Hubble-Konstante im Labor messen

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Adhara

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Die Hubble-Konstante beträgt ca. 74,3 km/s*MPc . Wenn man diesen Wert voll auf das metrische System umrechnet, erhält man einen Wert von 2,4*10°-18 1/s .
Könnte man sie auch mit nicht astronomischen Methoden, zum Beispiel mit Laserinterferometern, wie sie zur Suche nach Gravitationswellen eingesetzt werden, irgendwie messen? Schließlich verlängert sich durch die Expansion des Raumes, sofern sie auch auf unserer Größenskala eintritt, der Weg den das Licht in einem Interferometer zurück legt. Oder?
 
Die von LIGO registrierten Gravitationsignale stauchen und dehnen die 4 km langen Arme der Detektoranlage um typischerweise 10^-18 m - das ist etwa der tausendste Teil von der Größe eines Protons. Man könnte also meinen, dass man mit dieser hohen Messgenauigkeit und Empfindlichkeit den Wert der Hubble-Konstante sogar unter Laborbedingungen für Abstände von ein paar Metern messen könnte, vorausgesetzt die Hubble-Beziehung bleibt bis zu solchen nicht-kosmologischen Distanzen gültig.

Aber:

> LIGO registriert ja nur eine relative Längenänderung für die Dauer eines Transienten mit so großer Empfindlichkeit

> die absolute Distanz, die für die Bestimmung der Hubble-Relation erforderlich ist, ist interferometrisch nur auf einen Bruchteil der Laserwellenlänge bekannt, aber das würde ausreichen

> vor allem aber müsste die Dopplerverschiebung irrsinnig genau gemessen werden, und das scheitert bereits an der natürlichen Linienbreite der Spektrallinien und typischen optischen Dispersionseffekten

Das sieht also nicht gut aus.

Es gibt aber eine ganz andere Methode, mit der die Gravitationswellendetektoren wie LIGO eine Rolle bei der Fixierung des Hubble-Parameters spielen können. Man kann nämlich aus der Signatur des empfangenen Gravitationssignals auf die absolute Magnitude des Vorgangs am Ort der Entstehung schließen und so die Entfernung bestimmen. Wenn dann wie beim Merger von zwei Neutronensternen auch noch ein optisches Signal auftritt, kann man aus der Rotverschiebung dann direkt den Hubble-Parameter bestimmen:

Determining the Hubble constant from gravitational wave observations

MEASURING THE EXPANSION OF THE UNIVERSE WITH GRAVITATIONAL WAVES
 
Zuletzt bearbeitet:
Da aber eigentlich nicht bewiesen ist, ob die Hubble-Beziehung auch für nicht-kosmologische Distanzen gilt, wäre trotzdem eine interferometrische Messung der Hubble-Konstante von großer Bedeutung. Wie lange müßte ein Interferometer sein, daß man damit die Hubble-Konstante messen könnte?
 
"Bewiesen" ist in der Physik nichts. Was der Physiker beweisen könnte, ist das Nicht-zutreffen einer Hypothese.
CS Dietrich
 
Da aber eigentlich nicht bewiesen ist, ob die Hubble-Beziehung auch für nicht-kosmologische Distanzen gilt, wäre trotzdem eine interferometrische Messung der Hubble-Konstante von großer Bedeutung. Wie lange müßte ein Interferometer sein, daß man damit die Hubble-Konstante messen könnte?
Denk doch mal nach: wenn die gleichmäßige Expansion des Raumes nicht nur auf kosmologischen Distanzen, sondern auch auf lokalen und sogar atomaren Skalen gilt, dann wäre sie prinzipiell gar nicht nachweisbar, denn wie willst nachweisen, dass ein Baum in zehn Jahren auf die doppelte Höhe wächst, wenn Du dafür einen Maßstab verwendest, der seinerseits in diesem Zeitraum seine Länge verdoppelt?

Das Konzept einer universellen bis auf atomare und subatomare Abstände gültigen Raumexpansion ist also schon grundsätzlich defekt und gar nicht beweisbar. Im Gegenteil, die Beobachtung der Raumexpansion auf kosmologischen Distanzen beweist, dass unsere lokalen Maßstäbe von dieser Expansion ausgenommen sind. Andernfalls müssten wir nämlich alles was wir über die himmelsmechanischen Gesetze der Planeten wissen, aber auch über atomare Spektroskopie, usw. und so fort, in die Tonne schmeißen.

