15. Woche - Barnard´s Loop und Orions Zentrum

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Das Sternbild Orion ist immer wieder ein „Hingucker“ und deshalb auch für Astrofotografen ein regelrechter Magnet. Heute zeigt uns Rafael Schmall sein Ergebnis. Er ist neu im Kreis der AdW-Astrofotografen, daher ein herzliches Willkommen! Die Aufnahme entstand am 21.02.2020 im ungarischen Zselici Star Park, das ist der erste von drei solchen Star Parks. Der Bildautor schreibt dazu: „Der Himmel ist gut, aber in großen Höhen etwas feucht. Die Lichtverschmutzung ist gering und nur am Horizont wahrnehmbar. Die hier aufgenommenen Astrofotos sind aufgrund des dunklen Himmels von hoher Qualität.“ Die Aufnahme wurde mit einer Canon EOS6D gemacht, Optik war ein Samyang 1:2/135 mm. Belichtet wurde 90 x 90 s RGB bei ISO 800, dazu dann 140 x 75 s Hα bei ISO 3200 und Abblendung auf f/4. Das Bildfeld umfasst einen Winkel von 14° 22' x 9° 50' und hat Norden links, Osten unten. Zur verwendeten Montierung liegt leider keine Aussage vor.

Jetzt zu einer großen Fülle interessanter Details im Orion-Komplex. Dazu ein Ratschlag: Laden Sie am besten das Originalbild herunter, um die Feinheiten und die genannten Pixelkoordinaten auch nachvollziehen zu können. Der hellste, auffälligste Bildbereich ist das Gebiet zwischen den drei Gürtelsternen und dem M42-Komplex. Die Gürtelsterne (von oben) sind: der westliche Mintaka = δ Ori (Delta Orionis) bei (1483/517), ein Bedeckungsveränderlicher des Spektraltyps B0III+O9V mit 2,4 mag und mit einem Farbindex B-V = -0,39 mag (sehr blau). Es folgt der mittlere Gürtelstern Alnilam = ε Ori (Epsilon Orionis) bei (1805/877), ein blauer Überriese des Spektraltyps B0Ia mit 1,7 mag und B-V = -0,18 mag. Zwischen δ Ori und ε Ori liegen zahlreiche kleine blaue Reflexionsnebel verstreut. Der östliche Gürtelstern ist Alnitak = ζ Ori (Zeta Orionis) bei (2068/1265). Auch er ist ein blauer Überriese, ein Doppelstern des Spektraltyps O9.7Ib+B0III mit 1,77 mag und B-V = -0,21 mag. Direkt nach Osten (unten) anschließend am östlichen Gürtelstern befindet sich die HII-Region NGC 2024. Darin steckt nicht nur der offene Sternhaufen gleichen Namens, sondern auch der Dunkelnebel Dobashi 4830, der NGC 2024 durchzieht und sozusagen in zwei Teilnebel gliedert. Ein heller, blauer Überriese soll noch genannt werden: κ Ori (Kappa Orionis) ganz rechts am südlichen Bildrand bei (4774/1812) mit 2,1 mag und dem Spektraltyp B0.5Ia, B-V = -0,18 mag.

Sehr bekannt und oft fotografiert ist auch IC 434, der helle HII-Bereich südlich (hier direkt rechts) des linken Gürtelsterns mit dem enthaltenen Pferdekopfnebel. IC 434 ist der leuchtende, ionisierte Rand der großen Molekülwolke Orion B, die sich östlich und nordöstlich vom Pferdekopfnebel und von NGC 2024 weg nach unten ins Bild erstreckt. Ionisierender Stern von IC 434 ist σ Ori (Sigma Orionis), ein blauer 3,89 mag heller Überriese bei (2294/1087) mit dem Spektraltyp O9.5V und B-V = -0,21 mag. Alle bisher genannten Orion-Sterne sind aufgrund ihrer frühen Spektraltypen sehr leuchtkräftig, jung und massereich. Der durchweg negative Farbindex besagt, dass sie sehr blau sind, dass demnach ihre Temperatur sehr hoch ist und sie eine enorme UV-Energie ausstoßen, was sich auf die Ionisierung ihrer gasförmigen Umgebung auswirkt. Ihre Entfernung beträgt ca. 1500 Lichtjahre.

Schwenken wir zum bekannten Großen Orion-Nebel M 42/43 und dem nördlich anschließenden NGC 1977. Das gesamte Gebiet ist von bläulichem Licht überlagert. Die Ursache dafür ist der interstellare Staub, der das Sternenlicht streut. Es fällt auf, dass schwache Ausläufer dieser blauen Reflexionsanteile bis weit weg vom Orionnebel reichen. Östlich von M 42/NGC 1977 (hier im Bild also unterhalb) erstreckt sich ein 3,4° x 2° großes Feld mit girlandenförmigen Nebeln. Sie sind von streifigen Dunkelwolken durchzogen.

