Längengradbestimmung durch Zeitvergleich-wieso zwei Uhren nötig?

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Günter_Woehner

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Hallo,

eben habe ich (zum wiederholten male) eine Dokumentation über die Weltumsegelung von James Cook gesehen.
Darin wurde auch kurz auf das Problem der Längengradbestimmung eingegangen.
Die Lösung des Problems bestehe danach im Zeitvergleich zweier(!) Uhren.
Die eine Uhr zeig die wahre Ortszeit auf dem Nullmeridian (Greenwich), die zweite Uhr die wahre Ortszeit am Aufenthaltsort.
Mein Problem liegt jetzt hier bei der zweiten Uhr. Woher will denn die zweite Uhr die wahre Ortszeit am sich ständig ändernden Aufenthaltsort wissen?
Ich bin immer davon ausgegangen, dass man den Zeitunterschied zwischen der wahren Ortszeit von Greenwich mit dem mit dem Sextanten bestimmten Zeitpunkt der Sonne des Durchgangs durch den Südpunkt am Aufenthaltsort verglichen hat. Wenn ich also feststelle, dass der Zeitpunkt der Sonne durch den Südpunkt eine Stunde später ist, als die Zeit, die auf der Greenwich-Uhr den wahren Mittag anzeigt (also ich stelle z. B. fest, dass der Durchgang durch den Südpunkt an meinem Aufenthaltsort um 13 Uhr auf der Greenwich-Uhr ist) so befinde ich mich 15 Grad westlich des Nullmeridians.
Welche Rolle spielt hier die zweite Uhr? Ich erkenne deren Notwendigkeit hier nicht. Wo ist mein Denkfehler?

VG
Günter
 
Hallo Günter!

Nirgends!

Die Lösung des Problems bestehe danach im Zeitvergleich zweier(!) Uhren.
Die eine Uhr zeig die wahre Ortszeit auf dem Nullmeridian (Greenwich), die zweite Uhr die wahre Ortszeit am Aufenthaltsort.
Wenn das in der Doku wirklich so gesagt wurde, ist das schlichtweg falsch.

Es ist so wie du es beschrieben hast: Man nimmt sich eine Uhr mit auf die Seereise, die die Ortszeit von Greenwich anzeigt.

Allerdings kann die Uhr natürlich nur die mittlere Ortszeit - ohne Berücksichtigung der Zeitgleichung - anzeigen. Daher muss man die Zeitgleichung natürlich noch mit berücksichtigen.

Gruß
Wolfgang
 
Wo ist denn hier das Problem? Die Erklärung mit der zweiten Uhr, die auf die lokale Ortszeit kalibriert wird, ist doch völlig äquivalent und wohl eher als mentaler Shortcut für Leute gedacht, die mit der technischen Umsetzung der Ortszeitbestimmung mit Sextant etc. nichts anfangen können.
 
Hallo!
die Erklärung für die 2. Uhr liegt meines Wissens in der Redundanz.
Im wahren Leben schon, denn es wäre fatal gewesen, wenn die Uhr ausfällt. Vom Prinzip her braucht man aber nur eine Uhr. Ansonsten ist es so wie Peter schon schreibt mit zwei Uhren anschaulicher zu erklären. Wobei die Beobachtung der Kulmination eines Gestirns auch eine Art Uhr ist - insofern sind es doch zwei.

Grüße
Maximilian
 
Hallo,

m.W. war früher das Hauptproblem, eine Uhr zu konstruieren, die wirklich lange Zeit genau ging. Also von Reibung, Luftfeuchtigkeit, Druck, Erschütterungen unbeeinträchtigt bleibt. Der schottische Uhrmacher John Harrison hatte im 18. Jahrhundert so eine Uhr erfunden. In dem Buch Längengrad von Dava Sobel ist die Gechichte beschrieben.

Grüße

Andreas
 
Eine Uhr reichte. Sie musste die genaue Uhrzeit des Heimathafens angeben. Der Rest ergab sich daraus.
 
Hallo,

also doch kein Denkfehler meinerseits, danke :y:
In der Dokumentation wurden auch im Bild zwei Uhren gezeigt, die am Beginn der Reise verladen wurden und angeblich dann auf unterschiedliche Uhrzeiten eingestellt werden (eine Greenwich, eine Ortszeit), also nicht wegen Redundanz.
Das wurde dann doch definitiv falsch dargestellt.

VG
Günter
 
Hallo!
In der Dokumentation wurden auch im Bild zwei Uhren gezeigt, die am Beginn der Reise verladen wurden und angeblich dann auf unterschiedliche Uhrzeiten eingestellt werden (eine Greenwich, eine Ortszeit), ...
Das macht es schon einfacher, wenn man zwei Uhren hat. Wenn sich die Ortszeit (streng genommen der Ort der Ortszeit) nicht groß verändert, z.B. weil man langsam unterwegs ist oder in Nord- bzw. Südrichtung segelt, dann ist es viel einfacher eine Uhr abzulesen als auf ein Himmelsereignis wie die Kulmination der Sonne zu warten. Manchmal soll es ja auch Wolken geben. Und wenn man Kurs und Geschwindigkeit und damit die aktuelle Position einigermassen gut abschätzen kann, dann lässt sich die Ortszeituhr auch einfach nachstellen.