Du kannst also die Hubble-Konstante gar nicht im Labor messen, nicht einmal innerhalb vom Sonnensystem oder innerhalb der Milchstraße. Das funktioniert erst auf kosmologischen Distanzen!

Siehe dazu z.B.

Interpretation der Expansionsgeschwindigkeit

Expansion (1)

Expansion (2)

Letztlich erfordert ein Verständnis der Zusammenhänge und insbesondere des Übergangs zwischen kosmologischen und lokalen Skalen eine Beschäftigung mit der Friedmann-Gleichung ...
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist das wirklich so, dass die Expansion nur auf einer kosmologischen Skala stattfindet? Das wird in der Literatur schon kontrovers diskutiert, z.B. steht in dieser Arbeit


"Recently (Anderson 1995; Bonnor 1996) there has been a revival of interest in the question as to whether the cosmological expansion also proceeds at smaller scales. There is a tendency to reject such an extrapolation by confusing it with the intrinsically un-observable ”expansion” (let us refer to this as ”pseudo-expansion”) described above. By contrast, the metric of Friedman–Robertson–Walker (FRW) in general relativity is intrinsically dynamic with the increase (decrease) of proper distances correlated with red–shift (blue–shift). It does so on any scale provided the light travel time is much longer than the wave period. Thus, the cosmological metric alone does not dictate a scale for expansion and in principle, it could be present at the smallest practical scale as real – as opposed to pseudo–expansion, and observable in principle."

Man kann sich auch die Arbeiten ansehen, die diese Arbeit zitieren, z.B.


Zitat:

"The issue of whether the global cosmological expansion affects local gravitating systems, such as planetary systems and galaxies, has been studied for a long time (for recent work, and discussions of previous results, see e.g. Refs. [1–4]). The specific questions asked in the literature focus mostly on the extent to which local systems expand, and on the form and magnitude of the corrections to the effective forces felt by orbiting test bodies; while the approaches used vary, sometimes in conceptually important ways, the consensus is that there is an effect in principle, but in practice it is exceedingly, undetectably small. To a first approximation, a reasonable, physically motivated point of view, as expressed by Misner, Thorne, and Wheeler [5], for the case of galaxies, is that they are like rigid pennies attached to the expanding balloon representing the universe, and they do not themselves expand."

Die Metrik in den kosmologischen Modellen (FRW) ist auf jeder Skala zeitabhängig. Auf kleinen Skalen wird die Expansion aber durch andere Kräfte überlagert (lokale Gravitation, Elektromagnetismus, etc.), so dass sich Testteilchen nicht frei bewegen und daher nicht nur durch die Expansion beeinflusst werden. Die Testteilchen, die sich nur unter dem Einfluß der kosmologischen Expansion bewegen, sind in den kosmologischen Modellen eigentlich ruhend, d.h. an einem fixierten Ort im Raum, sie bewegen sich nicht durch den Raum. Die Änderung des Abstands zwischen den Testteilchen (Expansion) kommt nur von der Zeitabhängigkeit der Metrik. Durch die lokalen Kräfte expandiert z.B. das Sonnensystem oder eine Galaxie nicht wie das Universum.

Viele Grüße
Mark
 
Hallo Mark, man erwartet natürlich einen mehr oder weniger graduellen Übergang von der lokalen zur kosmologischen Entfernungsskala, wo dann kosmologische Effekte einsetzen. Ich habe dazu keine persönlichen Fachkenntnisse. Die von Dir zitierten Arbeiten und ähnliche, die ich kenne, geben zu dieser interessanten Frage keine quantitativen Einsichten. Jedenfalls ist auf der Basis der fundamentalen Argumente, die ich oben aufgeführt habe, auszuschließen, dass eine Labormessung der Hubble-Konstante einen von null verschiedenen Wert ergeben kann.

