Jupiterstudie

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Jan_Fremerey

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Angesichts der zahlreichen hier gezeigten, großenteils ganz hervorragenden Jupiter-Bilder verschiedener Autoren habe ich mich gefragt, unter welchem Aspekt es sich lohnt, selbst noch etwas beizutragen.

Zunächst einmal wurde mir klar, welches Glück ich Anfang September vergangenen Jahres mit meinem 10"-Spiegel am Tag seines "First-Lights" mit den Sichtbedingungen bei der Aufnahme einer ersten Jupiter-Serie gehabt habe. Solche Sichtbedingungen konnte ich in der laufenden Saison bei einer Vielzahl von mehr oder weniger enttäuschenden Versuchen noch nicht erleben. Ein tröstlicher Aspekt dabei: Mit 10" bin ich - zumindest bei den an meinem Standort vorherrschenden Sichtbedingungen - offensichtlich mehr als angemessen ausgerüstet.

Trotz der begrenzten Möglichkeiten war aber die folgende Aufnahme für mich im Hinblick auf die Gewinnung und Bearbeitung von synthetisierten RGB-Farbaufnahmen von gewissem Nutzen. Das war mir jetzt Anlass genug, an dieser Stelle über eigene Erfahrungen und Erkenntnisse zu berichten.

Link zur Grafik: http://www.astro-vr.de/Jupiter_1110030400MESZ_RRGB1110211030_Q720.jpg

Hier zunächst die Aufnahme- und Bearbeitungsdaten:

- Datum der Videoaufnahme (Rotauszug): 3. Oktober 2011, 04:00 MESZ (02:00 UT)
- Teleskop: Royce-Spiegel 10" f/5 mit komakompensierender 2,2x Klee-Barlow in offener Bauweise auf Stahlträgerrohr ( "Schüssel"-Anordnung )
- Aufnahmebrennweite: 2,8 m bei f/11 (FireCapture: 2900 mm)
- Kamera: Point Grey Chameleon, monochrom, mit 1/3" Sensor ICX445 bei 3,75 µm Pixelweite
- Kameraposition: 1,3 m vor dem Spiegel unmittelbar auf der optischer Achse (kein Sekundärspiegel)
- Obstruktionsdurchmesser 50 mm
- Farbfilter: Astronomik RGB Typ II auf 1,25" Verlängerungshülsen in spiegelseitiger Okularfassung
- Aufnahmesoftware: FireCapture 1.2 von Torsten Edelmann
- Kameraeinstellungen: ROI 640x480 - Gain 800 - Shutter 15,4 ms (alle Farben) - Gamma 1,50 - Farbtiefe 8 Bit - Bildrate 24 fps - Aufnahmedauer 30 s je Farbe - Farbsequenz BRG im Abstand von jeweils 1 min
- Stacksoftware: AutoStakkert! 0.0.1.15 mit Nachvergrößerung "1,5x Drizzle", "Normalized Brightness" und "Image Convolution"
- Nachbearbeitung: Fitswork 3.94 und Picture Publisher 7a
- Farbschema: R-RGB

Da die Erstellung von Farbaufnahmen mit dem Spiegelteleskop für mich noch weitgehend Neuland ist, habe ich mich bemüht, überzeugende Vorlagen für eine "natürlich" wirkende Farbabstimmung zu finden. Dabei schien mir eine als solche deklarierte NASA-Aufnahme geeignet, die möglicherweise auch anderen Autoren als Vorbild dient.

Interessanterweise ergab sich bei der Verwendung von AutoStakkert! mit den o.g. Einstellungen und Fitswork eine solche Farbabstimmung praktisch "von alleine". Das verwendete Farbschema R-RGB mit dem auf maximalen Kontrast nachbearbeiteten Rotauszug als Luminanzkomponente erforderte lediglich eine Anhebung der Farbsättigung um 50%, aber keine nennenswerte Nachjustierung der Farbkomponenten gegeneinander.

Bei der Bildbearbeitung habe ich Wert darauf gelegt, dass der Eindruck von Wolken und Wettervorgängen auf der Oberfläche des Planeten nicht durch bearbeitungstypische Merkmale getrübt wird.