Grüße
Maximilian
 
Ist da dann icht doch ein Denkfehler bei?

Die Ortszeit ist wichtig, aber von dem Ort, wo man sich gerade befindet. DAs zeigt keine Uhr an, die man mitgenommen hat.

Und dann ist entweder die genaue Greenwich-Zeit oder die Uhrzeit an dem Ort, von dem man losfuhr.

Anhand beider uhrzeiten kann dann der Längengrad bestimmt werden. Damit hätte eine Uhr gereicht. Die Ortszeit wurde anhand von Sternen, Sonnenstand, Mond, ... bestimmt.

Grüße

Andreas
 
Ist da dann icht doch ein Denkfehler bei?

Die Ortszeit ist wichtig, aber von dem Ort, wo man sich gerade befindet. DAs zeigt keine Uhr an, die man mitgenommen hat.

Und dann ist entweder die genaue Greenwich-Zeit oder die Uhrzeit an dem Ort, von dem man losfuhr.

Anhand beider uhrzeiten kann dann der Längengrad bestimmt werden. Damit hätte eine Uhr gereicht. Die Ortszeit wurde anhand von Sternen, Sonnenstand, Mond, ... bestimmt.
Genau!

Einen zweiten Schiffschronometer, an dem man an alle paar Tage rumfummelt, um diejeweilige Ortszeit einzustellen, machte zu Cooks Zeiten keinen Sinn. Diese Uhren waren viel zu teuer, um sie nur dafür zu benutzen, sich eine simple Addition zu sparen. Wenn man schon zwei Uhren mitnahm, da einzig und allein aus Redundanzgründen.

Gruß
Wolfgang
 
Ich habe das gerade mal nachgelesen:

Auf seiner ersten Weltreise hatte Cook überhaupt keinen Chronometer dabei. Stattdessen hat Cook die geogafische Länge über die Mondparallaxe gemessen. Auf seiner zweiten Weltreise hat er ein Exemplar von Harrisions Modell K1 mitgenommen, eine exakte Kopie von Harrisons legendärem Modell H4.

Die Kosten der K1 lagen bei etwa 30% von denen eines kleinen Schiffes.

Gruß
Wolfgang
 
Es gibt ein m.E. sehr schöner (TV)Film/Mehrteiler zur Längenbestimmung rund um den Uhrmacher Harrison:
Longitude ausm Jahr 2000: Longitude (TV Movie 2000) - IMDb
Historisch solide ohne ausufernde Spekulationen usw..
Lässt sich möglicherweise noch bei den üblichen Verdächtigen finden ...
 
Hallo Uhrenfreunde,
noch eine kleine Sache am Rande: Die Seemacht England hatte einen großen Bedarf an Chronometern für die Seefahrt. Die Preise für diese Geräte waren exorbitant (s.o.). Dann entschloss man sich die Produktion in die damals arme Schweiz mit ihren niedrigen Löhnen zu verlegen. Daraus resultierten heute noch existierende Unternehmen wie IWC (Imperial Watch Company).
CS
Dieter
 
Mit Verlaub, wohl eher Legende? Das I von IWC steht für international ... Und wurde 1868 von einem ähem, Amerikaner gegründet.
 
Hallo!
Mit Verlaub, wohl eher Legende? Das I von IWC steht für international ... Und wurde 1868 von einem ähem, Amerikaner gegründet.
Das ist die Firma in Schaffhausen. Eine Imperial Watch Company gibt es tatsächlich, und zwar in La Chaux de Fonds, die ist aber ebenso wie die IWC in Schaffausen auch erst in den 1870ern gegründet worden, also lange Zeit nachdem Schiffschronometer wirklich teuer waren. Meines wissens nach haben beide IWCs aber Armbanduhren und keine Schiffsuhren gemacht.

Grüße
Maximilian (leider ohne die nötigen Mittel für eine IWC, welche auch immer ;) )
 
Hallo zusammen!

Ich habe nochmal ein bisschen recherchiert.

James Cook hatte auf seiner dritten und letzten Weltreise zwei Chronometer dabei. Jedes der beiden Schiffe, die Discovery und die Resolution, waren mit je einem Chronometer ausgerüstet. Dies war zum einen die schon bewährte K1 und die später angefertigte K3.

Die Messungen wurden von drei astronomisch ausgebildeten Männern durchgeführt:
- James Cook
- William Bayly
- James King

Ich gehe davon aus, dass die drei Männer sich nicht allein auf die Chronometer verlassen haben, sondern auch Mondparallaxe-Messungen zur Kontrolle ausgeführt haben.

