Lebensindizien auf der Venus?

Status
Es sind keine weiteren Antworten möglich.

Ehemaliges Mitglied 31195

Hallo,

ich habe gerade das hier gesehen:

Die RAS (Royal Astronomical Society) kündigt gerade an, daß Phosphine in der Venusatmosphäre entdeckt wurden. Diese können angeblich nicht abiologisch erzeugt werden. Sie behaupten nicht Leben gefunden zu haben.
Mal sehen was daraus wird. Ich erinnere mich an die Ankündigungen im Zusammenhang des Marsmeteoriten ALH84001. Schaun mer mal ...

Gruß

*entfernt*
 
Hier noch einige Beiträge zu dem Thema:




Und die Originalarbeiten in Nature Astronomy


und Astrobiology:


Viele Grüße
Mark
 
Zuletzt bearbeitet:
 
Da die RAS nicht unbedingt die Bildzeitung der Wissenschaft ist, darf man gespannt sein, ich denke da wird man mit einiger Energie weitersuchen, wir werden wohl noch mehr davon lesen.

CS
Jörg
 
Hallo,

ja das wird die Venusforschung jetzt wohl etwas befeuern. Aber ich halte es da mit Carl Sagan, der gesagt hat: "Extraordinary claims require extraordinary evidence!" . Bevor wir nicht eine Venusmikrobe unterm Mikroskop sehen, können wir nicht sicher sein, daß diese "Biomarker" nicht das Resultat einer uns unvertrauten Chemie sind. Das gilt ja übrigens auch für die Suche nach Leben ("Biomarkern") auf extrasolaren Planeten. Wir werden da nie sicher sein können, daß das chemische Lebenszeichen in einem Spektrum nicht doch abiotisch ist - es sei denn wir erhalten z.B. gleichzeitig ein Radiosignal, das sinngemäß sagt: "Sorry, wir haben hier gerade einen fahren lassen!".

Gruß

*entfernt*
 
> Bevor wir nicht eine Venusmikrobe unterm Mikroskop sehen, können wir nicht
> sicher sein, daß diese "Biomarker" nicht das Resultat einer uns unvertrauten
> Chemie sind.

Das meine ich aber auch. Schließlich ist die Venusatmosphäre ein gewaltiges Laboratorium mit extremen "Versuchsbedingungen" (Temperatur, Druck, Windgeschwindigkeiten). Wer weiß, ob das auf der Erde so nachgestellt werden kann.

Auf jeden Fall eine spannende naturwissenschaftliche Fragestellung.

Thomas

P.S. Scott Manley hat auch schon ein Video rausgehauen (wie macht der das immer? ?):
 
Zuletzt bearbeitet:
Moin,

das spannende ist, dass man sich in Anwesenheit von so viel Reduktionspartnern in der Atmosphäre auch andere Kreisläufe vorstellen könnte, die zu Phosphin führen, im blauen Forum gibt es dazu auch ein paar Beiträge, das muss man erstmal sicher ausschließen. In den Beiträgen wird ja darauf verwiesen, dass da noch viel Arbeit zu leisten ist. Insofern relativieren die Verfasser ihre "Entdeckung" ja selbst, anders als in parallelen Entdeckungsgeschichten, in denen erstmal jeder Zweifel abgebügelt wurde. In so fern kann man das gelassen abwarten, wenn es die Venusforschung befeuert - gut so. Je mehr wir darüber wissen, um so besser.

CS
Jörg
 
Hallo,
das Autorenkollektiv beschreibt den Sachverhalt im Abschnitt "Dicussion" wissenschaftlich korrekt und mit der nötigen Distanz. Die Ursache für die Phosphan- (nicht Phosphin-) Genese liegt mit höchster Wahrscheinlichkeit in einem bislang unbekannten anorganischen Chemismus. Kein Wunder, das Interesse der Fachwelt an Phosporchemie unter Venusbedingungen dürfte sehr überschaubar sein. Es wäre dem Artikel gut bekommen, wenn ein Peer-Reviewer bei Nature diese wenigen spekulativen Sätze gestrichen hätte. Die populärwissenschaftliche Literatur hätte dann nicht diesen üblichen umsatzförderlichen Unsinn bzgl. extraterristischer Lebensformen daraus extrahiert.
Wie schrieb L. Wittgenstein im Tractatus logico-philosophicus: Worüber man nicht reden kann, darüber mass man schweigen.
CS
Dieter
 
Hallo Dieter,

die Autoren verweisen im Nature Astronomy paper im letzten Abschnitt (PH_3 and hypotheses on Venusian life) auf ihre Arbeit

Clara Sousa-Silva et al., Phosphine as a Biosignature Gas in Exoplanet Atmospheres

(frei zugängliche Preprint-Version: [1910.05224] Phosphine as a Biosignature Gas in Exoplanet Atmospheres)

und die oben zitierte Arbeit

Sara Seager et al., The Venusian Lower Atmosphere Haze as a Depot for Desiccated Microbial Life: A Proposed Life Cycle for Persistence of the Venusian Aerial Biosphere

in Astrobiology.