Um die eigenen Ergebnisse mit denen von anderen Autoren besser vergleichen zu können, war es gelegentlich erforderlich, die Ansicht des Planeten durch Verdrehen oder auch Spiegeln anzupassen. Dabei fiel mir auf, dass durch solche Aktionen die Wahrnehmung bestimmter Merkmale des Planeten auf überraschende Weise geschärft wird. Um das zu verdeutlichen, zeige ich hier eine kleine Animation:

Link zur Grafik: http://www.astro-vr.de/Jupiter_1110030400MESZ_RRGB1110211030_Q720_RollAnim.gif

Für mein Empfinden kommen in dieser "Roll-Animation" folgende Merkmale besonders zum Ausdruck:

1. die stark elliptische Form des Planeten,
2. die unterschiedlichen Beleuchtungsverhältnisse an den seitlichen Rändern,
3. die feinen Farbunterschiede zwischen den Wolkenbändern und Polkappen der Nord- und Südhalbkugel,
4. Typische Unterschiede in den Wolkenformationen der Nord- und Südhalbkugel,
5. Die scheinbar gegen die Rotationsrichtung des Planeten weisende, bläuliche äquatoriale "Strömung".

Möglicherweise habe ich mich im Laufe der Zeit an den "normalen" Anblick des Planeten soweit gewöhnt, dass mir die o.g. Merkmale nur noch in abgeschwächter Intensität bewusst werden.

Weiterhin ist zu bemerken, dass Jupiter sich gegenwärtig südlich der Ekliptik bewegt und wir dementsprechend aus etwas nördlicher Richtung auf den Planeten und die Umlaufebene der Jupitermonde schauen. Dies zeigt sich insbesondere an der nach Süden gerichteten Durchbiegung der Wolkenbänder des Planeten und daran, dass sich die Monde mit ihren Schatten während der diesjährigen Saison über die Südhalbkugel des Planeten bewegen.

In einer Aufnahme mit meinem 6"-Refraktor vom 8. Juni 2006 lief der Schatten von Ganymed noch über die Nordkappe des Planeten. Aus den Astrokalendern der Jahre 2005 und 2011 ist diesen Beobachtungen entsprechend zu entnehmen, dass Jupiter am 1. Februar 2011 seine maximale ekliptikale Südbreite von - 1,2° durchlief und bereits am 16. Februar 2005, also mehr als ein Jahr vor der älteren Aufnahme, mit + 1,5° seine größte ekl. Nordbreite. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht, warum sich die maximalen Winkelabweichungen dem Betrag nach unterscheiden.

Beim Vergleich der beiden Aufnahmen fällt schließlich noch auf, dass Ganymed in der Aufnahme von 2006 seinem Schatten vorauslief während er in der aktuellen Aufnahme hinterherläuft. Das erklärt sich ganz einfach damit, dass die ältere Aufnahme nach der damaligen Opposition, und die aktuelle Aufnahme vor der diesjährigen Opposition entstand. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, d.h. in unmittelbarer Nähe zur Opposition, laufen die Monde mit ihren Schatten nur um wenige Minuten gegeneinander versetzt über die Planetenscheibe.

Meine Kommentare im Zusammenhang mit dem gezeigten Bild sind jetzt etwas ausführlicher ausgefallen als sonst üblich und finden damit vielleicht eher das Interesse der i.S. Jupiterfotografie noch weniger erfahrenen Leser.

Gruß, Jan
 
@Jan

da ich Neuling bin auch bezüglich Mond Planeten Aufnahmen,
möchte ich mich für Deinen Beitrag herzlichen bedanken.
Sehr interessant: Roll Animation

Gruss und CS

Luca
 
Hallo Jan,
dieser Beitrag gefällt mir sehr gut, weil es nicht nur um schöne Bilder, sondern auch um astronomische Zusammenhänge geht. Die Beschreibung der Aufnahmetchnik ist natürlich ebenso interessant.

In Kürze kann ich nicht auf alles eingehen, hier nur einige Anmerkungen:

Der Anblick des Jupiter von der Erde ist nicht von der ekliptikalen Breite abhängig. Die Rotationsachse hat eine bestimmte Richtung und davon leitet man den Anblick von der Erde aus gesehen ab. Ich nehme an, dass du die geozentrische ekliptikale Breite bei den Extremwerten meinst. Diese sind u.a. von der Entfernung des Jupiters abhängig.

Wie der Jupiter von der Erde aus erscheint, wird mit den physischen Ephemeriden beschrieben. Die Neigung wird durch die Deklination der Erde auf Jupiter angegeben. Die geringe Phasengestalt wird mit dem Phasenwinkel (Winkelabstand von Sonne und Erde von Jupiter aus gemessen) und mit dem Phasendefekt q (größte Breite der unbeleuchteten Sichel in ") angegeben. Der Versatz von Mond und dessen Schatten auf Jupiter kann ebenfalls mit dem Phasenwinkel genähert angegeben werden. Bei genauerer Betrachtung sind noch weitere Ephemeridenwerte erforderlich. Leider werden diese Ephmeriden in den Kalendern nicht vollständig aufgeführt, am ausführlichten sicherlich im Ahnert, Astronomisches Jahrbuch.
In meiner Hompage gebe ich diese physischen Ephmeriden in monatlichen Tabellen an. Dann möchte ich noch auf WinJupos von Grischa Hahn hinwiesen.

