Was ist mit zwei kosmischen Protonen die sich in innerhalb des Schwerkrafteinflusses der Erde treffen? Die Chance dafür ist extrem gering, bei dem gewaltigen Raumvolumen über Geologische Zeiträume muss das aber bereits weiss nicht wieviele male vorgekommen sein (hat da jemand eine Idee für eine Schätzung zu verfügung?)
Hallo Stoeckli,
Um sowas abzuschätzen, braucht man zum einen die Flussdichte der kosmischen Protonen in einem geeigneten Energieband, und zum anderen den Wirkungsquerschnitt für eine bestimmte Reaktion.
(1) Flussdichte
In dem Cosmic Ray Artikel von
Wikipedia kann man aus dem dort angegebenen Grafen für eine Energie von 7 TeV = 7 * 10^12 eV ~ 10^13 eV eine kosmische Flussdichte von ca.
10^-7 Teilchen / (m² sr s GeV) ablesen.
Was bedeutet das? Das bedeutet, dass ein Detektor mit der Querschnittsfläche von 1 m² pro Sekunde (s) über einen Raumwinkel von 1 Steradian (sr) und in einem Energieband von der Breite 1 GeV = 10^9 eV insgesamt 10^-7 Teilchen registriert.
Wir wollen das mal für die weitere Rechnung in etwas praktischere Einheiten umwandeln:
(a) Wir nehmen mal an, dass wir tatsächlich alle Protonen aus einem Raumwinkel von 1 sr berücksichtigen können. Das wäre immerhin ein ganz beträchtlicher Bruchteil (8%) aller möglichen Richtungen (4*pi). Sowas kann man eigentlich nicht mehr als "Teilchenstrahl" bezeichnen, aber wir wollen mal hier nicht so kleinlich sein. In folgenden lassen wir also die explizite Raumwinkelnormierung einfach weg.
(b) Weiterhin nehmen wir an, dass wir ein Energieband mit einer großzügigen Breite von 1000 GeV = 1 TeV betrachten wollen. Die Protonen sollen also eine Energie von 6 bis 7 TeV haben. Damit erhöht sich der Fluss gegenüber einem schmalen Band von nur 1 GeV um einen Faktor 1000. Die explizite Energiebandnormierung lassen wir im folgenden ebenfalls weg.
(c) Eine Sekunde ist bei derart kleinen Teilchenflüssen keine besonders praktische Zeiteinheit. Stattdessen akkumulieren wir über 1 Jahr ~ 3 * 10^7 s.
Damit haben wir dann zwischen 6 und 7 TeV eine kosmische Protonenflussdichte von
~ 3000 Protonen / (m² Jahr)
(2) Wirkungsquerschnitt
Man stellt sich die Kollisionspartner als kleine Zielscheiben mit einer bestimmten Querschnittsfläche vor. Je kleiner dieser "Wirkungsquerschnitt", desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit für einen Treffer.
Dabei muss man aber noch dazu sagen, um was für einen Treffer es sich dabei handelt.
Handelt es sich dabei lediglich um einen sanften "elastischen" Stoß, bei dem die Stoßpartner zwar wie beim Billiard Richtung und Geschwindigkeit (also Energie) verändern, aber dabei ihre Eigenschaft als Proton nicht verlieren?
Oder ist es ein harter Stoß, bei dem die inneren Bestandteile (Quarks und Gluonen) so heftig aneinander geraten, dass das Proton dabei draufgeht und ein Zoo von teilweise exotischen neuen Teilchen dabei entsteht? Bei entsprechend hohen Teilchenenergien können diese sogar erheblich mehr Masse als die Stoßpartner haben. Einstein macht's möglich. Aber solche exotischen Reaktionen haben gewöhnlich vergleichsweise kleine Wirkungsquerschnitte, sie kommen also seltener vor.
Man kann auch sämtliche möglichen Reaktionen zusammenfassen. Dann spricht man vom "Totalen Wirkungsquerschnitt". Der wird aber gewöhnlich von völlig banalen Prozessen dominiert. Die exotischen Prozesse, die möglicherweise einen Durchbruch in unserem physikalischen Weltbild ermöglichen, saufen regelrecht in einem Meer von "Untergrund" ab.
Der totale Wirkungsquerschnitt für Proton-Proton Kollisionen bei LHC Energien sollte ca. 100 mb (Milli-Barn) betragen. Das
Barn ist dabei die übliche Flächeneinheit für Wirkungsquerschnitte (1 b = 10^-28 m²). 100 mb sind also
10^-29 m². Exotische Reaktionen sind häufig so selten, dass man ihre Wirkungsquerschnitte in Nanobarn angibt
(1 nb = 10^-37m²).
(3) Trefferrate
So, nun wollen wir mal Nägel mit Köpfen machen und abschätzen, wie häufig kosmische Protonen von ca. 7 TeV
mehr oder weniger frontal miteinander kollidieren. Das was doch Deine Frage.
Zur Berechnung der Trefferrate, muss man die Flussdichte mit dem Wirkungsquerschnitt multiplizieren.
(a) Starten wir mal mit dem "totalen" Wirkungsquerschnitt von 100 mb, der schliesst also sämtliche Reaktionen mit ein:
Rate = Flussdichte * Wirkungsquerschnitt = [3000 / (m² Jahr)] *
10^-29 m² = 3 * 10^-26 Ereignisse / Jahr.
(b) Und für einen etwas mehr exotischen Prozess mit einem Wirkungsquerschnitt von 1 nb:
Rate = Flussdichte * Wirkungsquerschnitt = [3000 / (m² Jahr)] *
10^-37 m² = 3 * 10^-34 Ereignisse / Jahr.
Mit anderen Worten, wenn Du vorhast, LHC Experimente mit frontal kollidierenden kosmischen Protonen auf der internationalen Raumstation zu machen, dann solltest Du viel Geduld aufbringen. Für drei Ereignisse vom Typ (a) musst Du 10^26 Jahre warten, aber das wären nur völlig langweilige elastische Stöße. Für etwas mehr interessante Reaktionen vom Kaliber (b) brauchst Du dann 10^34 Jahre.
Mit anderen Worten, wie Du schon vermutet hast, sowas kann man vergessen!
Wenn Du jedoch fragst, wie häufig sowas irgendwo im Universum stattfindet, dann sieht das Ergebnis natürlich anders aus.
Wenn wir mal die Querschnittsfläche der Milchstrasse zu 10^42 m² annehmen, dann berechnet sich dort für Typ (a) eine Rate von 10^9 pro Sekunde, und für Typ (b) sind's noch 10 pro Sekunde.
Und für das ganze Universum, das kannst Du vielleicht selbst abschätzen ...
Mit freundlichen Grüßen,
Peter