24. Woche - Ein Nebelfeld im Grenzbereich Perseus-Aries

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Heute geht es in eine Region, die ca. 1,5°-2° südwestlich des bekannten Nebels NGC 1333 liegt. Sie befindet sich auf der Grenze zwischen Perseus und Aries. Knapp links außerhalb des Bildes beginnt auch schon der Taurus. Die Bildautoren, Markus Blauensteiner und Oliver Schneider, sind Mitglieder der VdS-Fachgruppe Astrofotografie. Ihre Bildserie entstand remote am 08.11.2021 in Verclause (Südfrankreich). Teleskop war ein Takahashi Epsilon 130ED, 130 mm Öffnung und 430 mm Brennweite. Als Kamera kam eine CMOS-Kamera QHY 268m zum Einsatz. Belichtet wurde in Luminanz 75 x 5 min, in RGB je 29 x 5 min, das sind insgesamt 13,5 h. Markus schreibt: „So haben Oliver Schneider und ich uns im Winter diese Region direkt südwestlich des eher bekannten Objektes NGC 1333 ausgesucht und relativ tief belichtet. Neben den beiden Reflexionsnebeln vdB 13 und vdB 16 finden sich natürlich jede Menge Dunkelnebel und auch einige Herbig-Haro-Objekte. Die Bildbearbeitung hat dann jeder für sich übernommen und eine eigene Version erstellt.“ Die Größe des Bildfeldes beträgt 2° 20' x 1° 36', Norden liegt oben, Osten links.

In diesem Feld wimmelt es von Strukturen. Bereits der bekannte Astronom E.E. Barnard hatte 1915 in seiner Arbeit „A great nebulous region near omicron Persei“, Astrophys. J. 41, 253-258 die Vielfalt diffuser Nebel und Dunkelwolken benannt. Er schreibt: „All this region near the stars B.D.+29°565, +30°540 and N.G.C. 1333 is full of feeble nebulosity in which are many dark structures.“ Von daher ist es höchst interessant, dass zwei der Nebel in diesem AdW, nämlich vdB 13 und vdB 16, gar nicht von Sidney van den Bergh entdeckt wurden. Barnard hatte sie bereits konkret als Nebel erkannt: „The following three nebulous stars are not in any of Dreyer’s lists of nebulae:

- B.D.+30°540 (8,8 mag) is in a faint and close nebulous atmosphere (meine Anmerkung: vdB 13).

- B.D.+29°565 (9,1 mag) is partly surrounded by an irregular, more or less curved nebulous mass (meine Anmerkung: vdB 16).

- B.D.+31°597 (7,0 mag) is very closely nebulous (meine Anmerkung: nicht im AdW-Bildfeld).

Dabei bezeichnete Barnard den heute BD+30°565 genannten Stern als BD+29°565.

Bei den folgenden Objekten werden zur genauen Lokalisierung im Bild stets die Pixelkoordinaten angegeben. Dazu bitte die Originaldatei herunterladen (unten!), denn in dem normalen gezeigten Bild sind keine Pixelkoordinaten erkennbar. Zunächst zu vdB 13. Der blaue Reflexionsnebel ist in der Bildmitte oben bei den Pixelkoordinaten (2097/437) gelegen. Er ist nicht rund, sondern passt sich in der Form einer nach Norden gerichteten nebeligen Abzweigung an. Zentrum ist der Stern BD+30°540. Dieser hat den Spektraltyp ist B8V (sprich: B acht fünf), ein blauer Hauptreihenstern von ~9,2 mag. Ihm fehlt es an UV-Energie, sonst wäre an der Stelle von vdB 13 eine rot leuchtende HII-Region sichtbar. Die Entfernung kann über die in der Datenbank Simbad verfügbare Gaia-Parallaxe zu 960 Lichtjahren berechnet werden. Dabei muss aber vorausgesetzt werden, dass der Stern auch im Nebel steckt und nicht weit dahinter!

Sehr ähnlich ist es mit vdB 16, der auch bläulich leuchtet, jedoch eine etwas komplexere Form als vdB 13 besitzt. Wir finden vdB 16 um den zentralen Stern BD+29°565 bei (1313/2013), der aber nicht mittig im Nebel sitzt. Der 9,13 mag helle Stern ist vom Spektraltyp F0V, also ein noch kühlerer Stern als in vdB 13. Die Gestalt und Dynamik der zugrunde liegenden Nebelschicht hat auch einen Bogen entstehen lassen, der sich bis zu 5,5' nach oben ausgedehnt hat. Womöglich spielte hierbei der 200'' nördlich im Bogen steckende Stern eine mitbestimmende Rolle. Für BD+29°565 und damit für vdB 16 ergibt sich eine Entfernung von 947 Lichtjahren, also sehr ähnlich der Entfernung von vdB 13.

