Mondaufnahmen mit 10" bei "kohärentem" Seeing

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Jan_Fremerey

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Die nachfolgend gezeigten Bilder wurden in derselben Nacht vom 16./17. Februar aufgenommen, in der Maciek auch das Videomaterial zu seinem großartigen Mosaik gesammelt hatte. Die Beleuchtungsverhältnisse sind also vergleichbar.

Das den Bildern zugrundeliegende Videomaterial wurde wieder mit meinem offenen 10" f/5 Spiegel - "Schüssel" - und der Chameleon-Kamera (3,75 µm) mit vorgeschalteter, komakorrigierender 2,2x Klee-Barlow und Rotfilter (aus dem RGB-Satz von Astronomik) bei f/11 aufgenommen.

Achtung - Die nachfolgenden Bilder erscheinen hier in der durch die Forums-Software automatisch verkleinerten Form. Im Antwort-Modus kann man sie alle zusammen - oder über Rechtsklick einzeln - in Originalgröße betrachten.


Pythagoras:

Link zur Grafik: http://www.astro-vr.de/005051_Pythagoras_AS177v353Lc36Md30Rp399_lumi_usmR30S30wRges031D1189itGr115x10GR075x500_12e7-12e8g060_cr.jpg


Aristarchus:

Link zur Grafik: http://www.astro-vr.de/005940_Aristarchus_AS228v456Lc16Md30Rp536_lumi_usmR30S60wRges071D1400itGx5_5e7-11e8g065_cr.jpg


Grimaldi:

Link zur Grafik: http://www.astro-vr.de/010359_Grimaldi_AS235v470Lc17Md30Rp496_lumi_usmR30S30wRges031D1189itGr115x10GS500usmR9S30_1-12e8g070_cr.jpg


Gassendi:

Link zur Grafik: http://www.astro-vr.de/011740_Gassendi_AS306v612Lc96Md30Rp584_lumi_usmR30S30wRges031D1400usmR4S15itGx10GS100_5-13e8his20_cr.jpg


Der Grund für die späte Nachreichung dieser Aufnahmen ist der, dass sie in deutlich geringerem Maße von dem an früherer Stelle diskutierten Phänomen der Mehrfachabbildung beeinträchtigt sind als meine dort gezeigten Aufnahmen von Anfang September vergangenen Jahres. Damals war das Seeing einerseits so gut, dass ich 1,4-fach nachvergrößern und dabei feinere Bildstrukturen herausarbeiten konnte als bei den aktuellen Bildern, die ich hier nur im 100% Maßstab zeige. Andererseits traten dort gehäuft störende "Säume" an markanten Kraterrändern und helle "Sicheln" in den Schlagschatten kleinerer Krater auf. Diese Bildstörungen hatte ich mit bevorzugt bei größeren Teleskopen auftretenden Mehrfachabbildungen erklärt, die bereits in dem unbearbeiteten Videomaterial erkennbar waren.

Mehrfachabbildungen kommen offenbar dadurch zustande, dass das Licht des abzubildenden Objekts auf dem Weg durch die obere Atmosphäre Luftschlieren mit unterschiedlicher Lichtbrechung durchläuft. Bei größeren Teleskopen ist wegen deren größeren Einfangquerschnitts die Wahrscheinlichkeit höher als bei kleinen Teleskopen, dass sie Licht aus nebeneinanderliegenden, unterschiedlich brechenden Luftschlieren empfangen. Im Grunde bedeutet dies nichts anderes, als dass die Wahrscheinlichkeit, eine durchgehend ebene Wellenfront zu empfangen, mit zunehmendem Einfangquerschnitt abnimmt. Solange man es mit einer durchgehend ebenen Wellenfront zu tun hat, spricht man in der Optik von "Kohärenz".

Auch wenn die heute vorgestellten Aufnahmen insgesamt keine so hohe Detailauflösung bieten wie die vom September, so sind sie doch weitgehend frei von den oben genannten Säumen und Sicheln. Offenbar war das empfangene Licht über dem gesamten Einfangquerschnitt meines 10" Spiegels zum Zeitpunkt der neuen Aufnahmen in viel höherem Maße kohärent als während der Aufnahmen vom vergangenen September. Diese Feststellung hat mich veranlasst, an dieser Stelle von "kohärentem" Seeing zu sprechen.

