Gravitationswellen an einem schwarzen Loch

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Martin_D1

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Hallo,

ich hätte da eine laienhafte Frage an die Experten. Jenseits des Ereignishorizonts kann an einem schwarzen Loch, Licht nicht entkommen, wie sieht es da mit Gravitationswellen aus? Könnte uns eine Gravitationswelle die über ein schwarzes Loch hinweg läuft etwas über das Innere verraten?

Gruß

Martin
 
Zitat von Martin_D1:
Könnte uns eine Gravitationswelle die über ein schwarzes Loch hinweg läuft etwas über das Innere verraten?
Zunächst mal zur Klarstellung, welche Information ein Schwarzes Loch (SL) bestenfalls verraten kann:

(1) Das sog. No Hair Theorem für Schwarze Löcher besagt, dass diese ausschließlich durch drei Parameter beschrieben werden, nämlich ihre Masse, ihre Ladung, und ihren Drehimpuls. SL mit gleicher Masse, Ladung und Drehimpuls sind außerhalb ihres Ereignishorizontes physikalisch prinzipiell nicht unterscheidbar, also auch nicht mit Gravitationswellen (GW).

Das "No Hair Theorem" ist im allgemeinen Fall zwar noch nicht vollständig bewiesen, Mathematiker sprechen also noch von einer Vermutung (conjecture), aber niemand zweifelt an seiner Gültigkeit.

(2) Die Frage reduziert sich damit also darauf, ob man mit GW prinzipiell oder auch praktisch die Masse, die Ladung und den Drehimpuls eines SL bestimmen kann. Die Ladung von makroskopischen astrophysikalischen Objekten, einschließlich SL, spielt in der Praxis keine Rolle, Bleibt also die Masse und der Drehimpuls (Spin). Diese Parameter lassen sich für die bislang mit LIGO detektierten GW-Ereignisse immerhin mit bemerkenswerter Genauigkeit aus den Messdaten rekonstruieren:

GW150914

GW151226

GW170104

GW170608

Dabei handelt es sich jedoch um Merger-Ereignisse, bei denen also zwei SL zu einem verschmelzen und ein erheblicher Teil der Einzelmassen in GW-Energie umgewandelt wird, die dann auch in großer Entfernung, wenngleich nur mit erheblichem Aufwand, registriert werden kann.

Singuläre SL erzeugen jedoch per se keine nachweisbaren Gravitationswellen, die über Masse und Spin Information liefern könnten. Eine Durchleuchtung singulärer SL mit GW, wie stellst Du Dir das praktisch vor?
 
Hallo P_E_T_E_R,

erstmal danke für Deine ausführliche Antwort.
Zitat von P_E_T_E_R:
[ Eine Durchleuchtung singulärer SL mit GW, wie stellst Du Dir das praktisch vor?
Unabhängig von der derzeitigen Machbarkeit, stelle ich mir das so vor, dass ein Verschmelzungsereignis zweier SL im Hintergrund eine detektierbares Gravitationsereignis auslöst. Diese Welle durchdringt ein SL im Vordergrund und interagiert mit der dortigen Masse. Erreicht nun die GW den Detektor so sollte die Welle durch das SL verändert worden sein.

In der Populärwissenschaft, liest man immer wieder, dass keine Information aus dem schwarzen Loch entweichen kann. Daher stelle ich mir die Frage, ob diese Aussage sich nicht nur auf Licht bezieht und die Gravitationswellentechnik hier möglicherweise neue Erkenntnisse erhoffen lässt. Eventuell gibt es ja "Strukturen" zwischen Ereignishorizont und der Singularität im Zentrum.

Gruß

Martin
 
Hallo Martin,

interessante Frage. Bevor ein SL "durchleuchtet" werden könnte, kann man die Frage stellen ob unsere Erde, die ja von Gravitationswellen "getroffen" wird, "durchleuchtbar" wird.

Ich hab zwar keine Ahnung, würde aber annehmen, dass Gravitationswellen viel zu schwach dafür sind. Eine Bestimmung vor dem SL und nach dem SL scheitert ja schon daran, dass man keine Detektoren vor dem SL hat (und niemals haben wird), um ein Vor/Nachher messen zu können. Bei der Erde gings. Für mich hört sich das so an, als wenn ich am Jungfernstieg in Hamburg einen Stein in die Elbe werfe und hoffe damit das Containerschiff im Hafen besser verstehen zu können. Oder täusche ich mich da?

Grüße
Matthias
 
Hallo Matthias,

ich gehe von einer gleichmäßigen Ausbreitung der Welle in alle Richtungen aus. Ein Messen davor dürfte nicht notwendig sein, insofern davor nicht andere massereiche Objekte im Weg sind, die das Signal verfälschen.

Das von Dir am Jungfernstieg verursachte Signal, dürfte bis zum Containerhafen im Rauschen untergegangen und nicht mehr nachweisbar sein. Die Gravitationswellen der verschmelzenden SLs jedoch nicht.

Gruß

Martin

 
Zitat von Martin_D1:
Unabhängig von der derzeitigen Machbarkeit, stelle ich mir das so vor, dass ein Verschmelzungsereignis zweier SL im Hintergrund eine detektierbares Gravitationsereignis auslöst. Diese Welle durchdringt ein SL im Vordergrund und interagiert mit der dortigen Masse. Erreicht nun die GW den Detektor so sollte die Welle durch das SL verändert worden sein.
Die bislang mit LIGO gefundenen Verschmelzungsereignisse stehen ja tief im Raum bei Entfernungen von über einer Milliarde Lichtjahre. In dem Raum zwischen uns und diesen GW-Quellen liegen viele Millionen Galaxien, von denen die meisten nach gegenwärtigem Wissensstand in ihrem Zentrum supermassive schwarze Löcher mit einer gewaltigen Masse von typischerweise 10^8 bis 10^10 Sonnenmassen besitzen.

Man kann also wohl davon ausgehen, dass die Gravitationwellen auf ihrem langen Weg von der Quelle zu uns an solchen supermassiven SL vorbeikommen und dabei ähnlich wie elektromagnetische Lichtwellen an Hindernissen gebeugt werden. Die empfangenen GW-Signale enthalten also außer dem primären Merger-Signal zugleich eine Überlagerung von tausenden solcher Beugungsmuster, welche aber in ihrer Intensität weit unterhalb der primären Signalstärke liegen dürften.

Selbst wenn die Empfindlichkeit der GW-Detektoren irgendwann so weit gesteigert werden kann, dass dieser Beugungsuntergrund sichtbar wird, so kann man allenfalls hoffen, aus der Überlagerung tausender solcher Streusignale statistisch gemittelte Informationen etwa über die Massenverteilung zu extrahieren.

Viel mehr kann man nach dem "no hair" Theorem ohnehin nicht erwarten. Es macht diesbezüglich keinen Unterschied, ob man ein SL mit Licht- oder mit Gravitationswellen anstrahlt. Jenseits vom Ereignishorizont gibt es keinen Informationsaustausch. Über das Innere von SL wird man also nichts erfahren.



 
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