Erfindung vom Kameraverschluss

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P_E_T_E_R

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Heutzutage hat praktisch jedes Kameraobjektiv neben einer variablen Blende auch einen variablen Verschluss, welcher von B (Bulb) bis zu tausendstel Sekunden einstellbar ist. Das war zu Beginn der Photographie im 19. Jahrhundert, als man die Belichtungszeit einfach durch Abnahme vom Objektivdeckel einstellte, noch keine Selbstverständlichkeit.

Die Erfindung eines für Kurzzeitbelichtung geeigneten Kameraverschlusses geht auf einen gewissen Henry Hamilton Bennett aus Wisconsin zurück. Mittlerweile ist der Mann in Vergessenheit geraten, aber zu seiner Zeit war er populär für ein von ihm 1886 aufgenommenes Photo, welches seinen Sohn bei einem waghalsig erscheinenden Sprung auf einen prominenten Felsen am Wisconsin River zeigte.

So eine Aufnahme wäre mit der konventionellen Technik, bei der man den Objektivdeckel für die Dauer der Belichtung vom Kameraobjektiv abnimmt, nicht möglich gewesen und so wurde die Echtheit des Photos von seinen Zeitgenossen zunächst angezweifelt. Aber dann wollten natürlich alle solch einen Kameraverschluss haben ...

Der große Sprung - echt oder Fälschung?

WHS_Image_ID_8119.jpg


Standrock2.jpg

Credit: Wikipedia / public domain
 
Hallo!

So eine Aufnahme wäre mit der konventionellen Technik, bei der man den Objektivdeckel für die Dauer der Belichtung vom Kameraobjektiv abnimmt, nicht möglich gewesen ...

So ganz stimmt das nicht, denn man hat zu dieser Zeit ja schon viel mit Blitzlicht (Magnesiumpulver) fotografiert. Damit kann man sehr kurze Momente auch bei offenem Kameraobjektiv festhalten.

Auch hat z.B. Muybridge (Eadweard Muybridge – Wikipedia) schon mindestens fünf Jahre zuvor mit einer komplizierten Anordnung von mehreren Kameras die erste Bewgungsstudie (heute würden wir sagen; „den ersten Film“) eines bewegten Pferdes angfertigt, der letztendlich die alte Frage beantworten konnte, mit wievielen Hufen ein Pferd im Galopp wann genau den Boden berührt (mein Haupthobby sind die Pferde, nicht die Sterne). Es braucht also nicht zwingend einen Bennettschen Kameraverschluß, um Menschen und andere Säugetiere mitten im Sprung zu fotografieren.

Viele Grüße
Maximilian
 
So ganz stimmt das nicht ... auch hat z.B. Eadweard Muybridge schon mindestens fünf Jahre zuvor mit einer komplizierten Anordnung von mehreren Kameras die erste Bewgungsstudie (heute würden wir sagen; „den ersten Film“) eines bewegten Pferdes angefertigt, der letztendlich die alte Frage beantworten konnte, mit wievielen Hufen ein Pferd im Galopp wann genau den Boden berührt. Es braucht also nicht zwingend einen Bennettschen Kameraverschluß, um Menschen und andere Säugetiere mitten im Sprung zu fotografieren.
Von Muybridge kannte ich bislang nur verschiedene historische Photoansichten von San Francisco und Yosemite. Von seinen bewegungskinetischen Untersuchungen mit Pferden und anderen Tieren höre ich jetzt zum ersten mal, obwohl ich über zehn Jahre eben dort, wo er seine Aufnahmen gemacht haben soll, also bei Stanford und Palo Alto, gearbeitet und gelebt habe.

Mit den Pionieren der Photographie verhält es sich wohl ähnlich wie mit den Pionieren der Luftfahrt. Die Zeit war plötzlich reif für so etwas, und da werkelten dann gleichzeitig und auch unabhängig von einander so viele Leute daran, dass es schwierig wird, das alles einzuordnen.

Die Frage, ob ein Pferd im Galopp zeitweilig mit allen vier Hufen gleichzeitig den Boden verlassen kann, mag uns heutzutage komisch vorkommen, angesichts der offensichtlichen Evidenz nach dem Konsum von tausenden von Wild West Filmen. Aber genau diese Erfahrung fehlte den Leuten damals eben.