Das Aufnehmen (Beobachten) und Filme auswerten ist schon sehr interessant und zeitaufwendig. Doch ebenso ist die Auswertung der Fotos eine anspruchsvolle und interessante Aufgabe.
 
Zitat von Buecke:
dieser Beitrag gefällt mir sehr gut, weil es nicht nur um schöne Bilder, sondern auch um astronomische Zusammenhänge geht.
Hallo Karl-Heinz,

natürlich freue ich mich umso mehr, wenn mir hier jemand auf fachmännischer Grundlage zu einem besseren Verständnis der Zusammenhänge verhilft, vielen Dank also für Deine anregende Reaktion.

Zitat von Buecke:
Die Rotationsachse hat eine bestimmte Richtung und davon leitet man den Anblick von der Erde aus gesehen ab.
Diese Bemerkung von Dir war für mich der Schlüssel zum Verständnis: Da die Rotationsachse des Planeten - wie ich aus Wikipedia entnehme - um 3,13° gegen seine Umlaufebene um die Sonne geneigt ist, und die Umlaufebene ihrerseits um 1,3° gegen die Ekliptik geneigt ist, wird die Schwankungsamplitude des Jupiteranblicks offenbar überwiegend von der erstgenannten Größe bestimmt. Der resultierende Anblickswinkel wird also vermutlich vom Winkelabstand der entsprechenden Knotenlinien abhängen. Vielleicht hast Du da eine Zahl parat?

Da die Bahnebenen der hellen Jupitermonde nur maximal 0,5° gegen die Äquatorebene des Planeten geneigt sind, ist an dieser Stelle nur eine geringere Auswirkung auf die Perspektive zu erwarten.

Zitat von Buecke:
Ich nehme an, dass du die geozentrische ekliptikale Breite bei den Extremwerten meinst.
Diese Annahme erscheint mir naheliegend. Die Zahlenwerte hatte ich aus CalSky entnommen.

Zitat von Buecke:
Die Neigung wird durch die Deklination der Erde auf Jupiter angegeben.
Das ist eine sehr einleuchtende Erklärung!

Dank auch für die weiteren Erläuterungen und den Hinweis auf andere Quellen sowie auf Deine Tabellen, die ich mir vorhin kurz angeschaut habe. Mit diesen Daten müsste ich mich in der Tat erst einmal eingehender befassen, um daraus ggf. Fragen zu entwickeln.

Zitat von Buecke:
Das Aufnehmen (Beobachten) und Filme auswerten ist schon sehr interessant und zeitaufwendig. Doch ebenso ist die Auswertung der Fotos eine anspruchsvolle und interessante Aufgabe.
Das ist nicht nur reizvoll vom handwerklichen Standpunkt, sondern auch bezüglich praxisrelevanter theoretischer Aspekte, siehe z.B. hier .

Gruß, Jan
 
Hallo Luca und Michael,

Dank für Eure Reaktion auf die Roll-Animation!

Zitat von Attalar:
das ist schon interessant, wie bei der Rollanimation die Abplattung deutlich wird.
Ja - erstaunllicherweise ermüdet selbst die Empfindung für diese doch recht deutliche Abplattung bei der Betrachtung der gewohnten Darstellung im Laufe der Zeit.

Ähnlich sehe ich das auch bei der Betrachtung der anderen genannten Merkmale. Die Roll-Animation hat hier einen ähnlichen Effekt wie das "Blinken". Auch mit diesem Hilfsmittel wird die Wahrnehmung von Differenzen geschärft.

Das Gehirn speichert gewohnte Darstellungen offenbar als Referenzbilder ab, die im "Archiv" langsam verblassen, und empfindet nur noch Abweichungen als attraktiv. Wir kennen den Effekt ja von Kino und Fernsehen: Alle paar Minuten muss was aufregendes passieren, damit wir nicht einschlafen.

Gruß, Jan
 
hallo Jan,

falls es dich tröstet - bei mir scheint dieses Jahr auch turbulent zu verlaufen (was die Luft betrifft). Aber noch schwebt Jupiter vor sich hin und kann sich nicht wehren wenn uns das Glück wieder mal heimsucht ;-)

Dein Bild oben kann sich jedenfalls sehen lassen - gratuliere!

lg Tommy
 
Hallo Tommy,

komme gerade - noch leicht benommen - von "Bach for Mallets": Umwerfend in Rhythmus und Artikulation!