Viele Grüße
Mark
 
Carl Sagan hat es leider nicht mehr miterlebt....wenn vielleicht nicht Jupiter und so groß diese Geschöpfe, aber vom Prinzip her...!
 
Cool, ich habe die ganze Zeit überlegt wo ich das mit dem Leben in einer Atmosphäre schonmal gelesen/gesehen hatte - Danke für's daran erinnern!

CS
Jörg
 
Du kannst auch auf der Erde 5.000 Meter hinunterbohren und findest Bakterien, die in der petrologischen Hängematte chillen und durchaus lebendig sind... und in der oberen Atmosphäre soll auch etliches herumkrebsen (wenn auch keine Krebse)... ich bin da also optimistisch, dass man Leben findet, wenn man wo herumstochert. Nur reicht mein Stäbchen nicht bis zum Jupiter... ;)

lg
Niki
 
Leben ist zwangsläufig. Meine religiöse Überzeugung ;-)

edit: Nymphomane auch ;-)
 
Hallo allerseits!

Ja, diese Entdeckung (von PH3) war mal wieder zur Abwechslung eine faustdicke Überraschung.

Für die die nicht alles anklicken ganz kurz eine Zusammenfassung:
  1. Mit Hilfe von Radioteleskopen für Millimeterwellen (Maxwell und Alma) wurde Monophosphan (PH3, früher auch Phosphin genannt) in der Hochatmosphäre (so 50-60km hoch) der Venus entdeckt. Dort hat es so um die 30°C und 0,5bar. Die Zuverlässigkeit für die Beobachtung ist als ziemlich hoch einzuschätzen.
  2. Die Menge an PH3 ist nicht gross (20ppb), aber trotzdem viel zu hoch um einfach erklärt zu werden. Weil das Zeugs nicht stabil ist und innerhalb kurzer Zeit (1000 Jahre oder so) abgebaut wäre, muss ein Nachschubmechanismus existieren. Die Autoren schliessen alle (ihnen) bekannte natürliche abiotische Produktionsmechanismen aus.
  3. Bleibt also als Erklärung entweder ein uns bisher unbekannter abiotischer Mechanismus oder eben Biologie. Mit dem bisherigen Erkenntnisstand lässt sich das nicht entscheiden, jegliche Aussage darüber ist also pure Spekulation, Wunschdenken oder Glaubenssache.
Normalerweise betrachtet man Phosphan als "Biomarker", d.h. seine Existenz ist ein starkes Indiz für Vorhandensein von Leben. Aber wie Carl Sagan treffend sagt: "Ausserordentliche Behauptungen verlangen ausserordentliche Beweise!". Es ist hier ein bisschen ähnlich wie mit den Mikrofossilien in dem Marsmeteoriten ALH84001. Unter "normalen" Umständen würde das als Beweis reichen (z.B. wenn es um einen Ort auf der Erde ginge), aber die Umstände sind eben nicht normal. Dies wurde meiner Meinung nach diesesmal im Allgemeinen recht gut kommuniziert.

Was bleibt zu tun?
  1. Die Messung von dem Monophosphan nochmal überprüfen, von der Erde aus.
  2. Eine Raumsonde hinschicken die sich das genauer anschaut!
Zu letzterem ist schon einiges im Busch:
  1. Die japanische Sonde Akatsuki umkreist die Venus seit Dezember 2015. Inwieweit die was beitragen kann weiss ich aber nicht.
  2. DAVINCI, eine Atmosphärensonde, ist im Auswahlprozess des amerikanischen Discovery Programms unter den letzten vier (u.a. zusammen mit dem Venus-Orbiter VERITAS, der allerdings die Oberfläche und nicht so sehr die Atmosphäre untersuchen soll). Wenn ausgewählt, dann könnte DAVINCI im Jahr 2026 starten und um den Jahreswechsel 2026/2027 ankommen.
  3. Peter Beck (das ist der Elon Musk von Rocketlab, die mit der Elektron Rakete die von Neuseeland aus startet) ist offenbar Venus-Fan und hat schon länger die Idee einer Venussonde in Planung. Die wäre zwar "nur" recht klein und leicht (3kg Instrumente??), aber könnte (soll!) schon 2023 fliegen.
  4. Die europäisch/japanische Raumsonde BepiColombo ist zwar eigentlich auf dem Weg zum Merkur, aber dabei kommt sie zweimal an der Venus vorbei. Das erste mal bereits am 12. Oktober, also in weniger als vier Wochen! Die Beobachtungsplanung dafür wird natürlich nicht mehr umgeschmissen, aber vielleicht gibt es ja trotzdem aufschlussreiche Resultate. Wenn nicht, der zweite Vorbeiflug ist dann in weniger als einem Jahr, am 11. August 2021. Da wird sicherlich eine entsprechende Messkampagne zusammengestellt.
Schon vor längerem hatte ich mir das Buch "Venus Revealed" von David Grinspoon gekauft, aber bisher nie gelesen. Das hat sich natürlich geändert in den letzten Tagen (ich habe gerade Urlaub :)), und obwohl das Buch schon recht alt ist (von 1997), ist es trotzdem recht aufschlussreich zu lesen, was man so alles über die Venus weiss, und warum, und was nicht (hat sich ja nicht so sehr viel geändert seit damals). Unter anderem gibt es in der Hochatmosphäre eine "geheimnisvolle Substanz", die einen erheblichen Teil des Sonnenlichts insbesondere im nahen UV absorbiert, und die nicht gleichmässig sondern "patchy" verteilt ist, und auf den UV Bildern die Strukturen ausmacht. Von der man aber keine Ahnung hat aus was sie besteht. Manche Amateure (so viel ich weiss) haben das sogar schon von der Erde aus fotografiert.