Ergänzend zeige ich hier noch Plato (1,2-fach vergrößert) aus derselben Aufnahmeserie, weil ich - ebenso wie im Mare Humorum (s.o.) - diese "Strähnen" interessant finde, die bei ganz steiler Beleuchtung auf den dunklen Lavaflächen besonders schön zum Vorschein kommen.


Link zur Grafik: http://www.astro-vr.de/005051_Plato_AS719v1438Md20Rp259_lumi_usmR30S60dSinc120wRges031D1400usmR4S30itGx10GS100_3-20e8his25_cr.jpg


Dieses Bild erscheint wegen seines kleineren Formats bereits an dieser Stelle in Originalgröße.

Gruß, Jan


 
Hallo Jan,

Gratulation zu deinem Spiegel! Keine Doppelkontouren, knackig und tolle Abstufung. Abgesehen von Aristarchus vielleicht ein wenig zu viel geschärft, ist aber natürlich Geschmackssache.
Super Kombi, deine Schüssel mit Barlow, Filter und Kamera

cs
herwig

 
Hallo Jan,

kann Herwigs Einschätzung nur zustimmen. Aristarchus gefällt mir auch am besten! Bei den übrigen würde ich persönlich nochmal leicht glätten.


Viele Grüße
Torsten
 
hallo Jan,

grosse Klasse, deine Arbeiten hier! Mir gefällt Pythagoras am besten, und Plato mit den vielen Details. Mit technischen Ratschlägen möchte ich mir nicht die Finger verbrennen, dazu muss ich erst noch einiges dazulernen in dieser Richtung. Aber du machst mir Apettit!

lg Tommy
 
Hallo Herwig, Torsten und Tommy,

vielen Dank für Eure Kommentare! Interessanterweise war ich in den vergangenen Tagen schon von einem anderen, sehr erfahrenen Mondfotografen ebenfalls auf eine nach seinem Empfinden etwas überhöhte Schärfe der größeren Bilder hingewiesen worden.

Er hatte mir dann allerdings auch diesen Link geschickt mit der Bemerkung, dass man am Mond wohl doch guten Gewissens an die Grenzen der Schärfung gehen könne. Man muss zum Vergleich mit eigenen Bildern nur den entsprechenden Ausschnitt aus dem NASA-Mosaik mittels Screen-Dump speichern und ihn ein wenig aufhellen.

Ich war selbst im übrigen auch zuvor eher der Meinung, dass die Grenzen der Schärfung erst dann erreicht sind, wenn sich Artefakte zeigen.

Drei von den zuvor gezeigten Bildern habe ich nun zur "Entschärfung" statt sie mit einem Weichzeichner-Tool zu behandeln einfach auf 120% hochvergrößert. Hier sind also die oben gezeigten Bilder von Pythagoras, Aristarchus und Grimaldi nochmal in leicht vergrößerter Form.

Vielleicht reicht das ja schon, um die unangenehme Schärfe herauszunehmen. Die feinen Details werden bei dieser Prozedur nicht "weichgespült", sondern kommen eher noch etwas besser zum Ausdruck. Ich hoffe, Ihr seid damit so einverstanden.

Gruß, Jan
 
Hallo Jan,

auch ich bin sehr beeindruckt von deinen Ergebnissen!!
Mir gefällt Pytagoras und Plato am besten, vor allem, weil durch die Libration der Zentralberg von Pytagoras fantastisch daherkommt. Bei Plato überwältigt mich der Detailreichtum und die Dynamik, die du erreichst trotz des hohen Sonnenstandes und die Aufnahmen kommen ungewöhnlich plastisch daher.
Wie schaffst du diese Dynamik nur ?
Übrigens, großen Dank auch für den Link, wo man in den Mond reinzoomen kann, sowas suche ich schon lange!!

Gruß Wolf Manfred
 
Hallo Wolf Manfred,

vielen Dank für Deine Bewertung.

Zitat von W_Manfred:
... die Aufnahmen kommen ungewöhnlich plastisch daher. Wie schaffst du diese Dynamik nur ?
Der vorrangige Grund waren natürlich - wie meistens - die Sichtbedingungen zum Zeitpunkt der Aufnahme, insbesondere die von mir hier angesprochene "Kohärenz".

Hinsichtlich der Bildbearbeitung habe ich gar keine Geheimnisse. Ich habe hier ausschließlich mit AviStack v1.74 und Fitswork v3.94 gearbeitet. Der komplette Ablauf ist im jeweiligen Dateinamen protokolliert, den man über View/Page-Source erreicht.

