Moin,
das Essen mit meinem "spiritus lector" muss wegen Grippe leider ausfallen - aber ich habe die Sache gerade am Telefon mit ihm ausdiskutiert und wir sind zu einem Konsens gekommen:
1. Das (statische) Drehmoment - gegeben durch Kraft (Gewicht) * Hebelarm - ist identisch, solange das Produkt aus beidem identisch ist.
2. Das Dreh-Trägheits-Moment ist - wie AstroPhysics schreibt - bei langem Hebelarm und kleinem Gewicht (und gleichem statischem Drehmoment) erheblich höher, da der Hebelarm quadratisch eingeht. Das hat aber mit Stabilität und Schwingsneigung rein gar nichts zu tun. Im Gegenteil: Ein höheres Trägheitsmoment würde sogar dazu neigen, die Schwingungsanfälligkeit zu verringern, weil es plötzlichen Bewegungsänderungen entgegen wirkt. Nochmal zur Erinnerung: Wir reden über Drehungen der RA-Achse, wo während der Nachführung nur zwischen 0,5x Sterngeschw. und 1,5x Sterngeschw. gewechselt wird und keine Richtungswechsel stattfinden.
Trotzdem hat AstroPhysics recht - es ist nur nicht ganz so simpel:
3. Und dennoch gibt es einen Grund, warum die lange Stange mit dem kleinen Gewicht schwingungsanfälliger ist. Der Grund ist aber ein völlig anderer:
Eine Stange mit einem Gewicht, ist immer ein Biegeschwinger mit einer Eigenfrequenz. Diese Eigenfrequenz hängt von Durchmesser und Material der Stange und von der Masse des Gewichtes ab. Und hängt natürlich direkt mit dem Trägheitsmoment zusammen.
Bei konstantem Durchmesser und Material der Stange, wird die Eigenfrequenz des Biegeschwingers niedriger, je weiter das Gewicht auf der Stange nach außen wandert.
Diese Eigenfrequenz ist also sehr hoch, wenn ein großes Gewicht nah am Achsenkreuz sitzt und sehr niedrig, wenn ein kleines Gewicht weit am Ende der Stange sitzt.
Nun spielt diese Eigenfrequenz eigentlich keine Rolle - außer sie wird über äußere Einflüsse zur Resonanz angeregt. Die hohe Eigenfrequenz der kurzen Stange könnte schlimmstenfalls mit der Schrittfrequenz des Schrittmotors resonieren - was von der Amplitude her allerdings gering sein dürfte und außerdem selbst bei der kürzesten Belichtungszeit nicht auffällt.
Die geringe Eigenfrequenz der langen Stange neigt jedoch eher dazu, mit niederfrequenten Einflüssen, wie Wind oder evtl. auch Guidingimpulsen zu resonieren und dabei auch größere Amplituden zu erzeugen.
Das alles gilt aber nur, wenn man davon ausgeht, dass die GG-Stange in beiden Fällen dieselbe ist. Wenn man also die GG-Stange dicker auslegt, erhöht das wiederum die Eigenfrequenz. Allerdings müsste diese dickere GG-Stange auch wirklich bis in den Montierungskörper durchgehen.
Eine Durchmesser-Verdopplung der GG-Stange kompensiert übrigens die Abstands-Verdopplung des Gegengewichtes, weil auch hier der Durchmesser in die Biegesteifigkeit nicht linear eingeht, sondern die Fläche - der Durchmesser also quadratisch - zumindest wenn man von einer massiven Stange ausgeht. Bei einem Rohr ist es tendenziell genauso, aber wieder etwas komplizierter...
Gruß
Klaus