Hypernovae

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P_E_T_E_R

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Supernovae kommen in einer verwirrenden Taxonomie daher, deren typologische Bezeichnungen (z.B. Ia, Ib, Ic, II-P, IIb) sich eher an der Erscheinungsform ihrer Lichtkurven und den Absoptionslinien ihrer Spektren als an ihren teilweise ganz unterschiedlichen astrophysikalischen Abläufen orientieren.

Ein relativ neuer Typ, der zunächst nur theoretisch existierte, seit einigen Jahren aber anhand weniger Exemplare tatsächlich untersucht werden konnte, ist die Paarinstabilitäts-Supernova oder Hypernova.

Dabei handelt es sich um besonders heftige Explosionen beim Kernkollaps von Sternen mit einer Masse von ca. 130 bis 250 Sonnenmassen, bei denen vom ursprünglichen Stern nicht einmal ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch übrig bleibt.

Beim Kernkollaps solcher Sterngiganten wird eine derart hohe Temperatur erreicht, dass das elektromagnetische Spektrum nicht nur Röntgen- sondern auch Gammastrahlung enthält. Oberhalb einer Temperatur von 4 Milliarden Kelvin überschreitet die Energie der Photonen dann die Schwelle für e+e- Paarproduktion. Der Strahlungsdruck der Photonen nimmt dadurch drastisch ab und der Stern kollabiert dann vollends und explodiert. Man spricht von Pair Instability (Paarinstabilität).

Hier sind ein paar interessante Berichte über die Aufspürung solcher Vorfälle:

A. Gal-Yam - Super Supernovae

The largest stars die in explosions more powerful than anyone thought possible - some triggered in part by the production of antimatter

S. Gomez et al. - SN 2016iet: The Pulsational or Pair Instability Explosion ...

We present optical photometry and spectroscopy of SN 2016iet, an unprecedented Type I supernova at z = 0.0676 with no obvious analogue in the existing literature. ... We model the light curves with several potential energy sources: radioactive decay, a central engine, and ejecta-circumstellar medium interaction. Regardless of the model, the inferred progenitor mass near the end of its life (i.e., the CO core mass) is >55 M_s and potentially up to 120 M_s clearly placing the event in the regime of pulsational pair instability supernovae or pair instability supernovae.

Explosion of Monster Star Requires New Supernova Mechanism

Scientists have announced the discovery of the most massive star ever known to be destroyed by a supernova explosion, challenging known models of how massive stars die and providing insight into the death of the first stars in the universe.

The observations and analysis show that SN2016iet began as an incredibly massive star 200 times the mass of Earth's Sun that mysteriously formed in isolation roughly 54,000 light-years from the center of its host dwarf galaxy. The star lost about 85 percent of its mass during a short life of only a few million years, all the way up to its final explosion and demise. The collision of the explosion debris with the material shed in the final decade before explosion led to SN2016iet's unusual appearance, providing scientists with the first strong case of a pair-instability supernova.

"The idea of pair-instability supernovas has been around for decades," said Berger. "But finally having the first observational example that puts a dying star in the right regime of mass, with the right behavior, and in a metal-poor dwarf galaxy is an incredible step forward. SN2016iet represents the way in which the most massive stars in the universe, including the first stars, die."
 
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Hallo Peter,

was mir dabei durch den Kopf geht - letztlich muss der Explosionsvorgang - und damit die Umkehr des Kollapses - dann so schnell geschehen, dass keine Massenagglomeration auftritt, die die Bildung eines schwarzen Lochs zur Folge haben müsste. Wenn durch die Paarbildung der "Strahlungsdruck" der Photonen verloren geht bräuchte es dazu einen Mechanismus, welcher wäre das? Reicht dazu die Fusion (auch schwererer Elemente) als Energiequelle aus?

CS
Jörg
 
Hallo!

Reicht dazu die Fusion (auch schwererer Elemente) als Energiequelle aus?

So steht es zumindest in dem von Peter verlinkten Artikel:

But when a star has the mass of several dozen Suns, theory says the explosion proceeds a bit differently. The core heats up to such a degree that it forms electrons and their antimatter partners, positrons. Unlike neutrons in a neutron star, electron-positron pairs don’t have any way to support the core against gravity. Instead, the star keeps collapsing. But before it can disappear into the singularity of a black hole, the star’s mass instead ignites runaway fusion that detonates the entire star. This is what astronomers call a pair-instability supernova.

Grüße
Maximilian
 
Nettes Wettrennen, die Gravitation auf der einen Seite und die Fusion auf der anderen - irgendwie schwierig im Kopf zusammenzubekommen. "Wie schnell" ist Fusion - sprich, wie groß die Geschwindigkeit, mit der sich die Fusionsfront ausbreitet ...

