Beugung an Tubusöffnung bei Spiegelteleskopen

Status
Es sind keine weiteren Antworten möglich.

Purzel86

Mitglied
Hallo liebe Community. Zurzeit schaue ich fast täglich(nächtlich) mit meinem 10 zoll Omegon ( Glück gehabt, kaum sichtbare Abbildungsfehler) in den Nachthimmel. Weil ich immer auch wissbegierig bin habe ich mich auch viel mit der Optik und dem Auflösungsvermögen eines Teleskopes beschäftigt. Letztlich entsteht das Bild ja durch interferenz und das Auflösungsvermögen ist abhängig vom Durchmesser der Optik.
Meine Frage:
Die Fangspiegelstreben interferieren ja zusätzlich zur Brechung des Hauptspiegels, aber welche Rolle spielt denn die Tubusöffnung ? Da wird doch auch schon quasi ein scheibchen aus der wellenfront der lichtquelle geschnitten. Müssten hierdurch nicht auch zusätzlich Beugungserscheinungen eine Rolle spielen?
Vielen Dank schon mal an die Spezialisten!
 
Die Fangspiegelstreben interferieren ja zusätzlich zur Brechung des Hauptspiegels, aber welche Rolle spielt denn die Tubusöffnung ? Da wird doch auch schon quasi ein scheibchen aus der wellenfront der lichtquelle geschnitten. Müssten hierdurch nicht auch zusätzlich Beugungserscheinungen eine Rolle spielen?
Im Prinzip ja, in der Praxis sind solche Beugungseffekte außerhalb der Apertur des Objektivs jedoch völlig bedeutungslos. Das kann man sich klarmachen, indem man den wohlbekannten eindimensionalen Fall der Beugung von Licht an einer scharfen Kante betrachtet: Innerhalb der Apertur des Objektivs direkt am Rand oszilliert die Lichtintensität zunächst beträchtlich, mit zunehmendem Abstand von der Kante nach innen hin dann aber immer weniger. Jenseits der Kante im geometrischen Schattenbereich, also dort wo die Tubuswand liegt, ist die Intensität infolge der Lichtbeugung zwar nicht null, sie fällt aber sehr schnell ohne Oszillationen auf null ab.

Die theoretische Behandlung dieses scheinbar simplen Problems ist bereits ziemlich verwickelt. Eine klassische Lösung wurde von Sommerfeld gegeben. Eine sehr hübsche Erklärung dieses Lösungsansatzes findet man hier:

Diffraction at a Straight Edge - A Gem from Sommerfeld’s Work in Classical Physics

Hier sind noch ein paar alternative "Lecture Notes" zum Thema:

Beugung und Interferenz - S. 214/215 Beugung an der Kante

Sommerfeld’s Diffraction Problem - kompliziert

Zum physikalischen Verständnis reicht die Betrachtung der eindimensiomnalen Kante. Für den hier relevanten Fall einer kreisförmigen Aperturblende gibt es ähnliche Lösungen.
 
Hallo,

zum Verständnis: ich kann einen Newton oder auch Refraktor ganz ohne Tubus bauen. Also auch ohne die hier oft zitierte Tubus-Öffnung. Dazu gehe ich zum Beispiel einfach (hihi, einfach... ) in die Schwerelosigkeit und lege mir die Teile dort passend. Das Beugungsscheibchen entsteht dann trotzdem. Es hängt schon an der optisch wirksamen Apertur des Licht sammelnden Elementes und nicht am Loch vorne im Tubus. Das erschwert für mich die Vorstellung der Beugung an einer Kante/Lochblende, muss aber m.E. so sein.

VG Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
Naja, es gibt ja auch ohne Schwerelosigkeit mehrere Baumuster von Spiegelteleskopen ganz ohne Tubus, z.B. das Schüsselteleskop.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo Etzen,

ja ich weiß, ich wollte nur ein mögliches Fallbeispiel konstruieren wo möglichst gar nichts im Strahlengang hängt.

VG
Klaus
 
Moin,

die Kante ergibt sich immer an der Aperturbegrenzung, also ggf. beim Objektiv/Refraktor an der Blende bzw. Tubuskante und an der Spiegelbegrenzung.

Deswegen wird bei der Angabe des Auflösungsvermögens auch auf die wirksame Öffnung verwiesen - was letztlich diese Öffnung begrenzt, das Fehlen von Spiegelmaterial oder ein Tubus bzw. eine Blende, ist letztlich egal.

CS
Jörg
 
Es hängt schon an der optisch wirksamen Apertur des Licht sammelnden Elementes und nicht am Loch vorne im Tubus.