Reflexionsnebel sind nicht generell blau bis weißlichblau. Bei (2109/703) knapp 9,5' südlich von vdB 13 sitzt der 9,6 mag helle Stern BD+30°539. Von dort aus 3,1' nach Westen erkennt man bei (2294/663) einen kleinen, sichelförmigen Nebel, den orangegelben Reflexionsnebel GN 03.22.1 = RNO 14 = [NS84] 4. Selbst wenn dieses Objekt sehr klein ist: Es war lange Zeit Gegenstand der Forschung. RNO bedeutet Red Nebulous Object, hier also der Nebel Nr. 14 aus dem Katalog von M. Cohen, 1980. [NS84] bezieht sich auf Neckel&Staude (1984), die 20 rote bipolare Nebel untersucht haben. Während sie eine Entfernung von 2280 Lichtjahre angeben, nennen Hilton & Lahulla (1995) 946 Lichtjahre, was gut zu den Gaia-Entfernungen der o.g. vermessenen Sterne passt. GN 03.22.1 stellt den schmalen Rand einer Staubwolke dar, die von einem kleinen, sehr lichtschwachen Stern direkt am rechten Nebelrand erleuchtet wird. An dieser Stelle herrscht eine visuelle Absorption von 6,75 mag, das entspricht einer 500-fachen Lichtschwächung.

Jetzt etwas zu den Dunkelwolken. Eine sehr dichte, ausgedehnte befindet sich bei (1413/1595). Sie trägt die Bezeichnung LDN 1455 = Barnard 204. Über Winkelgrößen solcher Wolken zu reden, ist meiner Ansicht nach müßig, weil der Dichtegrad und die Form doch sehr unterschiedlich im Bild erscheinen können – je nach Optik und Kameradetektor. Was wichtig ist: In den Zentren der dichten Dunkelwolken ballt sich der Staub, so dass hier Sternentstehung stattfinden kann. Markant ist auch die ausgedehnte Dunkelwolke bei (2200/712) zwischen dem oben bereits genannten Stern BD+30°539 und dem Nebelchen GN 03.22.1. Hier haben sich die Japaner verdient gemacht, daher die Bezeichnung TGU H1085 P15 (Tokyo Gakugei University). Und kein Wunder: hier arbeiten die Astronomen um K. Dobashi, der ja schon viel nichtleuchtende Materie erforscht hat. So auch hier: Dobashi K. Et al.: „Atlas and catalog of dark clouds based on Digitized Sky Survey I“; Publ. Astron. Soc. Jap. 57, 1-368 (2005).

Sternentstehung findet nicht nur dort statt, wo rote HII-Regionen leuchten. Klar, rote HII-Regionen werden durch massereiche O-Sterne erzeugt. Aber auch in Regionen wie dieser werden neue Sterne geboren – die sind dann halt masseärmer und erzeugen nur Reflexionsnebel. Dies wird z.B. direkt bei (1179/675) deutlich. Dort befindet sich der Emissionslinienstern LkHα 325, ein 13,4 mag heller junger T-Tauri-Stern vom Spektraltyp K5. Seine Gaia-Distanz von 1185 Lichtjahren beweist, dass das Nebelfeld also auch in die Tiefe reicht. Der junge Veränderliche ist in den Reflexionsnebel GN 03.25.8.02 eingebettet. 11,7' südlich davon ist bei (1177/1004) ein weiterer Emissionslinienstern zu sehen: HBC 343 mit 11,8 mag. Auch er wird von einem Reflexionsnebel (namenlos) umgeben. Bei (612/951) ist mit LkHα 326 noch ein Emissionslinienstern sichtbar, der vom Reflexionsnebel Bernes 63 eingehüllt wird. Davon 2,4' südwestlich ebenfalls ein 13-mag-Stern mit umgebendem Nebel. Nach Westen bei (2641/1353) ein letzter Reflexionsnebel: GN 03.20.8 mit einer gegabelten Form (hineinzoomen!).

Zahlreiche Sterne im Bildfeld – egal ob blau oder gelblich-orange – haben nebelige Halos um sich herum. Hier werden höchstwahrscheinlich noch etliche weitere lichtschwache Reflexionsnebel vorliegen. Was aber abschließend noch kurz erwähnt werden muss, sind die Herbig-Haro-Objekte (HH), die Markus schon oben angesprochen hat. Das sind kleine inhomogene Nebel, die in Verbindung mit IR-Sternen als variable Nebel auftreten, oft in Form von Knoten. Ein Musterbeispiel soll reichen: Bei (1200/302) gibt es eine Anhäufung mehrerer HH-Knoten, von HH14A bis HH14F. Deutlich zeigt sich eine rote Emission. Hier leuchtet nicht nur Hα, sondern auch [SII].

Anmerkungen: Das vorliegende AdW ist eine Glanzleistung. Die schwachen Nebel werden nahezu „greifbar“ in ihren vielfältigen Erscheinungsformen. Erst über die Langzeitbelichtung ist eine solche Tiefe möglich – und das bei einem Öffnungsverhältnis 1:3,3. Wir haben uns ja bereits bei verschiedenen AdWs über die Leistungsfähigkeit des Takahashi Epsilon 130ED überzeugen können – hier wieder einmal. Auch muss erwähnt werden, dass die CMOS-Kameras inzwischen eine Wiedergabequalität erreicht haben, die den CCD-Kameras in nichts nachsteht. Dazu kommt hier eine saubere Bildbearbeitung – in dieser Bildvariante durch Markus Blauensteiner.

Keine langen Umschweife: Ein ganz dickes Dankeschön für das eingereichte AdW an die beiden Bildautoren, dazu natürlich die Gratulation des AdW-Teams zum Astrofoto der Woche.



Peter Riepe
Bildautoren: Markus Blauensteiner und Oliver Schneider



Koordinaten von vdB 16 (J2000):
RA = 03 h 28 min 20.9 s, DE = +29° 47' 57"


Vollbild unter: https://www.astronomie.de/neuigkeiten/24-woche-ein-nebelfeld-im-grenzbereich-perseus-aries/


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