Wie würde denn so eine Labormessung aussehen? Man misst die Wellenlänge einer sehr schmalbandigen Lichtquelle aus verschiedenen Entfernungen. Über typische Labordistanzen von ein paar Metern, meinetwegen auch Vakuumröhren mit einer Länge von Kilometern, wird man keinen signifikanten Dopplereffekt messen können. Zum einen, weil die natürliche Linienbreite von Spektrallinien um viele Größenordnungen über der erwarteten Dopplerverschiebung für diese kurzen Distanzen liegt. Vor allem aber, weil es solche Effekte auf nicht-kosmologischen Entfernungen grundsätzlich gar nicht geben kann.

Die vom Fragesteller ins Spiel gebrachte Interferometrie suggeriert eine präzise Distanzmessung im Labor. Damit bekommt man aber keine Expansionsrate ...

Gruß, Peter
 
die Beobachtung der Raumexpansion auf kosmologischen Distanzen beweist, dass unsere lokalen Maßstäbe von dieser Expansion ausgenommen sind. Andernfalls müssten wir nämlich alles was wir über die himmelsmechanischen Gesetze der Planeten wissen, aber auch über atomare Spektroskopie, usw. und so fort, in die Tonne schmeißen.

> Ein wesentliches Fundament der klassischen Himmelsmechanik ist ja u.a. die Erhaltung des Drehimpulses eines Planeten- oder Sternorbits in einem geschlossenen System und der ist proportional zum Bahnradius. Wenn der Bahnradius durch Raumexpansion zunähme, würde das automatisch die Erhaltung des Drehimpulses verletzen. Ein fundamentales Bubu!

> Entsprechendes gilt auch für die Atomphysik: der Bohrsche Atomradius ist eine Konstante, die sich aus fundamentalen Naturkonstanten wie dem Planckschen Wirkungsquantum, sowie der Masse und Ladung des Elektrons berechnet. Da kann man also nichts expandieren.
 
Hallo Peter,

nicht unbedingt. Wenn man sich die Rechnung in Abschnitt 4 in dieser Referenz anschaut,


insbesondere Gleichung (4.10) und (4.11) und den Kommentar danach, folgt, dass der Bahnradius größer wird und die Winkelgeschwindigkeit kleiner wird, so dass der Drehimpuls (in der verwendeten Näherung) erhalten ist.

Die Änderung des Bahnradius hängt mit der Beschleunigung des Skalenfaktors

(1/a)* (d^2a/dt^2)

zusammen, d.h. nicht direkt mit der Hubble-Konstante, die ja die erste Ableitung

H_0 = (1/a)*(da/dt)

ist.

Die tatsächlichen Änderungen des Bahnradius (in dem dort betrachteten kosmologischen Modell) sind allerdings winzig. Zum Beispiel für das System Sonne-Erde:

Zitat: Over the lifespan of the solar system, of order 10^17s, the fractional change in radius was a mere 10^(-24).

D.h. bei einem Bahnradius von 149.6 Mio km = 1.496 * 10^11 m ist die Änderung des Radius durch die kosmische Expansion seit Entstehung des Sonnensystems ca. 1.496 * 10^(-13) m. Das ist ca. 1/200 des Wasserstoffatom-Radius.

Viele Grüße
Mark
 
> Ein wesentliches Fundament der klassischen Himmelsmechanik ist ja u.a. die Erhaltung des Drehimpulses eines Planeten- oder Sternorbits in einem geschlossenen System und der ist proportional zum Bahnradius. Wenn der Bahnradius durch Raumexpansion zunähme, würde das automatisch die Erhaltung des Drehimpulses verletzen. Ein fundamentales Bubu!

> Entsprechendes gilt auch für die Atomphysik: der Bohrsche Atomradius ist eine Konstante, die sich aus fundamentalen Naturkonstanten wie dem Planckschen Wirkungsquantum, sowie der Masse und Ladung des Elektrons berechnet. Da kann man also nichts expandieren.

Ja!

Emmy Noether lässt grüßen.
Und wie oft wird die Emmy ausnahmslos auf allen Astronomieforen vergessen,
Jiri
 
insbesondere Gleichung (4.10) und (4.11) und den Kommentar danach, folgt, dass der Bahnradius größer wird und die Winkelgeschwindigkeit kleiner wird, so dass der Drehimpuls (in der verwendeten Näherung) erhalten ist.