Es wäre schon mehr als Ironie, wenn sich dieses Material als Lebewesen herausstellen würde. Wir suchen mit den ausgefeiltesten Methoden nach Leben in den hintersten Winkeln des Universums, und merken nicht dass wir es praktisch direkt vor der Nase haben. Aber ok, bisher pure Spekulation. In einigen wenigen Jahren denke ich wissen wir mehr.

Sonnige Grüsse vom MittelMeerDobservatorio
Thorsten
 
Moin,

es hat sich ja eine intensive Diskussion in verschiedenen Druckwerken entwickelt, wie man das bewertet mit dem Phosphan - immerhin scheint sich die Stichhaltigkeit der Messung insgesamt zu verbessern, wenn es mit der damaligen Technik der Pioneer-Venus 1978 messbar war muss es schon ausreichend präsent gewesen sein, insofern der Punkt für die Existenz des Spurengases.

Den Hype um die Ausgangspublikation - die zudem viel viel vorsichtiger formuliert war - zeigt wie stark der Wettbewerb um die reißerischste Deutung und die fetteste Schlagzeile ist, wie Okke schrieb, ich denke erst mit den nächsten Sonden die das Phänomen mit heutiger Feinheit messen und vielleicht kartieren können, wird man mehr wissen.

Je nach dem wie sich das Gas über den Planeten verteilt, wird man auch eher beurteilen können, ob es sich um eher lokale Gegebenheiten handelt, die vielleicht auf "Populationen" von irgendwelchen bioaktiven Komplexen schließen ließe oder ein insgesamt in der Atmosphäre vorhandenes Spurengas, das auf Prozesse innerhalb der Gasmischung hindeutet.

CS
Jörg
 
Je nach dem wie sich das Gas über den Planeten verteilt, wird man auch eher beurteilen können, ob es sich um eher lokale Gegebenheiten handelt, die vielleicht auf "Populationen" von irgendwelchen bioaktiven Komplexen schließen ließe oder ein insgesamt in der Atmosphäre vorhandenes Spurengas, das auf Prozesse innerhalb der Gasmischung hindeutet.
Eine lokale Begrenzung kann man sich bei der starken zonalen Zirkulation der Venus Atmosphäre nur schwer vorstellen, allenfalls eine Abhängigkeit von der geografischen Breite, welche sich tatsächlich auch in der gemessenen Konzentration von Phosphan zeigt:

The phosphine was detected at heights of at least 30 miles above the surface of Venus, and was detected primarily at mid-latitudes with none detected at the poles of Venus.

Die Atmosphäre der Venus umrundet den Planeten einmal in vier Erdtagen, obwohl der Planet dafür 243 Erdtage benötigt: atmospheric super-rotation
 
Zuletzt bearbeitet:
Jetzt wird nicht nur die Bedeutung des PH3-Signals in der Venusatmosphäre debattiert, sondern sogar die Signifikanz des berichteten Signals in Zweifel gezogen:

Re-analysis of the 267-GHz ALMA observations of Venus -
No statistically significant detection of phosphine


ALMA observations of Venus at 267 GHz have been presented in the literature that show the apparent presence of phosphine (PH3) in its atmosphere. Phosphine has currently no evident production routes on the planet’s surface or in its atmosphere. The aim of this work is to assess the statistical reliability of the line detection by independent re-analysis of the ALMA data.

