"Gott würfelt nicht" - oder doch?

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P_E_T_E_R

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Das Zitat "Gott würfelt nicht" wird ja bekanntlich Einstein zugeschrieben und als Beleg für seine skeptische oder sogar ablehnende Haltung insbesondere gegenüber der Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik gewertet.

Darüber hinaus hatte sich Einstein ja in dem viel diskutierten EPR-Gedankenexperiment mit der vermeintlichen Fernwirkung zwischen räumlich getrennten aber verschränkten Quantenzuständen befasst. Die Möglichkeit einer solchen scheinbar spukhaften Fernwirkung lehnte Einstein stets ab.

Ob er hingegen im Sinne des ihm zugeschriebenen Zitats "Gott würfelt nicht" tatsächlich einen verborgenen Determinismus im Sinne von Hidden-Variable Theorien wie von De Broglie & Bohm vorgeschlagen favorisierte, ist unklar. Er selbst hatte zwar ähnliche Ideen ausgearbeitet, dann aber Zweifel und nichts davon veröffentlicht.

Dass Einstein entgegen der strikten Auslegung des ihm zugeschriebenen Zitats stochastische Vorgänge durchaus akzeptierte und keineswegs einen strikten Determinismus verfolgte, wird aus der folgenden historischen Analyse klar:

Striving for Realism, Not for Determinism: Historical Misconceptions on Einstein and Bohm

What we learn from Einstein’s involvement in the hidden variable program is that his main concern was definitely not determinism. His own early incomplete attempts, and Bohm’s consistent interpretation all retrieved determinism, however they were not enough for Einstein. The fact that they all relied on a wave-function living in a configuration space, made them despicable to Einstein, in so far as they clearly did “not smell like something real.” Sacrificing a tenable form of realism was a too high price to pay for Einstein, even if determinism was so restored.

Und ähnliches gilt auch für Bohm. In einem unveröffentlichtem Brief an Popper schreibt er:

I certainly think that a realistic interpretation of physics is essential. […]. However, I feel that you have not properly understood my own point of view, which is much less different from yours than is implied in your book. Firstly I am not wedded to determinism. It is true that I first used a determinist version of […] quantum theory. But later, […] a paper was written, in which we assumed that the movement of the particle was a stochastic process. Clearly that is not determinism. […] The key question at issue is therefore not that of determinism vs. indeterminism. I personally do not feel addicted to determinism, but I am ready to consider deterministic proposals, […] if they offer some useful insights

Also Einsteins Zitat über Gott und die Würfel sollte man nicht so strikt auslegen, zumal eins seiner berühmten Papiere von 1905, nämlich das Papier über die Brownsche Bewegung, einen ganz und gar stochastischen Prozess behandelt. Aber interessant ist der Hinweis auf seinen physikalischen Instinkt: Ideen und Konzepte, die ihm zu artifiziell vorkommen, haben keinen überzeugenden "Geruch" (they clearly did not smell like something real).
 
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