Gute Überlegung. Auch ein Spiegel "stanzt" aus der Wellenfront einen Teil heraus, aber die Beugung an der Spiegelkante beugt doch eigentlich nur Licht, das nachher außen am Spiegel vorbeiläuft. :unsure: Die Literatur geht auch beim FS von einer Beugung aus, da der im Stahlengang sitzt und auch eine Begrenzung hat.

Wie kommt das an der Kante gebeugte Licht aber zurück? Hab ich mir so noch nicht überlegt. Den allgemeinen Lehrsatz von der Aperturblende versteh ich wohl, mit fehlt im Moment aber beim "Weltraum-Teleskop" ohne Tubus das "Bild" der geometrischen (oder Wellen-) Optik dazu. Da müsste man vom Spiegelrand eine gebeugte Wellenfront einzeichnen, die von dort zurückgeworfen wird. Sonst käme das gebeugte Licht ja nicht ins Auge des Betrachters... :rolleyes:

Beim Refraktor ist es logisch, hier würde die Linsenkante die Beugung erzeugen, und das gebeugte Licht läuft weiter zum Auge.

Querbeet Astronomie - Artikel / Fangspiegelbeugung

lg
Niki
 
... dann nehmen wir den Fangspiegel auch noch weg und betrachten das Bild direkt aus dem dafür speziell geschliffenen Hauptspiegel ... Eigentlich ist das was wir unter Beugung verstehen ja nur das Resultat der Wellennatur des Lichts. Da ist es egal ob ich das Licht durch eins kleines Loch führe oder von einem kleinen Spiegel reflektieren lasse: Das Resultat ist die Superposition aller Elementarwellen die man sich von diesem Ursprung (Spiegel oder Blende) aus loslaufend vorstellen kann. So reime ich mir das jetzt zumindest zusammen.
 
Gaaarghh... beim Wort "Superposition" mach ich immer einen Schrödinger-Bauchfleck... :p dort beginne ich, Licht nicht mehr zu verstehen, zumindest nicht mit dem Bauchhirn. Wenn Beugung etwas ist, das stattfindet, wenn ein Lichtstrahl ein Hindernis "passiert", dann biegt er eben am Spiegelrand ab und verschwindet im Universum dahinter.

Die Superposition aller Elementarwellen entzieht sich schon mal einem Bild, das ich gern davon hätte. Mir genügt schon ,wenn ich mir eine Wellenfront vorstelle, die dann auf den Spiegel trifft. Was vorbei geht, geht vorbei, was den Spiegel trifft, wird reflektiert, und in der Brennebene entsteht dann das übliche, fehlerbehaftete Bildchen. (Wie ich meinen Kopf in den Strahlengang bringe, ohne ich abzuschatten, lassen wir mal weg...) :cool:

Hier endet mein Gedankenexperiment, weil ich müsste mit als Nächstes die Oberflächenrauhheit des Spiegels vorstellen, Lamda/Irgendwas und dort finden Streuungen statt, sie ebenfalls je nach Koherenzlänge interferieren mögen und dann wird´s schwierig, das aufzuzeichnen. Ein Prost auf diejenigen, die in einer Formel das sehen, was ich suche: mir ein Bild zu machen, was da passiert. Nur brauchen wir hier mehrere Formeln, und die sind jedenfalls für sich schon mal kompliziert. :unsure:

lg
Niki
 
Ja..Ich hätte nicht Philosophie studieren sollen ?, will den Dingen da auch immer auf den Grund gehen, aber ich lande da auch irgendwann immer bei diversen mathematischen Funktionen wie der Besselfunktion oder Schrödingers Katze. Also im übertragenen Sinn. Übrigens...nicht ganz das Thema aber die passenden Spezialisten versammelt: beim sterntest sieht man defokal und intrafokal ja zb auch die beugung der streben( bei 4 auch 4 streben, da diese ja bei der interferenz ineinander fallen und bei 3 Streben sieht man dann 6) Aber, wird das Beugungsbild im Gesamten auch noch einmal um 180 Grad gedreht? Also beim Übergang vom defokalen zum intrafokalen ? Denn so hab ich mir das immer vorgestellt. Jetzt musste ich sehen das zB beim Astigmatismus das Scheibchen um 90 Grad gekippt wird. Und hab mal wieder den Eindruck hier nix wirklich kapiert zu haben. Sind wir Hier wieder bei hoher Mathematik oder gibt's Anschauliche Erklärungen?
 
