30. Woche - Das System NGC 5194/95 (= M 51)

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Die Spiralgalaxie NGC 5194 und ihr Begleiter NGC 5195 sind als wechselwirkendes Paar Messier 51 bekannt. M 51 findet innerhalb der Astronomen nach wie vor ein großes Interesse: Sicherlich wegen der großartigen Spiralstruktur, aber auch, weil hier offensichtlich eine weitere Galaxie die Umgebung beider heftig stört. Von 133 Galaxien der Milchstraßenumgebung hat NGC 5194 die markanteste Spiralstruktur (R.B. Tully, 1974: The Kinematics and Dynamics of M51. III. The Spiral Structure; Astrophys. J. Suppl. Ser. 27, 449-471). Zwar entdeckte Charles Messier bereits im Oktober 1773 das Galaxienpaar NGC 5194/95, es mussten aber erst 77 weitere Jahre vergehen, ehe Lord Rosse 1845 mit Hilfe des 72-zölligen Reflektors „Leviathan“ in Birr Castle/Irland an der „Whirlpool“-Galaxie NGC 5194 erstmals die Struktur von Spiralgalaxien erkannte und dokumentierte. Zu der Zeit besaß noch niemand eine Vorstellung von Galaxien – weder von ihrem strukturellen Aufbau noch von ihrer Entfernung.

Unser heutiges AdW zeigt Messier 51 in einer sehr tiefen Darstellung (Norden rechts, Osten oben, Bildfeld 77' x 58'. Bildautor ist Christoph Kaltseis, Mitglied der TBG-Gruppe (tief belichtete Galaxien) in der VdS-Fachgruppe Astrofotografie. Er verwendete einen RASA 36, ein Spiegelsystem von 360 mm Öffnung mit einem Öffnungsverhältnis von 1:2,2 und 795 mm Brennweite – also enorm lichtstark! Kamera war eine ATIK Horizon CMOS Color, belichtet wurde 35 x 3 min aus dem Garten heraus. Alles befindet sich auf einer Montierung des Typs 10Micron GM 2000 HPS II. Aufnahmeort war Sarleinsbach in Oberösterreich.

Jetzt etwas zum Objekt selbst. Schon die frühen fotografischen Ergebnisse zeigten eine klar definierte Spiralstruktur durchweg aus Sternen der Population I. NGC 5194 wurde als Sc-Spirale klassifiziert. Die Entfernung wurde anhand einer Untersuchung Planetarischer Nebel im M 51-System zu 8,4 Mpc (27,4 Mio. Lj) bestimmt. Der scheinbare Durchmesser von 11' x 7,8' ergibt damit für NGC 5194 einen wahren Durchmesser von 88.000 Lj. Insbesondere durch tiefe Hα-Aufnahmen ließ sich zeigen, dass diese Galaxie viele H II-Regionen besitzt, die sich entlang der blauen Spiralarme anordnen. Mit Hilfe des Hubble Space Telescope wurde kürzlich eine Fotometrie der Sternhaufen des M 51-Systems vorgenommen [7]. Dabei entstand ein Katalog von mehr als 2200 Sternhaufen, die zum Großteil entlang der Spiralarme von NGC 5194 angeordnet sind und tatsächlich mehrheitlich einen Farbindex B – V < 0,5 mag aufweisen, d.h. bläulich leuchten.

1969 erschien ein Katalog von H II-Regionen mit Fotografien mit dem 1,93-m-Teleskop in der Haute Provence [Carranza G., Crillon R., Monnet G.: Étude cinématique de l´hydrogène ionisé dans M 51, A&A 1, 479-491 (1969)]. Bei einem Öffnungsverhältnis von 1:1 und unter Verwendung eines H-Filters (HWB 0,8 nm) betrugen die Belichtungszeiten bis zu 7,5 h – damals noch auf spektroskopischen Platten mit ziemlich grobem Korn. Vor wenigen Jahren konnten viele dieser H II-Regionen mit CCD-Kameras am 90-cm-Spiegel des Kitt Peak Observatory im H-Licht neu untersucht und erheblich detailreicher dargestellt werden.

NGC 5195 steht offensichtlich hinter NGC 5194. Der östliche Spiralarm von NGC 5194 läuft von uns aus gesehen über NGC 5195 hinweg und ist in seiner Spitze blau. Die blaue Farbe deutet auf eine junge Sternpopulation hin. Dieser Spiralarm verhält sich ungewöhnlich, da er sich in seinem Verlauf östlich des Galaxienkerns dem nächst inneren Spiralarm wieder nähert. Nach Norden verläuft er danach nahezu geradlinig weiter und verdeckt schließlich NGC 5195. Dort wird er auf seiner Westseite von ausgedehntem, dichtem Staub flankiert. Schließlich geht er in den mittleren von drei diffusen Gezeitenschweifen über, die sich direkt nördlich von NGC 5195 empor wölben. NGC 5195 weist keine H II-Regionen auf. Es gibt in der Begleitgalaxie also keine sehr jungen, massereichen O-Sterne, die den enthaltenen Wasserstoff ionisieren könnten.

