fake Galileo Manuskript - schon wieder

P_E_T_E_R

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Vor einigen Jahren kam heraus, dass ein Exemplar vom Sidereus Nuncius, welches anscheinend mit Aquarellzeichnungen von Galileo ausgeschmückt war, tatsächlich eine Fälschung war: An almost perfect forgery

„Sidereus Nuncius“ und der größte Fälschungsskandal seit 200 Jahren

Die Fälschung wurde seinerzeit von Nick Wilding entlarvt

Jetzt wurde ein weiteres Galileo Manuskript, das sich seit 1938 im Besitz der Universität von Michigan befindet, als Fälschung identifiziert. Und ratet mal, wer es herausgefunden hat:

Researcher discovers "Galileo manuscript" forgery

August 17, 2022
After an internal investigation of the findings of a Georgia State University professor of history, the University of Michigan Library has concluded that its "Galileo manuscript" - for almost a century considered one of the jewels of the library’s collection - is not a document written by Galileo himself in 1609 and 1610 but a 20th-century fake, most likely executed by the well-known forger Tobia Nicotra.

Der Fälscher verwendete ein Papier mit dem Wasserzeichen AS/BMO einer Papiermühle in Bergamo in Italien, das erst ab 1770 im Umlauf war, also 160 Jahre später als die mutmaßlichen Aufzeichnungen von Galileo. Die Geschichte wird ausführlich in der New York Times dargestellt. Daraus hier einige Auszüge, Zugang zum vollständigen Artikel erfordert wohl eine Subskription (*)

Wilding began to research the Michigan document, and found there was no record of it in Italian archives. It first appeared at auction in 1934, when it was purchased by a Detroit businessman, and it was bequeathed to the university in 1938 after his death. Wilding emailed the library in May to ask for more provenance information and to request an image of the document’s watermark - an insignia visible when held to the light that can indicate where and when the paper was made.

Pablo Alvarez, the curator at the library’s Special Collections Research Center, retrieved the document from storage and photographed its watermark, a circle with a three-leafed clover and the monogram, “AS/BMO.”

The provenance information raised red flags: The auction catalog said it had been authenticated by Cardinal Pietro Maffi, an archbishop of Pisa who died in 1931, who had compared it to two Galileo autograph documents in his collection. Those documents, Wilding discovered, had been given to him by Tobia Nicotra - a notorious 20th-century counterfeiter in Milan.

By early June, Wilding had determined that “BMO” was used as an abbreviation for the Italian city of Bergamo, and found a reference work called “The Ancient Paper-Mills of the Former Austro-Hungarian Empire and Their Watermarks” with information on paper from the city. No other document with a “AS/BMO” watermark appeared before around 1770 - making it highly unlikely that Galileo could have used the paper more than 150 years earlier.


(*) The New York Times
 
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Ich finde, solche Fälschungen sind wirklich ein großes Verbrechen.

Thomas
 
Moin,

das ist wie bei dem Kujau damals (Hitler-Tagebücher), der hat auch alle getäuscht bis jemand misstrauisch geworden ist. Klar, ist Betrug, aber schon lustig wer alles auf sowas reinfällt... Das ist wie bei vielen Sammlern, wenn es nur selten und exklusiv genug ist... Ich sag nur "Salvator Mundi"...

CS Jörg
 
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Ich finde, solche Fälschungen sind wirklich ein großes Verbrechen.
Wobei es sich hier um die Fälschung eines Schlüssesdokuments der Naturwissenschaft handelt. Das ist schon äußerst dreist. Man fragt sich, welcher Teufel diesen Fälscher geritten hat. Jedenfalls hatte er keinen Respekt vor der historischen Bedeutung. Eher schon war er angetrieben von einer gewissen Eitelkeit, dem historischen Bild noch seinen persönlichen Spin aufzuprägen.

In den Naturwissenschaften sind die Auswirkungen von Fälschungen ohnehin sehr begenzt und von kurzer Dauer. Stellt euch mal vor, so ein Fälscher würde den Stand der Jupitermonde für ein bestimmtes historisches Datum frei erfinden. Das können wir mit wohlfeiler Software sofort falsifizieren. Ein fake Bluttest, wie der von Elizabeth Holmes, beeindruckt Investoren nur für eine gewisse Zeit, und irgendwann fliegt die Chose dann auf.

Die Natur betrügt und täuscht uns nicht. Das wusste schon Jean-Jacques Rousseau:

Jamais la nature ne nous trompe,​
c'est toujours nous qui nous trompons.​
Gruß, Peter
 
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Reaktion: ThN
Na ja, Peter, der hat erkannt dass das zu seiner Zeit ein Fokus des Interesses war und das hat er bedient, war ja wohl Berufsfälscher. Mehr hat ihn nicht interessiert.