Dank - auch - für den tröstenden und anerkennenden Kommentar i.S. Seeing und Jupiter. Am meisten beruhigt mich in der Tat, dass ich mich angesichts der hiesigen Sichtverhältnisse nicht mehr zur Anschaffung von schwererem Gerät gedrängt fühle. Lieber werde ich gelegentlich die Sachen einpacken und Ausflüge an Orte mit wirklich gutem Seeing unternehmen ...

Gruß, Jan
 
Hallo Jan,
es freut mich, das meine Infos zum weiteren Verständnis beitragen.
Zur Lage der Jupiterbahn und zur Rotationsachse habe ich folgende Angaben: Die Bahn ist um 1,3° gegen die Ekliptik geneigt, der aufsteigende Knoten liegt bei 99°. Die Rotationsachse ist um 3° gegen die Ekliptik geneigt und der aufsteigenden Knoten der Äquatorebene liegt bei einer ekliptikalen Länge von 336° liegt. Die Rotationsachse zeigt auf einen Punkt nahe des Pol der Ekliptik (Rektaszension 17,9 h und Deklination 64,5°). Dies sind nur gerundete Werte und sollen zur Anschauung dienen. Für Berechnungen werden andere genauere Werte verwendet. Zu diesem Thema habe ich in meiner Homepage die Seite "Jupiter während eines Umlaufes um die Sonne" (in meiner Homepage sind bei Verwendung des Browsers Firefox leider nicht alle Funktionen nutzbar).
Bei Fragen kann ich gern ausführlicher Antworten.

Sehr interessant sind deine Bilder der "Roll-Animation". Hier merkt man, wie unser Sehen sind gewöhnen und täuschen kann.
 
Zitat von Buecke:
"Jupiter während eines Umlaufes um die Sonne"
Sehr schön, Deine Tabellen! Wenn ich also richtig verstehe, dann stand die Erde - von Jupiter aus gesehen - zur Zeit meiner älteren Beobachtung am 8. Juni 2006 in einem Winkelabstand von 3,2° unterhalb seiner Umlaufebene um die Sonne, d.h. seiner Ekliptik, und zum Zeitpunkt der aktuellen Aufnahme am 3. Oktober 2011 in einer Höhe von 3,4° oberhalb dieser Ebene. Die Abweichung der Jupiterposition von unserer Ekliptik ist in den Angaben offenbar bereits berücksichtigt.

Bei fehlerhafter Darstellung bitte ich um Protest und Richtigstellung.

Dank und Gruß, Jan
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo Jan,
das ist noch nicht richtig.
Es geht nicht um die Ekliptik. Vom Jupiter aus gesehen kann man das so betrachten: am 08.06.2006 stand die Erde 3.2° südlich vom Jupiter-Himmelsäquator oder von der Erde aus ist Jupiter so geneigt, dass sich die planetozentrische Breite von -3.2° genau in Jupiters Mitte befindet. Wir blickten also auf Jupiter, der sich um 3.2° geneigt hat und seine südliche Seite der Erde zeigt. Es ist vielleicht etwas umständlich ausgedrückt - aber so besser zu verstehen.
Mit anderen Worten: Am 03.10.2011 hatte die Erde auf Jupiter eine "Deklination" (planetozentrische Breite) von +3.4°, die nördliche Hälfte ist der Erde mehr geneigt.
Bei der Berechnung geht auch die Bahnneigung mit ein, spielt aber hier keine Rolle, weil es nur um den Anblick des Planeten geht, egal, auf welcher elkiptikalen Breite er steht.
Noch ein Hinweis: In meiner Homepage gibt es zwei tiefgründigere Artikel zu diesem Thema: Berechnungen / Koordinatennetze auf Sonne, Mond und Planeten.
Ich finde es schon sehr wichtig, dass alle Planetenbeobachter diese Zusammenhänge kennen.
Ich beantworte gern weitere Fragen, die vielleicht in einer anderen Rubrik dieses Forum besser aufgehoben wären.
 
Hallo Karl-Heinz,

vielen Dank, das hatte ich genau so verstanden, wie Du es hier beschreibst, hatte nur nicht aufgepasst, dass sich die Winkelabweichungen (Deklinationswinkel) selbstverständlich auf die Äquatorebene des Planeten und nicht auf dessen Umlaufebene um die Sonne (Ekliptik) beziehen.

Interessant finde ich auch Deine Koordinatendarstellungen, die will ich mir gerne noch genauer anschauen. Ich halte es ebenfalls für nützlich und reizvoll, wenn man sich diese Zusammenhänge klarzumachen versucht, ist aber durchaus nicht jedermanns Sache.

Dank und Gruß, Jan
 
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