Muybridge_race_horse_animated.gif

Credit: Wikipedia / E. Muybridge
 
Zuletzt bearbeitet:
..... da muss aber auch Ottomar Anschütz erwähnt werden - von ihm stammt die Grundidee des Schlitzverschlusses, welcher in (fast) jeder SLR und jeder DSLR werkelt. Dadurch wurde es letztendlich erst möglich, kompakte und dennoch hochgeöffnete Wechsel-Objektive zu konstruieren und bauen, da der Verschluss direkt vor dem Film ablaufen kann. Weiters ist Heinrich Ernemann zu verdanken, dass per zweitem unabhängigem (Hilfs)Rollo eine variable Schlitzbreite komfortabel IN der Kamera erzeugt werden konnte und somit einen großen Belichtungszeitenrahmen bot. Dieses Prinzip findet heute noch in den verbreiteten Metallamellenverschlüssen seinen Einsatz.
Beide sind, wie auch H.H. Bennett leider kaum noch namentlich bekannt und erwähnt :(

fotografische Grüße - Ronald
 
Hallo Ronald,

schön dass Du die beiden in Erinnerung rufst. Vieles was in der deutschen Fotoindustrie entwickelt wurde, geriet in Vergessenheit. Das erste Pentaprisma einer SLR, die erste elektronische Signalübertragung, man könnte die Liste stark verlängern.

CS
Jörg
 
Hallo Peter,

das ist das Wesen das in diesem Forum lebt... Aber es ist auch spannend, denn was wir heute so mir nichts dir nichts nutzen stammt größtenteils aus Zeiten, als an Digitaltechnik nicht im Ansatz zu denken war. Die Namen von damals kennt heute fast niemand mehr, insofern ist ja auch kein Schaden daran, dies nochmals zu thematisieren.

CS
Jörg
 


Interessanter Artikel, aber es fehlt zur Beurteilung von "echt" oder "unecht" auch die Aufnahmetechnik.

Wie der Verschluss funktioniert, also ob "Hutmethode" oder interner Kameraverschluss, ist nur die Hälfte dessen, was man wissen muss.

Seit Jahren beschäftigen wir uns im Studio mit der Kollodiumnassplattentechnik, haben auch für die Folkwang-Universität Essen Lehrveranstaltungen in diesem Bereich in den Masterstudiengängen gegeben.

Nasslatten von 100x70cm beherrschen wir gut, die nächsten Platten sollen deutlich größer werden.
Ja, ich weiß, das ist bekloppt. ;):ROFLMAO:

Frisch angesetztes Kollodium erzeugt Empfindlichkeiten von etwa ISO 0,25, je nach Rezeptur.
Danach sinkt die Empfindlichkeit weiter ab.
Diese Technik wurde von 1851 bis etwa 1890 benutzt und dann durch Trockenplatten ersetzt, deren Empfindlichkeit zwischen 5 und 10mal größer war als die der Nassplatten.
Man spricht also von ISO 1,25 bis ISO 2,5.
Es gab damals schon Objektive mit Blenden von etwa f3,5 bis 4.

Selbst dann kann ich mir nicht vorstellen, dass ein solches Foto damals möglich war, weil es in erster Linie nicht vom Verschluss, sondern vom Aufnahmeverfahren abhängt. Das wäre der Flaschenhals.

Aber ich kann mich auch einfach irren. :)

Viele Grüße
Thomas
 
Wenn man schon über Filmplatten redet, dann sollte man (mit erstaunen) auch anerkennen, dass es bereits im Jahre 1903 Farbfotografie gab! Als Basis dienten neben dem, damals bereits gebräuchlichen Silberbromid als lichtempfindliche Schicht, gefärbte (grün, orange und violett) Kartoffelstärkekörnchen als Farbmaske (also DER Vorgänger der heutigen Bayermaske) - Stichwort: Autochromfotografie. Und Morié-Effekte kannte diese Art der Filmplatte nicht, da die Stärkekörnchen in Sacgen Farbe und Position zufallsverteilt waren.

viele Grüße - Ronald
 
Hallo!

Wenn man schon über Filmplatten redet, dann sollte man (mit erstaunen) auch anerkennen, dass es bereits im Jahre 1903 Farbfotografie gab!

Damit die Ehre auch derjenige bekommt, dem sie gebührt, sei hier noch angemerkt, dass das erste Farbfoto der Geschichte bereits 42 Jahre vor diesem Datum von James Clerk Maxwell („Maxwellsche Gleichungen“) angefertigt wurde. Und zwar durch Farbfilter hintereinander auf schwarzweiss Diapositive, so, es auch heute noch viele mit dem Fernrohr machen.

Grüße
Maximilian
 
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