CS Jörg
 
Es gibt zur Fälschung des Sidereus Nuncius eine sehenswerte Doku von Arte: Technik und Innovation,der gefälschte Mond von Galileo Galilei-Doku 2020 , gibt vllt. in besserer Qualität.

Die hier zur Schau gestellte Empörung kann ich nur halb nachvollziehen, deren Betonung von wegen "wissenschaftlichem Werk" erst recht pathetisch. Kujau mit seinen Hitler-Tagebücher bringt man hingegen durchaus Sympathie entgegen, hat sogar den tollen Film Schtonk beschert, seine Fälschung wird gerne als ein Schenkelklopfer gesehen. Was soll hier daran anders sein? In der Doku kommt der Täter selber zu Wort. Man kann ihm wohl Unverfrorenheit usw. anlasten, andererseits bringt er es gut rüber, die komische Seite daran zu betonen, wie und dass hier wieder mal die "unfehlbare" Experten regelrecht vorgeführt wurden. Und mit Verlaub, die Beteuerungen jenes Experten in der Doku lassen doch eine gute Portion von, ja, Weinerlichkeit, durchscheinen.

Gruss
 
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Ich finde die Darstellung in der Doku von Arte ebenfalls sehenswert, wobei die Quintessenz natürlich ernüchternd und schockierend ist.

Wenn Fälscher, wie dieser Marino Massimo De Caro, ganze Teams von Fachleuten an der Nase herumführen können, dann tun sich da Abgründe auf. Der von diesem Mann alleine verursachte Schaden geht übrigens weit über die hier thematisierte Galileo Fälschung hinaus, die ja im wesentlichen nur eine kollossale Peinlichkeit für die genarrten "Fachleute" war.

De Caro hat ja in seiner Eigenschaft als amtlicher Konservator wie der Fuchs im Hühnerstall aus der ihm anvertrauten Bibliothek von Neapel Hunderte von Büchern beiseite schaffen und ausschlachten lassen. Er war sogar drauf und dran, weitere Bibliotheken per "Fernleihe" auszuräumen. Dass er in seiner Villa Journalisten und Fernsehteams großzügig Einblicke in sein Gewerbe als Fälscher gewährt und dabei vor Stolz fast platzt, das setzt dem Ganzen wirklich die Krohne auf.

THE NEW YORKER: A VERY RARE BOOK

Nur um Missverständnisse auszuschließen: Das eingangs erwähnte "Galileo" Dokument, welches sich seit 1938 im Besitz der Universität von Michigan befindet, wurde NICHT von De Caro gefälscht, sondern vermutlich von Tobia Nicotra.

Gruß, Peter
 
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Na ja, immer wenn Institutionen sich der Notwendigkeit ausgesetzt sehen durch Leuchtturmprojekte aufzufallen wird gern die Vorsicht hintangestellt. Das ist ja nur ein Beispiel von vielen. Ich habe da nur begrenzt Mitleid.

CS Jörg
 
Jetzt wurde ein weiteres Galileo Manuskript, das sich seit 1938 im Besitz der Universität von Michigan befindet, als Fälschung identifiziert.
After an internal investigation of the findings of a Georgia State University professor of history, the University of Michigan Library has concluded that its "Galileo manuscript" - for almost a century considered one of the jewels of the library’s collection - is not a document written by Galileo himself in 1609 and 1610 but a 20th-century fake, most likely executed by the well-known forger Tobia Nicotra.
Inzwischen sind noch zahlreiche andere Fälschungen von diesem Tobia Nicotra entlarvt worden. Man mutmaßt mittlerweile, dass sein "Gesamtwerk" sich auf bald 600 Stück belaufen könnte:

Tobia Nicotra

He created forgeries of letters and other documents purportedly written by famous historical figures, including Christopher Columbus, Leonardo da Vinci, the Marquis de Lafayette, Martin Luther, Michelangelo, and George Washington.

With the income he earned from the sale of his forgeries, Nicotra rented seven apartments in Milan, each for a mistress.

On 9 November 1934 he was sentenced to two years in prison and fined 2,400 lire (3088 Euro in 2022).  Police who had arrested him testified that at the time of his arrest he had autograph forgeries in progress at his workshop, including ones for Christopher Columbus, Warren G. Harding, Tadeusz Kosciuszko, Leonardo da Vinci, Abraham Lincoln, the Marquis de Lafayette, Martin Luther, Michelangelo, and George Washington.


Übrigens:

Nicotra was paroled early by the National Fascist Party that ruled the Kingdom of Italy, in order to have him forge signatures for them.

Alles schön nachzulesen auch in einem aktuellen Artikel in der New York Times

Galileo Forgery’s Trail Leads to Web of Mistresses and Manuscripts

wozu aber wohl eine Subskription erforderlich ist.
 
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