38. Woche - Der Veränderliche P Cygni und sein Umfeld

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Das heutige AdW von Markus Blauensteiner zeigt ein ungewöhnliches Motiv. Ungewöhnlich - weil Astrofotografen üblicherweise keinen einzelnen Stern als Motiv für eine Langzeitbelichtung auswählen. Hier aber ist die Sache anders, denn der Stern P Cygni zeigt einige Besonderheiten. Dazu schreibt der Bildautor: „Die Idee zu diesem Motiv kam von Sakib Rasool, der mich immer wieder mit teils sehr exotischen Objektvorschlägen versorgt. Da ich gerne die nicht so oft besuchten Objekte fotografiere, war dieser Riesenstern mit seinen umgebenden Filamenten genau das Richtige.“ Welche interessanten Fakten sich um P Cygni ranken, wird gleich deutlich. Aber zunächst zu den Aufnahmedaten: Das Bild ist eine Summe aus elf Nächten im Juli und August 2017. Aufnahmeort war Verclause in Südfrankreich. Der remote gesteuerte 250-mm-Newton (Lacerta) hat 1000 mm Brennweite. Als Kamera wird eine SX Trius 694 mit Baader-Filtern eingesetzt. Belichtet wurde: Hα+[NII] 51 x 20 min, [OIII] 46 x 20 min, L 21 x 10 min, RGB je 16 x 10 min und für diese Gesamtbelichtungszeit von 43 h 50 min unser „schärfstes Lob“ ...

Jetzt zu dem Objekt selbst. P Cygni ist ein veränderlicher Stern. Seine aktuellen Helligkeiten sind B = 5,24 mag und V = 4,82 mag. Das ergibt die Farbe B-V = 0,42 mag, also bläulichweiß. Der Spektraltyp ist B1-2Ia-0ep, also ist P Cygni ein Überriese mit pekuliären (seltsamen) Emissionslinien im Spektrum. Das alles ist noch nicht unbedingt aufregend. Jetzt aber kommt´s: Es handelt sich um einen so genannten „Leuchtkräftigen Blauen Veränderlichen“ (LBV = luminous blue variable). Diese massereichen Sterne von mehr als acht Sonnenmassen sind nach heutigem Wissensstand Vorläufer von Supernovae. Wir können also damit rechnen, dass P Cygni in nicht allzu ferner Zukunft in einer kosmischen Explosion endet. Insofern ist P Cygni direkt vergleichbar mit dem bekannten Stern Eta Carinae. Er ist ebenfalls vom Typ LBV und zeigt viele Vergleichbarkeiten zu P Cygni.

Etwas zur Historie von P Cygni. Eigentlich wurde dieser LBV erst 1600 entdeckt. Genau am 18. August dieses Jahres gab es eine Rieseneruption, bei der P Cygni etwa die 3. Größenklasse erreichte und damit für das bloße Auge als heller Stern sichtbar war. Und „etwa die 3. Magnitude“ ist eine Schätzung, denn schließlich geschah dies noch vor der Erfindung des Fernrohres! Von 1655 bis 1684 folgten noch vier kleinere Eruptionen (de Groot 1969, 1988). Nur der bekannte Ausbruch von Eta Carinae dürfte besser dokumentiert sein. Was passierte bei dem Riesenausbruch? P Cygni schleuderte Materie in den Außenraum, der vom stellaren Wind dieses Sterns bereits mit Gas angefüllt war. Das Auswurfmaterial prallte hiermit zusammen und bildete eine noch heute gut sichbare, so genannte „innere Nebelhülle“ von ca. 18 Bogensekunden Durchmesser mit enthaltenen Klumpen und Welligkeiten. Diese innere Hülle wurde 1994 durch Barlow und Kollegen in Aufnahmen mit einem [NII]-Engbandfilter (658,4 nm) gefunden. Nachträgliche hoch aufgelöste gefilterte Aufnahmen im [FeII]-Infrarotlicht (da gibt es eine IR-Emission des Eisens) bestätigten die Klumpen (Arcidiacono et al., 2014). Das Nebelchen ist also vergleichbar mit dem „Homunculusnebel“, der Eta Carinae umgibt. Weiter außen wird P Cygni von einer etwa 1,6 Bogenminuten großen „äußeren Hülle“ umgeben. Auflösungsmäßig sollte sie im heutigen AdW nachweisbar sein, jedoch verhindert der Überstrahlungskranz des Sterns die Erkennbarkeit (hier klicken). Diese Hülle muss also weit vor der Rieseneruption von 1600 stattgefunden haben. Meaburn et al. (2000) konnten mit Hilfe von IR-Beobachtungen in der [Ni II]-Emission bei 737,8 nm eine Expansion von ~160 km/s nachweisen.

Gibt es auch im weiteren Außenraum Explosionsrelikte von P Cygni? Meaburn et al. (2004) und Boumis et al. (2006) konnten mit Engbandfiltern Hα+[NII] und [OIII] zeigen, dass sich bis 12 Bogenminuten von P Cygni entfernt noch sehr schwache, aber eindeutige Nebelfilamente befinden. Sie sind offenbar P Cygni zuzuordnen, ihr Alter wird zwischen 2400 und 100.000 Jahren geschätzt. Deutliche Mitteilung: Diese Profi-Aufnahmen waren kontinuumsubtrahiert! Und diese Filamente hat Markus Blauensteiner in seinem AdW mindestens in gleicher Qualität abgebildet, das zeigt die Zusatzaufnahme (hier klicken).

Zur Aufnahmetechnik gibt es nichts anzumerken - sie ist wie gewohnt sauber und zeigt den erfahrenen Astrofotografen, auch bei der Bildbearbeitung. Interessant wäre es im Nachhinein, die Hα-Summenaufnahme allein näher anzuschauen: Ist hier die äußere Nebelhülle von 1,6 Bogenminuten Ausdehnung innerhalb des Strahlenkranzes von P Cygni noch zu erkennen? Und noch ein Hinweis zum Schluss: Der runde, blaue Fleck bei den Pixelkoordinaten (245/950) ist kein unbekannter Planetarischer Nebel, sondern der Reflex von P Cygni ...



Koordinaten (J2000) von P Cygni:
RA = 20 h 17 min 47 s, Dec = +38° 01´ 59´´

Bildautor: Markus Blauensteiner

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