Mir ist aber klar, dass man aus demselben Rohmaterial mindestens gleichwertige Ergebnisse auch auf anderen Wegen erzielen kann. Viele Kollegen arbeiten ja mit professionellen Software-Paketen, insbesondere mit Photoshop.

Letztlich sind aber m.E. immer noch die Aufnahmebedingungen entscheidend. Inwieweit ich da mit meinem Setup im Vorteil bin durch den tubusfreien Aufbau des Teleskops, sowie aufgrund des nicht vorhandenen Sekundärspiegels und schließlich mit der vergleichsweise kurzen Aufnahmebrennweite von 2,8 m bzw. großen Lichtstärke f/11, das muss die zukünftige Entwicklung zeigen. Es gibt ja inzwischen auch andere Mond- und Planetenfotografen, die sich in dieser Richtung orientieren ...

Gruß, Jan
 
Zitat von Attalar:
Hallo Michael,

Dank für Deinen Kommentar! Da Du nun auch nach der Bearbeitung fragst, will ich kurz ein Beispiel geben, wie man aus dem Dateinamen das Bearbeitungsprotokoll abliest.

Zunächst will ich aber sagen, dass man den Dateinamen viel einfacher über Rechtsklick und Properties erreicht als über den von mir zuvor angegebenen Weg View/Page-Sorce.

Nehmen wir also den Dateinamen des Plato-Bilds:

005051_Plato_AS719v1438Md20Rp259_lumi_usmR30S60dSinc120wRges031D1400usmR4S30itGx10GS100_3-20e8his25_cr.jpg

Die einzelnen Bestandteile haben folgende Bedeutung:

005051 - Startzeit der Aufnahme, in diesem Fall MEZ

AS719v1438Md20Rp259 - Im Summenbild wurden die jeweils 719 besten Teilstücke aus insgesamt 1438 Videoframes berücksichtigt. Md20 weist auf die "Minimum distance"-Einstellung hin und Rp259 gibt die Anzahl der von AviStack (AS) automatisch generierten "Reference points" an.

lumi - Aus der von VirtualDub aus dem Originalvideo generierten Bildfolge im RGB-Format kommt nur der Luminanzauszug zur Weiterverarbeitung.

usmR30S60 - Unscharfe Maske mit Radius 30 und Stärke 30

dSinc120 - Bildvergrößerung auf 120% mittels dSinc-Algorithmus

wRges031D1400 - Waveletbehandlung mit Rauscheinstellung 0.31 und Detailregler 1 bei 4.00

usmR4S30 - nochmal Unscharfe Maske mit Radius 4 bei Stärke 30

itGx10 - Iterative Gauß-Schärfung in der Defaulteinstellung mit 10 statt 20 Iterationen

GS100 - Gauß-Schärfung in der Defaulteinstellung mit Stärke 100 statt 250

3-20e8his25 - Abbildung der internen 32-Bit Float-Daten von Fitswork auf das 8-Bit-RGB Ausgabeformat mit Schwarzgrenze bei 3x10^8, Weißgrenze bei 2x10^9 und Histogrammregler bei 20%

cr - Randbeschnitt

Wie gesagt, die Behandlungsmaßnahmen sind nicht entscheidend, und man kann es möglicherweise alles viel einfacher machen. Ich bewege mich da in einer ständigen Lernphase und bin für Anregungen stets dankbar.

Gruß, Jan

P.S. - Was natürlich hier noch fehlte, sind die Aufnahmedaten. Die liegen in dem von Torsten Edelmann in seiner FireCapture Software eingerichteten Aufnahmeprotokoll. Hier sind die Daten:

Filename=Moon_R_17_02_2011_005051.avi
Date=17.02.2011
Start=00:50:51
Duration=60s
Frames captured=1439
Camera=Chameleon CMLN-13S2M
ROI=640x480
Profile=Moon
Filter=R
FPS=24
Shutter=4.347ms
Gain=800
Gamma=1500
Histogramm(min)=73
Histogramm(max)=255
Histogramm=100%
AutoAlign=false
PreFilter=none
Limit=60 Seconds
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo Jan,

herzlichen Glückwunsch auch von mir zu den schönen Aufnahmen! Ich finde den Vergleich zu meinen Bildern vom gleichen Abend sehr interessant und staune über die Auflösung. Allerdings war bei mir das Seeing alles andere als "kohärent", bei f/20 waren die bekannten Doppelstrukturen deutlich sichtbar. Nichtsdestotrotz scheint Dein "Rolls" Royce seine Aufgabe gut zu erfüllen, ich bin auf weitere Bilder sehr gespannt.