Nun ist noch Barnard´s Loop (Sh2-276) zu nennen. Er umgibt den zentralen Orion-Komplex als sichtbarer Rand einer riesigen, rot leuchtenden Wasserstoffblase. Das allein zeigt wieder einmal, dass junge, heiße Sterne mit ihrem Sternenwind in der Lage sind, derartige Gasblasen zu erzeugen. Und Barnard´s Loop dehnt sich auch weiterhin aus. Bei (785/2492) sitzt in einem nach Norden (links) reichenden Abzweig von Barnard´s Loop die markante Dunkelwolke LDN 1622 = Dobashi 4781 im Inneren der Molekülwolke M3T 38 (der Name stammt von den Astronomen Maddalena, Morris, Moscowitz und Thaddeus, 1986). An ihrer Barnard´s Loop zugewandten Spitze hat sich bei (838/2445) der 4' große Reflexionsnebel Parsamian 3 (= vdB 62) gebildet, offensichtlich als Teil des hellen Randes der Dunkelwolke. Dieser helle Rand ist ein Beleg dafür, wie weit der Sternenwind und die UV-Strahlung der hellen zentralen Orion-Sterne reichen. In Parsamian 3 steckt der sehr junge, gelbe Veränderliche V1793 Ori = HD 288313 vom Typ FU Orionis mit 10 mag. Er sorgt für die Erleuchtung des Nebels.

Jetzt noch ein paar Objekte im Feld, die sich für längere Brennweiten anbieten: Bei (1350/1800) befindet sich das Reflexionsnebelpaar M 78 mit NGC 2071. Auf der Verbindungslinie zwischen M 42 und κ Ori sieht man in Barnard´s Loop bei (4222/1370) den bläulichen Reflexionsnebel DG 76 (Dorschner + Gürtler, 1963), begleitet von parallelen, streifigen Dunkelwolken. Was man nicht sehen kann: im Nebel verborgen ist ein reicher IR-Sternhaufen. Ganz in der Nähe bei (4656/1231) befindet sich ein bläulicher, namenloser Reflexionsnebel von 17' Ausdehnung. Und bei (4835/3172) entdeckt man einen weiteren bläulichen Reflexionsnebel: NGC 2149 mit 7' Ausdehnung. Schaut man in die linke untere Bildecke, so entdeckt man dort bei (57/3404) einen kleinen, runden roten Nebel von 3' Durchmesser: das ist der PN G204.0-08.5 = Abell 13.

Anmerkungen: Noch im AdW 50/2018 schrieb Frank Sackenheim: „Die Astrofotografie mit herkömmlichen Objektiven anstatt mit Teleskopen ist heute nicht mehr so beliebt wie zu Zeiten der Astrofotografie auf Film. Man kann nur spekulieren warum das so ist.“ Nach meinen Eindrücken der letzten Zeit sieht es so aus, als habe sich dies geändert. In diesem Jahr sind bereits einige schöne weitwinkelige AdWs eingereicht und vorgestellt worden. Und je mehr davon gezeigt werden, desto größer wird der Anreiz solche Motive nachzumachen. Großflächige Astro-Szenerien haben nun mal ihre besondere Wirkung. Allerdings ist dabei unbedingt darauf zu achten, dass die verwendet Optik eine möglichst gute Eckenzeichnung bringt, so dass auch dort die Sternabbildungen weitgehend punktförmig ausfallen. Das muss durch Tests ermittelt werden, nicht unbedingt durch langbelichtete Astroaufnahmen, es geht auch (so wie früher) in Form von nächtlichen Stadtszenerien mit vielen punktförmigen Lichtquellen, die man aus der Ferne fotografiert bei systematisch veränderter Blende.

Das von Rafael Schmall eingereichte AdW besticht durch die enorme Fülle von Nebeln, dazu auch differenzierte Farben. Dies ist bei Kombination von RGB-Aufnahmen mit Schmalbandaufnahmen schon ein Stück Arbeit! Dafür einen herzlichen Dank. Und natürlich die Gratulation des gesamten AdW-Teams zum Astrofoto der Woche!



Peter Riepe
Bildautor: Rafael Schmall



Koordinaten (J2000.0) der Bildmitte:
RA = 05 h 46 min 00.9 s, Dec = -03° 09' 22''


Vollbild unter: https://www.astronomie.de/neuigkeiten/15-woche-barnards-loop-und-orions-zentrum/


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