Ok lieben Dank.. hab's! Die Literatur hat's gebracht. Aber dass zB die 4 Fangspiegelstreben ineinander fallen und dabei dann heller sind als die 6 spikes bei 3 Fangstreben kann ich geometrisch nicht mehr nachvollziehen
 
beim sterntest sieht man defokal und intrafokal ja zb auch die beugung der streben( bei 4 auch 4 streben, da diese ja bei der interferenz ineinander fallen und bei 3 Streben sieht man dann 6) Aber, wird das Beugungsbild im Gesamten auch noch einmal um 180 Grad gedreht? Also beim Übergang vom defokalen zum intrafokalen ?
Nein, die Orientierung des Beugungsmusters ist von der Orientierung der Fangspiegelspinne fixiert und da dreht sich nichts zwischen intra- und extrafokal wie bei Astigmatismus. Die Orientierung der Spikes ist immer orthogonal zur Richtung der Streben. Wenn Du bei einem Refraktor eine Strebe horizontal vor das Objektiv hälst, dann hat der davon erzeugte Spike eine vertikale Richtung. Bei einer Dreifachspinne ergibt das sechs Spikes, bei einer Vierfachspinne aber nur Vier!
 
Lass Dir noch ein kleines Geheimnis für morgen... ;):coffee:

Das alles ist immer recht unlogisch auf den ersten Blick. Ich muss mir das auch immer dreimal vorstellen und zweimal aufzeichnen. Und ich verstehe leider immer noch nicht alles. Wenn Du wo eine gute Abbildung zu der Strebenfrage siehst, sags mir, ich hatte leider keine gefunden.

Was ich gut verstehe: Dein Anliegen, alles verstehen zu wollen. :cool:
Viele nehmen Vieles zur kenntnis, das heißt aber leider nicht, dass es alle auch verstanden haben.
Und deshalb finde auch ich schwer gute und einfache Erklärungen...

lg
Niki
 
Ist doch alles ganz einfach: Diffraction Spike

diffraction_spikes.jpg
 
sieht man sich nun aber artefakte am Rand des scheibchens an, werden diese häufig um 180 Grad gespiegelt..zb eine scheinbare Kerbe im Rand:) ...ganz einfach wenn man Doppelspaltversuche in 3d im Hinterkopf hat
 
Mh, das die Streben im Beugungsscheibchen jetzt bei horizontalen Streben vertikal dargestellt werden hab ich verstanden. Andere Artefakte scheinen aber die Orientierung intrafokal und defokal um 180 Grad zu ändern( wie eine Abschattung beim Faucault-Test ) wie passt das jetzt eigentlich zusammen. Die Streben behalten die Orientierung und andere Unregelmäßigkeiten nicht. Ich hänge mal ein Beispiel an um zu verdeutlichen was ich meine:
Simulation02.jpg
 
Wenn ein Lichtstrahl vor dem Brennpunkt zB oberhalb der optischen Achse liegt ("links oben"), geht er nachher durch den Brennpunkt und liegt hinterher unterhalb ("rechts unten"). Gleiches gilt für einen Strahl, der links der Achse einfällt und nach dem Brennpunt diesen rechts der Achse verlässt... deshalb die 180 Grad...

Deshalb kann man so den Fokus finden! Mit der Messerschneide entlang der optischen Achse so lange vor und zurück fahren, bis man diesen "Umschlagpunkt" findet. Genau dort ist der Brennpunkt. :)

Ein 4-fach Achsenkreuz samt dem zugehörigen - um 90 ° versetzen" Beugungsbild schlägt sozusagen auch 180° um, nur sieht es nacher natürlich gleich aus...

lg
Niki
 
Hallo Purzel,

Es handelt sich nicht um eine 180º-Spiegelsymmetrie, von der Du anscheinend ausgehst, sondern um eine Punktsymmetrie mit der Bildmitte als Symmetriepunkt. Beim Durchgang durch den Fokus fällt das Bild in einem Punkt zusammen (Beugungserscheinungen jetzt mal außen vor gelassen) und entfaltet sich danach punktsymmetrisch gespiegelt neu.
Denn was Du da intra- und extrafokal siehst, sind keine Beugungsfiguren, sondern nur unscharfe Abbildungen der Eintrittspupille des Teleskops. Das hat erst mal nichts mit Beugung zu tun.

Bis dann:
Marcus
 
OK, da hatte ich mich falsch ausgedrückt, ich gehe von Pinktsymmetrie aus. Ja mich wundert nur das man ja zt Beugungserscheinungen und diese punktgedspiegelten Bereiche zusammen sieht. Aber ihr habt mir gut geholfen und ich hab hier auf jeden Fall ein tieferes Verständnis der Materie erhalten.
 
Ich habe noch etwas anschauliches gefunden, was das Auflösungsverhalten in Kombination mit dem Durchmesser der Apertur verdeutlicht.
animacijasagn.gif
 
Status
Es sind keine weiteren Antworten möglich.
Oben