Interessant finde ich auch die unterschiedlichen Aussagen zu der Bildbearbeitung. Wenn man genauer hinguckt, entdeckt man tatsächlich hier und da eine leichte Überschärfung z.B. am Riccoli neben Grimaldi. Aristarchus könnte hingegen meiner Meinung nach noch etwas Schärfe gebrauchen, letztlich ist das alles aber Kosmetik und sollte meiner Meinung nach nicht so wichtig genommen werden. Was zählt ist der Gesamteindruck und den finde ich sehr gut. Und wenn wir schon dabei sind: mein Favorit ist die Gegend um Pythagoras :)

Viele Grüße,
Maciek
 
Hallo Maciek,

schön, dass Du Dich als prominenter Aktivist aus derselben Nacht hier noch mit Deiner recht differenzierten Kritik meldest. Klar, an einzelnen Stellen opfert man schon mal die Performance zu Gunsten des Gesamteindrucks oder, wenn man dafür an anderer Stelle etwas besonders betonen möchte. Bin mit Deinen Bemerkungen insgesamt sehr einverstanden.

Im Hinblick auf Dein großflächiges Mosaik und auf die begrenzten Sichtbedingungen war es für Dich wohl naheliegend, ohne optische Nachvergrößerung bei f/10 aufzunehmen. Allerdings glaube ich, dass Du auch bei sehr viel besseren Bedingungen mit f/10 auskommen würdest. Du hättest ja dann noch "Reserve", indem Du mehr oder weniger nachvergrößern und trotzdem den Vorteil der kurzen Belichtungszeiten nutzen könntest.

Mit 3,75 µm bei f/11 habe ich natürlich einen Tick mehr Reserve bei der Kameraankopplung im Vergleich zu Deinen 4,65 µm bei f/10. Aber, wenn man sich nochmal die Bilder von Stefan mit derselben Ankopplung anschaut, sollte man meinen, dass auch das noch sehr gut reicht.

Wir werden hoffentlich bald wieder Gelegenheit für neue Aufnahmen bekommen. Bin vor allem sehr gespannt auf Saturn ...

Dank und Gruß, Jan
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo Jan,

schön, dass wir einmal einen Blick auf deine Bildverarbeitung werfen konnten.
Es gibt einem einen Anreiz, einen neuen oder anderen Weg der Bildverarbeitung zu versuchen.

Danke und viele Grüße
Michael
 
Hallo Michael,

Dank Dir für Deine freundliche Meldung. - Eigentlich fühle ich mich ein wenig unwohl, weil ich das Behandlungsschema hier lediglich offengelegt aber nicht begründet habe. Tatsächlich kann ich aber auch die einzelnen Schritte nicht präzise begründen. Dazu fehlt es mir insbsondere an der intimen Kenntnis der mit den verwendeten Algorithmen verknüpften mathematischen Funktionen. Ich gehe da eher nach etwas allgemeineren Gesichtspunkten vor. Dabei lasse ich mich von der Vorstellung leiten, wie das abgebildete Objekt bei unmittelbarer Betrachtung aussehen könnte. Das ist natürlich mehr oder weniger spekulativ.

Nach meiner Erfahrung neigt ein einzelner Schärfungsalgorithmus dazu, Artefakte auszubilden, wenn man ihn zu stark ausreizt. Weniger anfällig im Hinblick auf Artefakte ist offenbar die moderate Anwendung unterschiedlicher Tools. Dabei arbeite ich gerne in Fitswork mit der Folge (1) Wavelets, (2) iterative Gaußschärfung und (3) normale Gauß-Schärfung. Die unscharfe Maske benutze ich im wesentlichen zum Ausgleich von allzu starken Helligkeitsunterschieden auf der Bearbeitungsfläche. Solch eine Maßnahme wende ich innerhalb einer Bearbeitungsprozedur im Bedarfsfall auch mehrmals an.

Mit dieser etwas pauschalen Beschreibung sind die fünf Bearbeitungsschritte der oben vorgestellten Liste zumindest andeutungsweise begründet.

Für kritische Fragen und Anregungen bin ich immer zu haben ...

Gruß, Jan
 
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