Hier nochmal eine Übersicht über die für Cooks Reisen relevanten Chronometer:

H4:
Hersteller: John Harrison (daher der Buchstabe "H")
Die Mutter aller späteren Chronometer
Existierte zwar zur Zeit von Cooks erster Reise bereits, war aber zerlegt. Mangels Alternative ging Cook ohne Chronometer auf die Reise.
Herstelljahr: 1759
erhaltenes Preisgeld nach erfolgreichem Test (Jamaika-Reise): 10.000 Pfund (1765)
Preisgeld, inflationsbereinigt: 2,1 Mio EURO

K1:
Hersteller: Larcum Kendall (daher der Buchstabe "K")
Nachbau der H4
auf Cooks zweiter und dritter Reise verwendet
Herstelljahr: 1769
Preis: 450 Pfund
Preis, inflationsbereinigt: 99.000,- EURO

K3:
Hersteller: Larcum Kendall
Eigenkostruktion von Kendall
auf Cooks dritter Reise verwendet
geringere Genauigkeit als die von K1/H4
Herstelljahr: 1774
Preis: 100 Pfund
Preis, inflationsbereinigt: 18.000,- EURO

Die geringere Genauigkeit der K3 relativiert den Begriff "Redundanz" etwas. Es dürfte auch den drei Männern klar gewesen sein, dass die K1 immer die zuverlässigere Messung lieferte. Wichtig wäre die K3 vor allem dann geworden, wenn die K1 ausgefallen wäre oder wenn sich die beiden Schiffe hätten trennen müssen.

Bei der Inflationsbereinigung ist Vorsicht geboten, da es natürlich stark davon abhängt, welche Güter zu Grunde gelegt werden. Aber die Zahlen sollen ja nur einen Anhaltspunkt geben.

Gruß
Wolfgang

 
Das ganze Thema wird bei Wikipedia in einem Artikel abgehandelt: Längenproblem – Wikipedia
Das Preisgeld für die Lösung des Längengradproblems erhielten Harrison (1765: 10.000 GBP und 1773 weitere 8.750 GBP),
Tobias Meyer posthum für die verbesserte Monddistanzenmethode 3.000 GBP.

Wer's noch nicht gesehen hat, mal nachts auf den ZDF-Dokukanälen drauf achten:
Reihe Terra-X: "Mission X - Entscheidung Längengrad" - 45 min. - 2002 (auch als DVD erhältlich)

Die Schiffe nahmen übrigens "ihre" Ortszeit des Heimathafens mit auf Reise. Dafür gab es in den wichtigen Häfen (u.a. auch hier in Kiel) eine Sternwarte, die für den Zeitdienst zuständig war, der entsprechende Längengrad war genau bestimmt. Jeden Mittag (Ortszeit) fiel auf dem Dach der Sternwarte der sogenannte "Zeitball" zu Mittag, nachdem bspw. die Kriegsschiffe ihre Chronometer verglichen. Parallel dazu ertönte mit Fallen des Zeitballs ein Kanonenschuß, damit man auch in der Stadt wußte, wie spät es war (Mittags- oder Suppenschuß).
Die Sternwarten hatten ebenfalls die Aufgabe, die Schiffs-Chronometer zu überprüfen. Dazu gab es spezielle Chronometerhäuser und Eiskeller.
Es schraubte im Übrigen niemand jeden Tag an den empfindlichen Chronometern herum. Die Abweichungen wurden einfach notiert und entsprechend bei der Positionsbestimmung eingerechnet.
Mit Erfindung des Radios kamen dann die Zeitzeichensender auf (Deutschland ab 1910), die noch heute die Signale für die Funkuhren abstrahlen.
 
Hallo,
Auch wenns nur am Rande das eigentliche Längenproblem betrifft, führte doch der Versuch der Lösung auch zur Entdeckung der Gegenphasensynchronisation durch Huygens. Huygens entwarf ursprünglich zwei (Pendel-)Uhren (wegen der Redundanz) die an einem Balken hingen. Siehe auch
CS
David
 
Ja das Thema ist eine spannende Technik- und Vermessungsgeschichte!
Also ich das Denkmal der Startpunktes für das erste funktionierende Überseekabel (UNESCO Weltkulturerbe) an Irlands Westküste besucht habe,
ist mir das erst so richtig klar geworden. Man konnte damit für die Absendepunkte (nahezu) die Gleichzeitigkeit feststellen und Uhren an beiden Orten synchronisieren! Damit wurde die Qualität der Längengradfeststellung deutlich verbessert und vereinfacht.
Man braucht dann überhaupt keine Uhr mehr mitnehmen und konnte ein relativ hochwertiges Referenzpunktfeld um den Globus aufbauen.

cable2.jpg


VG - Frank.
 
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