CS
Jörg
 
Man darf nicht vergessen, dass von all den Fundamentalen Kräften die Gravitation die schwächste ist. Und zwar um einige Größenordnungen. Von daher verwundert es mich eher, dass es überhaupt Supernovae gibt, die am Ende Neutronensterne und Schwarze Löcher zurücklassen.
Tja, könnte man vielleicht denken, ist aber ein kolossaler Trugschluss. Auf makroskopischen Distanzen spielen die starken und die schwachen Wechselwirkungen, welche die Atomkerne zusammenhalten bzw. deren Fusion im Sterninnern auslösen, nämlich gar keine Rolle. Die elektromagnetische Wechselwirkung zwischen Protonen und Elektronen ist zwar gewaltig viel größer als die vergleichsweise vernachlässigbare gravitative Wechselwirkung und fällt wie diese mit 1/r². Für makroskopische Aggregate wie interstellare Plasmawolken und Sterne gilt aber, dass sich positive und negative Ladungsträger im Mittel die Wage halten und sich so effektiv neutralisieren. Die gravitativen Wirkungen hingegen akkumulieren sich. Es ist also letzten Endes die schiere Masse, die zählt!

Die potentielle gravitative Energie einer kugelförmigen gleichförmigen Massenverteilung mit Masse M und Radius r ist

E = - G M² / r

Wenn sich so eine Massenverteilung vom Radius r_1 auf einen kleineren Radius r_2 kontrahiert, wird dabei die Energie

ΔE = [- G M² / r_1 ] - [-G M² / r_2]

freigesetzt.

Wenn z.B ein Stern wie die Sonne mit einer Masse von M = 2 x 10^30 kg und einem Radius von r_1 = 7 x 10^8 m auf die Hälfte dieses Radius, also r_2 = 3,5 x 10^8 m kontrahiert, dann entsteht dabei eine Energie von

ΔE = 3,81 x 10^41 Joule

Mit der derzeitigen Luminosität der Sonne von

L = 3,83 x 10^26 Watt

könnte sie dann immerhin

Δt = ΔE / L = 1 x 10^15 s = 32 x 10^6 Jahre

strahlen bis diese Energie verbraucht ist, und zwar ganz ohne Fusionsenergie!

Im 19. Jahrhundert, also bevor die Leute eine Vorstellung von der Fusion und dem tatsächlichen Alter der Sonne hatten, stellte man sich die Energieerzeugung der Sonne rein mechanisch tatsächlich etwa so vor.
 
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Wenn durch die Paarbildung der "Strahlungsdruck" der Photonen verloren geht bräuchte es dazu einen Mechanismus, welcher wäre das? Reicht dazu die Fusion (auch schwererer Elemente) als Energiequelle aus?
Hallo Jörg, bei der e+e- Paarerzeugung materialisiert sich ja quasi das Photon und ist dann nicht mehr da:

γ X --> e+e- X

wobei die Reaktion an einem beliebigen Atomkern X stattfindet,

Die Reaktion hat eine Schwelle von 1,022 MeV, weil ja mindestens die doppelte Elektronenmasse, also 2 x 0,511 MeV, aufgebracht werden muss. Aus dem Planckschen Strahlungsgesetz kann man das in eine Temperatur von mindestens 4 x 10^9 Kelvin umrechnen.

So wird jedenfalls das Verschwinden von Photonen beim Überschreiten der Energieschwelle erklärt.

Ganz so einfach ist es aber nicht. Der Strahlungsdruck der Photonen ist ja ein Synonym für den kollektiven Impulsübertrag der Photonen auf die umgebende Materie. Die paarerzeugten Elektronen und Positronen treffen ja ihrerseits auf Materie, wobei sie ebenfalls Impulse übertragen, und über Bremsstrahlung sogar neue Photonen auslösen können. Solche Prozesse kennt man sehr gut aus der Teilchenphysik und man kann das auch nach allen Regeln der Kunst simulieren und berechnen.

Inwieweit das in den zitierten theoretischen Arbeiten von 1967, die diese Paarinstabilität zum ersten Mal thematisieren, tatsächlich und korrekt durchgeführt worden ist, kann ich nach flüchtiger Lektüre allerdings noch nicht recht einschätzen.

Gruß, Peter

G. Rakavy & G. Shaviv, ApJ 148, 803 (1967): Instabilities in Highly Evolved Stellar Models

Z. Barkat, G. Rakavy, and N. Sack, PRL 18,379 (1967): Dynamics of Supernova Explosion from Pair Formation

G.S. Fraley: Supernovae Explosions Induced by Pair Production Instability (1967) Caltech Thesis
 
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Hallo!

Tja, könnte man vielleicht denken, ist aber ein kolossaler Trugschluss. Auf makroskopischen Distanzen spielen die starken und die schwachen Wechselwirkungen, welche die Atomkerne zusammenhalten bzw. deren Fusion im Sterninnern auslösen, nämlich gar keine Rolle.