Hallo Mark, immerhin, diese Arbeit von Cooperstock et al. befasst sich tatsächlich quantitativ mit den hier diskutierten Effekten und zeigt, dass sie prinzipiell auch schon auf der Skala unseres Sonnensystems wirksam sind, wenngleich auf einem praktisch unmessbar kleinen Niveau. Ich muss allerdings gestehen, dass die FRW-Thematik weit außerhalb meiner Expertise liegt.

Die tatsächlichen Änderungen des Bahnradius (in dem dort betrachteten kosmologischen Modell) sind allerdings winzig. Zum Beispiel für das System Sonne-Erde:

Zitat: Over the lifespan of the solar system, of order 10^17s, the fractional change in radius was a mere 10^(-24).

D.h. bei einem Bahnradius von 149.6 Mio km = 1.496 * 10^11 m ist die Änderung des Radius durch die kosmische Expansion seit Entstehung des Sonnensystems ca. 1.496 * 10^(-13) m. Das ist ca. 1/200 des Wasserstoffatom-Radius.

The metric of Friedman–Robertson–Walker (FRW) in general relativity is intrinsically dynamic with the increase (decrease) of proper distances correlated with red–shift (blue–shift). It does so on any scale provided the light travel time is much longer than the wave period. Thus, the cosmological metric alone does not dictate a scale for expansion and in principle, it could be present at the smallest practical scale as real– as opposed to pseudo–expansion, and observable in principle.

Wie ist das zu verstehen:

It does so on any scale provided the light travel time is much longer than the wave period.

Das scheint dann wohl Vorgänge auf der atomaren Skala und darunter vor der Einwirkung der kosmischen Expansion abzuschirmen.

Gruß, Peter
 
Hallo Peter,

ich habe mich auch gefragt, was dieser Satz bedeutet. Das ist mir nicht klar.

Die Rotverschiebung zwischen emittierter Wellenlänge lambda_e und beobachteter Wellenlänge lambda_o ist

lambda_o/lambda_e = a(t_o)/a(t_e),

wobei a(t_o) und a(t_e) die Skalenfaktoren zu den entsprechenden Zeiten sind, siehe z.B. die Herleitung hier auf Seite 23:


Bei der Herleitung nimmt man an, dass der Skalenfaktor a(t) während einer Periode der Lichtwelle annähernd konstant ist. Der eigentliche räumliche Abstand oder zeitliche Abstand t_o-t_e zwischen Emission und Beobachtung sollte aber keine Rolle spielen.

Hier ist noch eine Referenz, in der die Orbits in einem klassischen "Atom" unter dem Einfluß der kosmischen Expansion betrachtet werden:


Viele Grüße
Mark
 
Ich komm noch mal zurück auf die lokale Größe der Raumexpansion für die Sonnendistanz der Erde, wie sie in dem Papier von Cooperstock et al. angegeben ist:

Die tatsächlichen Änderungen des Bahnradius (in dem dort betrachteten kosmologischen Modell) sind allerdings winzig. Zum Beispiel für das System Sonne-Erde:

Zitat: Over the lifespan of the solar system, of order 10^17s, the fractional change in radius was a mere 10^(-24).

Wenn man als Arbeitshypothese einfach mal annimmt, dass diese Expansionsrate auch noch für erheblich kleinere Abstände und Zeiträume gilt, wie sie im Labor realisiert werden können, dann käme man z.B. für eine Wegstrecke von 1 km und eine Zeitdauer von 1000 s auf eine relative Längenänderung von:

10^(-24) * (1 km / 150 * 10^6 km) * (1000 s / 10^17 s) ~ 7 * 10^(-47)

Das wäre dann eine Verlängerung der Wegstrecke von 1000 m um

7 * 10^(-44) m

Was zu vergleichen ist mit

5,3 * 10^(-11) m = Bohrscher Radius = Radius vom Wasserstoffatom im Grundzustand

0,84 * 10^(-15) m = 0,84 fm (Femtometer oder Fermi) = Ladungsradius vom Proton

1,6 * 10^(-35) m = Planck-Länge

Wohlgemerkt, die Planck-Länge ist die kürzeste Distanz, für welche die heutige Physik überhaupt sinnvolle Aussagen machen kann!

Eine Messung von 7 * 10^(-44) m ist nicht nur technisch jenseits unserer Möglichkeiten, es überschreitet auch fundamentale physikalische Grenzen.
 
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