Entlastungsmontierung im "Riekher ... "
Hallo Peter und Interessierte,
anbei stelle ich mal Zeichnungen und Text hier rein, die dem - manchen vielleicht bekannten - Buch von Rolf Riekher "Fernrohre und ihre Meister" entnommen sind.
Dort wird die Entlastungsmontirung von Franz Meyer so abgebildet und erklärt:
Link zur Grafik:
http://bernyland.de/Bilder/Astro/Entlastungsmontierung/Entlastung1.jpg
Link zur Grafik:
http://bernyland.de/Bilder/Astro/Entlastungsmontierung/Entlastung2.jpg
Der Text dazu (S. 287 bis 289):
... "Meyer brachte nicht nur die Erfahrungen, die er bei der Konstruktion des Treptower Refraktors gesammelt hatte, mit nach Jena, sondern auch eine Fülle neuer Ideen und vor allem den Mut, ganz neue Wege zu beschreiten. Der von Meyer im Zeiss-Werk in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts entwickelte Montie-rungstyp ist sowohl für Spiegelteleskope als auch für Refraktoren mittlerer Größe geeignet. Die wichtigsten Merkmale sind, außer der schon erwähnten vollständigen Entlastung beider Achsen und den damit verbundenen Vorteilen, die freie Beweglichkeit des Instruments nach allen Himmelsrichtungen, wobei bei langen Belichtungszeiten niemals ein Umlegen erforderlich ist, und ferner in vielen Fällen eine bequemere Zugänglichkeit des Okulars. Auf dem Verwaltungsgebäude des Zeiss-Werkes wurde die erste Montierung dieser Art aufgestellt. In einer 8J^-m-Kuppel, 30 m über dem Erdboden, fand sie ihren Platz. Die Montierung trug einen 30-cm-Refraktor von 5 m Brennweite und besaß zwei weitere Tuben, in die zu prüfende Objektive bis zu 40 cm Durchmesser eingesetzt werden konnten. Das Instrument dient in erster Linie zu Prüf- und Studienzwek-ken. In den Jahren nach 1905 wurden Refraktoren mit der neuartigen Montierung nach Zürich, München, Wien, Neuchätel, Philadelphia und Los Angeles geliefert. Die ganz großen Zeiss-Refraktoren in Berlin-Babelsberg, Belgrad und Tokio haben deutsche Montierungen, jedoch auch mit einer Achsenentlastung. Dem kleinen Innsbrucker Spiegelteleskop aus dem Jahre 1905 folgten größere Spiegelteleskope mit Entlastungsmontierung für Hamburg-Bergedorf (1911), Berlin-Babelsberg (1915), Uccle bei Brüssel (1932) und Nanking. Die Spiegelteleskope von Bergedorf und Uccle haben beide 100 cm freie Öffnung und nur 3 m Brennweite. Das Instrument in Nanking hat einen Spiegel von 60 cm Durchmesser und 3 m Brennweite. Das Babelsberger Spiegelteleskop (jetzt im Krim-Observatorium) war für 30 Jahre das größte Spiegelteleskop Europas. Der Spie-geldurchmesser betrug 122 cm, die Brennweite 8,4m.
Den Aufbau der neuen Montierungsform zeigen die Bilder 15.20 und 15.21, nämlich am Bergedorfer Reflektor und in einem Schnitt durch das große Babelsberger Spiegelteleskop, an dem die Wirkungsweise des Entlastungssystems erklärt werden soll: Die hohle Stundenachse trägt an ihrem oberen Ende eine Gabel mit den Lagern für die ebenfalls durchbohrte Deklinationsachse. Das Fernrohr ist nun nicht, wie üblich, an einem Ende der Deklinationsachse angesetzt und auch nicht, wie bei der Gabelmontierung, direkt zwischen den beiden Deklinationslagern, sondern es wird von einem Doppellagerbock getragen, der zwischen den beiden Lagern der Deklinationsachse auf diese aufgesetzt ist. Stunden-und Deklinationsachse drehen sich in genau gearbeiteten Gleitlagern. Zur Balancierung der Fernrohrmasse ist auf jeder Seite vom Tubus ein großer Gewichtshebel mit einem schweren Gegengewicht angebracht. Der Schwerpunkt dieser Hebel liegt in der Verlängerung der Deklinationsachse und wird getragen von einer starken massiven Stahlstange, die durch die hohle Deklinationsachse hindurchgeführt ist. Diese Stange berührt die Deklinationsachse nur in deren Mitte. Dadurch wird die ganze Masse des Fernrohrs und der Balanciergewichte auf die Mitte der Deklinationsachse konzentriert. An dieser Stelle wird die Deklinationsachse von einem großen Kugellager umfaßt, das an dem oberen Ende einer langen starken Stahlstange angebracht ist. Diese Stahlstange ist durch die hohle Stundenachse hindurchgeführt und trägt am unteren Ende ein schweres Gewicht. Sie ist etwas oberhalb ihrer Mitte in einem Gelenk abgestützt, das sich in dem gußeisernen Unterteil der Montierung befindet. Die Stahlstange kann mit einem schrägliegenden Waagebalken verglichen werden, der an einem Ende das Fernrohr mit den Balanciergewichten und am anderen Ende ein entsprechend dimensioniertes Gegengewicht trägt.
Das Stützgelenk im Unterteil der Montierung nimmt das ganze Gewicht auf. Sowohl die Stunden- als auch die Deklinationsachse sind völlig unbelastet und können sich somit auch nicht verbiegen.
Die Vorteile der neuen Zeiss-Montierung wurden schon genannt: Die unbelasteten Achsen garantieren eine sehr genaue und weitgehend reibungsfreie Bewegung des Fernrohrs; das Instrument kann auf jede Himmelsstelle gerichtet werden; ein Umlegen bei langer Nachführungs-zeit ist nicht erforderlich; der Sockel der Montierung steht verhältnismäßig weit nach Süden und stört wenig bei der Anwendung von Beobachtungsbrücken und -leitern. Die Masse der Montierung ist natürlich durch das Entlastungssystem recht hoch; aber da der Schwerpunkt im unteren Teil des Sockels liegt, ist dies kein Nachteil. Es erhöht die Standfestigkeit der Montierung."
Und das ist der "Kopf" dazu:
Link zur Grafik:
http://bernyland.de/Bilder/Astro/Entlastungsmontierung/Meyer.jpg
Schönen Gruss
Bernd