We find that the 12th-order polynomial fit to the spectral passband utilised in the published study leads to spurious results. Following their recipe, five other >10σ lines can be produced in absorption or emission within 60 km s−1 from the PH3 1-0 transition frequency by suppressing the surrounding noise. Our independent analysis shows a feature near the PH3 frequency at a ∼2σ level, below the common threshold for statistical significance. Since the spectral data have a non-Gaussian distribution, we consider a feature at such level as statistically unreliable that cannot be linked to a false positive probability.

Conclusions. We find that the published 267-GHz ALMA data provide no statistical evidence for phosphine in the atmosphere of Venus.
 
  • Like
Reaktion: ThN
Aha, doch wieder die Story von ALH84001. Jetzt gibt es sicher wieder ein paar Paper die sagen "Nee ist doch!" und dann welche die darauf antworten "Nee ist doch nicht!". Am Ende sind wir venuslebensmäßig so schlau wie zuvor. Wie vermutet werden wir erst sicher sein, wenn wir die Viecher im Mikroskop sehen und sie sich in der Petrischale vermehren.

Gruß

*entfernt*
 
Soweit ich das mitbekommen habe, wollen die ALMA Leute ihre Daten erst nochmal supergenau überprüfen bevor irgendwas bestätigt oder ausgeschlossen wird.
D.h. Status im Moment: "pending"...

> "We find that the 12th-order polynomial fit ..."
Hm, manchmal erwische ich mich auch dabei, zum Wissenschaftszweifler zu werden. Nicht dass ich an der Wissenschaft oder ihrer Methodik zweifle, aber doch immer mal wieder an der Art und Weise wie sie (übertrieben) angewandt wird. Ein Fit mit einem Polynom 12.(!!!) Grades... o_O Das kann doch nicht gut gehen (viel zu viele Schummelfaktoren verfügbar!). Alles was über 3. Grades hinausgeht ist mir schon zutiefst suspekt.

Gruss
Thorsten
 
Jetzt gibt es sicher wieder ein paar Paper die sagen "Nee ist doch!" und dann welche die darauf antworten "Nee ist doch nicht!"

Scheint der Menschheit systemimmanent zu sein. Stelle etwas zur Debatte, für das es keinen gaaaaanz offensichtlichen Beweis gibt, und prompt sind 50% dafür und 50% dagegen. Offenbar muss das so sein... Deshalb sagt man bei Wahlen ja bei 52% zu 48% bereits, es sei ein "Erdrutschsieg". _affeaugen:

Nein, Leben auf der Venus gilt nur, wenn die herfliegen, landen und ihre GPS-Track-Daten vom iPhone offenlegen. Alles andere sind Fake-News. (So wie die vom Mars, auf dem es angeblich KEIN Leben gibt... obwohl die Nasa dauernd anderslautende Messwerte bekommt). :alien:

lg
Niki
 
Wer es genauer wissen will: Wir diskutierten die Sinnhaftigkeit eines Polynoms gerade im Radioastronomiebereich, da kann man sich ein Beispiel anschauen, falls harte Zahlen statt Spekulation interessieren:


In einem Differenzsignal ist das Rauschen beider Messungen enthalten. Unter Benutzung eines Polynoms wird das SNR besser, weil das "Dunkelsignal" kaum noch rauscht. Man arbeitet halt immer an der Grenze des Möglichen.

Michael
 
Soweit ich das mitbekommen habe, wollen die ALMA Leute ihre Daten erst nochmal supergenau überprüfen bevor irgendwas bestätigt oder ausgeschlossen wird.
D.h. Status im Moment: "pending"...

> "We find that the 12th-order polynomial fit ..."
Hm, manchmal erwische ich mich auch dabei, zum Wissenschaftszweifler zu werden. Nicht dass ich an der Wissenschaft oder ihrer Methodik zweifle, aber doch immer mal wieder an der Art und Weise wie sie (übertrieben) angewandt wird. Ein Fit mit einem Polynom 12.(!!!) Grades... o_O Das kann doch nicht gut gehen (viel zu viele Schummelfaktoren verfügbar!). Alles was über 3. Grades hinausgeht ist mir schon zutiefst suspekt.

Gruss
Thorsten


Moin,

suspekt vielleicht nicht, aber die Begründung jedes einzelnen Koeffizienten muss extrem transparent und nachvollziehbar sein, damit nicht der Eindruck aufkommt, man hätte sich dahingerechnet wohin man wollte. Siehe auch der Thread in der Radioastronomie - ganz ohne sich da angreibar zu machen ist das nicht. Ich bin mal gespannt wie die Nachprüfung ausgeht. Immerhin war man in der Ausgangspublikation schon sehr vorsichtig in der Formulierung.

CS
Jörg
 
Status
Es sind keine weiteren Antworten möglich.
Oben