Lange Zeit waren sich die Astronomen uneins über die physikalischen Bedingungen, mit denen die Beobachtungsbefunde des Galaxienpaars NGC 5194/95 erklärt werden können. Heute wissen wir, dass NGC 5195 vor einigen Hundert Millionen Jahren einen nahen Vorübergang an NGC 5194 vollführt hat, vermutlich war es noch nicht einmal die erste Passage. Dabei erzeugte die Gravitation starke Wechselwirkungsphänomene. Astrophysiker argumentieren, dass erst dieser nahe Vorübergang von NGC 5195 eine innere Dichtewelle in NGC 5194 induziert hat. Dadurch wurde die überaus kräftige Spiralstruktur („grand design“) der „Whirlpool-Galaxie“ erzeugt. Ohne dieses Ereignis hätte NGC 5194 heute nicht das spektakuläre Aussehen, sondern wäre eher eine Sb-Spirale mit schlankeren und stärker gewundenen Armen. Vermutlich wird sich die Spiralstruktur von NGC 5194 aber mit zunehmender Entfernung des Störenfrieds NGC 5195 wieder „normalisieren“.

Das System NGC 5194/95 wurde ab den siebziger Jahren systematisch erforscht. Zunächst beschrieben Burkhead und Honeycutt 1972, dass ein schwacher Ausläufer weit nach Westen gerichtet ist. Schließlich untersuchte Burkhead 1978 die Galaxienflächen und die schwachen Ausläufer nochmals [Burkhead M.S.: A photometric study of M 51 system; ApJ Suppl. Ser. 38, 147-184 (1978)]. Novum für die 70er Jahre: Das Gebiet um M 51 wurde mikrodensitometrisch gescannt und digitalisiert. Danach konnten die großräumigen Strukturen in Form kalibrierter Konturdarstellungen wiedergegeben werden. So ließ sich beweisen, wie weit die schwachen Ausläufer nach Nordwesten hinausragen. Unser AdW bestätigt in einfacher Weise (durch optische Aufnahmen) diesen „Nordwestschweif“ eindeutig.

Radioastronomisch konnte bei 21 cm Wellenlänge nachgewiesen werden, dass das M 51-System in eine oder mehrere klumpige Wolken aus neutralem Wasserstoff gehüllt ist [Haynes M.P., Giovanelli R., Burkhead M.S.: Extended neutral hydrogen in the M 51 system; Astronom. J 83, 938-945 (1978)]. Ein Ausläufer erstreckt sich in die nordwestliche Richtung, in der auch die schwachen optischen Gezeitenarme liegen. Offenbar hängt die asymmetrische Ausdehnung der H I-Wolke mit den gravitativen Wechselwirkungen zusammen, die zwischen beiden Galaxien herrschen.

Anmerkungen zum Bild: Sehr schön kommen auch einige Hintergrundgalaxien zur Geltung. Dazu bitte das Originalbild am AdW-Ende herunterladen. a) die kleine Spiralgalaxie IC 4263 bei den Pixelkoordinaten (1135/2175), b) die elliptische Galaxie NGC 5198 bei (353/1308), c) die Spiralgalaxie NGC 5169 bei (351/2374), d) die elliptische Galaxie NGC 5173 bei (103/2239). Alle gehören einem Verband in etwa 120 Mio. Lj Distanz an. Außerdem ist ein sehr schöner, weit entfernter Galaxienhaufen im Bild: [SPD2011] 16769 mit der hellsten Galaxie SDSS J133218.27+470937.7 (ca. 17 mag). Der Haufen ist rund 2,1 Mrd. Lichtjahre entfernt. Eine technische Kleinigkeit: Wer die helleren Sterne anschaut, bemerkt deutliche Beugungsmuster. Dazu der Bildautor: „Ich habe zwei Kabel an der ATIK mit 4 mm Querschnitt, die ich 180° versetzt wegführe… Ich arbeite an einer Lösung, tut mir leid!“
Wir danken für das herrliche Bild und gratulieren herzlich zum Astrofoto der Woche!

Peter Riepe


Bildautor Christoph Kaltseis

Koordinaten von NGC 5194/95 (J2000.0):
RA = 13 h 29 min 56 s, DE = +47° 13' 50''

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