Man höre und staune, aber das weiß sogar ich dummer Ingenieur (*) :)
Hier haben wir es aber nicht mit makroskopischen Distanzen zu tun, sondern mit dem innersten Inneren eines kollabierenden massereichen Sterns. Wo Materie und Energie sich in kurzen Zeiträumen vollständig ineinander umwandeln. Ich bleibe dabei, dass dort die Gravitation bestenfalls eine untergeordnete Rolle spielt!

Viele Grüße
Maximilian

(*) Mein Vater war Physiker in einem Kernforschungszentrum und da wurden Ingenieure bestenfalls als nützliche [zensiert]en geduldet...
 
Hier haben wir es aber nicht mit makroskopischen Distanzen zu tun, sondern mit dem innersten Inneren eines kollabierenden massereichen Sterns. Wo Materie und Energie sich in kurzen Zeiträumen vollständig ineinander umwandeln.
Natürlich finden die elementaren Kernumwandlungen über die schwache Wechselwirkung auf mikroskopischen Distanzen, also in quasi unmittelbarer Berührung der benachbarten Atomkerne statt. Damit da aber überhaupt etwas passiert, sind hohe Bewegungsenergien der Stoßpartner mit einem korrespondierenden Strahlungsdruck, also sehr hohe Temperaturen erforderlich. Ohne den enormen gravitativen Druck, der in einem Stern existiert und der sich erst über dessen gewaltige Dimensionen aufbaut, wäre das alles gar nicht möglich.

Bei einem kollabierenden Stern werden dann in kurzer Zeit die oben bereits beschriebenen Energien aus dem Gravitationspotential freigesetzt. Dabei kann dann je nach Masse ein Weißer Zwerg, ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch dabei herauskommen. Oder wie im hier diskutierten Fall einer Hypernova nur noch Fragmente.

Mein Vater war Physiker in einem Kernforschungszentrum ...
:sonnewolke:
 
Ich bin Ingenieur in einem großen Konzern und da werden Physiker als weltfremde ........ :)
Na ja, lassen wir das. Ich mag trotzdem Physik und auch Physiker.

*entfernt*
 
Hallo!

Ich bin Ingenieur in einem großen Konzern...

Große Konzerne und Forschungseinrichtungen sind was gaaanz anderes. Wenn mein Vater (der aus relativ bescheidenen Verhältnissen kam und wirklich absolut kein arroganter Elfenbeinturmbewohner war) von Studienfreunden gesprochen hat, die in die Industrie gegangen sind - das ist auch vor 50 Jahren schon die große Mehrheit unter den Physikern gewesen - dann tat er das immer mit einer Art Bedauern. Als ob sie sich damit der Chance beraubt hätten, etwas aus sich zu machen. Ein vergeudetes Talent sozusagen. Kernkraftwerke tatsächlich bauen, anstatt Therorien über die Neutronenverteilung in ihrem Inneren aufzustellen. Fast so, als hätte man gleich Ingenieurwesen studiert...

Und zu Peters letzer Antwort: Ja, auch dieses Lehrbuchwissen ist mir geläufig. Aber offenbar hat man jetzt etwas entdeckt, das davon abweicht. Was ich nur begrüßen kann!

Viele Grüße
Maximilian
 
Wahrscheinlich wird man wohl genau durchrechnen müssen, was im Innern supermassiver Sterne passiert. Es hätte aber weitreichende Folgen, ob es sie am Ende ihres Lebens komplett zerreißt oder ob Schwarze Löcher entstehen. Da supermassive Sterne in der ersten Stergeneration reichlich vertreten waren, würde es im Fall ihrer totalen Zerstörung am Lebensende heute weit weniger Schwarze Löcher geben, als im umgekehrten Fall. Im Übrigen, kann nicht auch ein supermassiver Stern ohne Verlust von Materie als Schwarzes Loch enden?
 
Moin,

das wäre eine Frage für einen Physiker - aus dem Bauch heraus und in grober Kenntnis der Mechanismen eher nicht. Der immense Strahlungsausbruch kostet schonmal Masse - e = mc² - zudem rotiert ein Stern, in dem er kollabiert, kleiner wird, beschleunigt sich die Rotation, was zum Abschleudern von Masse führen kann. Zudem die explosiven Prozesse im Inneren - ich denke er wird immer ein gewisses Maß an Masse verlieren.

Die Frage, wie viel, läßt sich denke ich nur beantworten, wenn man die ablaufenden Prozesse näher kennt und daraus ableiten kann, was genau in so einem Teil abläuft, welche Mechanismen den sterbenden Stern kollabieren oder zurückprallen oder explodieren lassen.

CS
Jörg
 
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