zusammengefaltet erheblich dicker als die Leicas! Während das Leica 8x20 ohne Gürteltasche auch mal in der Jacken- oder Hosentasche getragen werden kann, ohne daß es auffällt oder behindert, beult das Nikon 8x20 HG die Hosentasche schon merklich aus und könnte Gürtelträger zu Hosenträger-Trägern machen. Was mir an den Nikons auch weniger gefällt, ist die relativ dünne Tubuskante an den Objektiven mit recht weit außen liegenden, also für Fingerabdrücke wohl empfänglicheren Linsen. Ich habe mir daher fürs Nikon 10x25 HG mit seinen größeren und darum noch empfindlicheren Frontlinsen aus den Deckeln von Fuji-Kleinbildfilmdosen Schutzringe gebastelt, damit die Linsen etwas vertieft liegen und man beim Ablegen des Fernglases auf einer harten Unterlage nicht die Metallfassung, sondern den Kunststoffring kontaktiert. Erwähnenswert ist noch die Lage der Fokussierwalze am unteren Ende (so wie auch bei den Swarovskis), die etwas gewöhnungsbedürftig, dann aber nach meinem Empfinden fast ebenso gut wie die Fokussierung oben bei den Leica-Gläsern ist.
Mein Fazit lautet: Wenn Kompaktheit (Bequemlichkeit beim Mitführen) ein wesentliches Kriterium ist, ist das Leica nicht zu schlagen. Es ist bis auf einen gewissen Schärfeabfall weit außen am Rand sehr scharf, es ist sehr hell, sehr stabil und spritzwassergeschützt, und in der Handhabung wird es von keinem anderen übertroffen. Es ist so winzig und leicht, daß man es nie als Ballast empfindet. Die Nahgrenze ist beim 8x20 auch für Schmetterlings- und andere Kleintierfreunde sehr gut.
Wenn hinsichtlich Kompaktheit und Gewicht größere Toleranz herrscht, das Glas also auch etwas größer und schwerer sein darf, steht das Nikon mit perfekter Schärfe bis weit in den Randbereich und mit den weiteren Vorteilen einer noch kürzeren Nahgrenze (bemerkenswerte vor allem beim 10x25) und der Wasserdichtheit eindeutig an der Spitze. Allerdings ist es in der Regel noch etwas teurer als das Leica, aber nicht so exorbitant teuer wie das Swarovski. Ich habe es schon für Preise bis knapp unter der 600-Euro-Grenze gesehen; Nikon gibt einen empfohlenen Preis von 449 Euro (8x20 HG) bzw. 499 Euro (10x25 HG) an, auf den man gegebenenfalls einen zu teuren Händler hinweisen sollte.
Deine Entscheidung dürfte Dir nun nach diesen Informaationen vielleicht nicht leichter fallen, aber mit mehr Wissen um Vor- und Nachteile und zusätzlich auch über die hervorragenden Nikon-HG-Kompaktferngläser sollte sie dann irgendwann mal besser fundiert erfolgen.
MfG Walter E. Schön