Neutrinomasse

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P_E_T_E_R

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Eigentlich fast unglaublich, dass wir immer noch nicht wissen, wie groß die Masse der Neutrinos ist.

1930 von Wolfgang Pauli zur Erklärung des Betazerfalls postuliert, 1956 von Cowan und Reines erstmals experimentell nachgewiesen, beschäftigt sich die Physik und Astrophysik nun schon ein dreiviertel Jahrhundert mit diesen mysteriösen Teilchen und versteht immer noch längst nicht alles. Inzwischen kennt man drei verschiedene Generationen von Neutrinos, welche dem Elektron, dem Myon, und dem Tauon zugeordnet sind. Die Masse der Neutrinos wurde lange Zeit zu null angenommen, inzwischen weiß man, dass sie eine, wenn auch sehr geringe, von Null verschiedene Masse haben müssen. Man konnte aber bislang immer nur ständig kleiner werdende Obergrenzen messen.

Die Beobachtung von Neutrinos von der Supernova SN 1987A in guter zeitlicher Übereinstimmung mit dem Eintreffen von optischen Signalen fixierte eine Obergrenze von 16 eV für die Masse der Neutrinos.

Die Standardmethode zur Messung der Neutrinomasse im Labor beruht auf einer genauen kinematischen Analyse eben jenes Betazerfalls, welcher ja die Existenz eines solchen Teilchens erfordert. Insbesondere untersucht man dabei den Betazerfall von Tritium, dem schweren Wasserstoffisotop, dessen Kern neben dem Proton noch zwei Neutronen enthält:

3H -> 3He + e- + ν

Die Masse des Helium-Isotops 3He ist geringfügig kleiner als die des ursprünglichen Wasserstoff-Isotops 3H. Die überschüssige Energie entsprechend diesem Massendefizit verteilt sich dann in Form von Bewegungsenergie auf die Reaktionsprodukte. Aus der genauen Messung der maximalen Energie des Zerfallselektrons, der sog. Endenergie des Betaspektrums, lässt sich dann im Prinzip die Masse des Neurinos bestimmen.

Soweit zum Prinzip. In der Praxis ist das aber alles andere als einfach, zumal die Ereignisrate mit zunehmender Annäherung an die Endenergie abnimmt und außerdem eine Vielzahl von systematischen Effekten die Interpretation der Messergebnisse erschwert. So haben sich denn im Verlauf eines halben Jahrhunderts schon unzählige Experimentiergruppen bislang vergeblich bemüht, eine von null verschiedene Neutrinomasse zu finden. Hin und wieder gab es Berichte von solchen vermeintlich positiven Resultaten, die dann aber von anderen noch genaueren Experimenten widerlegt wurden. Bis zum jetzigen Zeitpunkt gibt es nur eine obere Grenze von 2 eV für die Masse des Elektron-Neutrinos.

Hier sind ein paar Links zur jüngeren Geschichte dieser Experimente:

Direct Neutrino Mass Search

Current Direct Neutrino Mass Experiments

Troitsk nu-mass II experiment

Das Mainzer Neutrinomassenexperiment

KATRIN

Das Karlsruhe Tritium Neutrino Experiment (KATRIN) ist nun die neueste Evolutionsstufe dieser langen Serie von Anstrengungen zur direkten Messung der Neutrinomasse. Man hofft damit, die Empfindlichkeit der früheren gleichartigen Experimente in Mainz und Troizk nochmal um eine Größenordnung auf 0,2 eV steigern zu können.

Experiment to weigh 'ghost particles' starts in Germany

Scientists in Germany have flipped the switch on a 60 million euro machine designed to help determine the mass of the universe's lightest particle.

The Karlsruhe Tritium Neutrino experiment, or KATRIN, began tests Friday and is expected to begin making actual measurements next year.

Physicists at the Karlsruhe Institute of Technology hope the 200-metric-ton device will narrow down or even pinpoint the actual mass of neutrinos.

 
Hallo Peter,

meine These:

Die Masse der Neutrinos wird schwer zu bestimmen sein, da es sich vermutlich um Basispartikel oder Akkumulationen von Basispartikeln handelt, aus denen die wechselwirkende Materie wie Neutronen, Protonen, Elektronen und Photonen aufgebaut ist. Bei der Bildung von Neutronen, die zumindest im Urknall ablief, muss die Materie aus irgendetwas entstanden sein. Die freien Neutronen zerfallen dann, vermutlich wegen einer unflexiblen Nahfeldwirkung, in Protonen und Elektronen, die ihre Orbitale über Zwischenteilchen (Elektronen) auffüllen.
Nur eine Vermutung. Aber bekannt ist, dass Neutronen nur in bestimmten Anordnungen in Kombination mit Protonen stabil sind.
Bei Kernreaktionen wie der Fusion oder der Spaltung müssen die Protonen und Neutronen eine neue Ordnung annehmen. Dabei muss eine stabile „Geometrie“ entstehen oder eingehalten werden, was automatisch die Emission von Heliumkernen, Elektronen oder Gammaquanten auslöst. Die Ursache dafür ist vermutlich ein bisher unbekanntes Nahfeld der Kernbausteine.
Die Gammaquanten haben die kleinste Masse (die in Energie umgesetzt wird) und sind als elektromagnetische Strahlung vergleichbar mit Licht, nur wesentlich energiereicher. Ich würde sie mit Photonen gleichsetzen.
Werden bei einer Kernumwandlung stabile Konfigurationen nur über die geometrische Anordnung der jeweils dafür geeigneten Teilchen (Protonen, Neutronen und Elektronen) erreicht, kann es sein, dass die „Rechnung“ nicht aufgeht und ein Teil der Materie nicht in eine stabile (d.h. nicht mögliche) Konfiguration passt. Diese könnte dann als nicht-wechselwirkende Materie auftreten, die Neutrinos.
Ich sehe einen Zusammenhang mit den Basispartikeln, die seit dem Urknall nicht nur die Materie aufbauen, sondern auch mit der Übertragung der Feldeigenschaften der Gravitation zusammenhängen können.
Das Gravitationsfeld ist wie ein radialsymmetrisches Strahlungsfeld: Der Effekt ist umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstands und proportional zur Masse. Es ist lediglich bei überschaubaren Massen sehr schwach, die Reichweite aber unbegrenzt.
Falls die Gravitation mit Teilchen zusammenhängt, die sich zwischen zwei Massen bewegen, könnten die Neutrinos höchstens die Kräfte übertragen, falls sie den erforderlichen „Zerfall“ aufweisen, aber wären als Teil des Feldmaterials nicht selber als Masse feststellbar oder definiert. Nur bei größeren Ansammlungen, falls diese stattfinden können, könnten sie selber die Gravitation ankurbeln und dann als Masse auftreten bzw. als Materie wechselwirken.
Nach dieser These müssten die Kernbausteine den Partikelstrom in Gang setzen. Photonen könnten einen Zwischenstatus haben, der sie nicht direkt als Masse wechselwirken lässt, sondern mit dem Strom in eine Richtung bringt, wobei sie aber groß genug sind, um beim Auftreffen auf „Materie“ ihren Impuls zu übertragen. Dabei wäre auch das Gravitationsfeld ein beeinflussender Parameter für quantenphysikalische Vorgänge.
 
Was willst du mit "deiner These" bezwecken?

"wegen einer unflexiblen Nahfeldwirkung, in Protonen und Elektronen, die ihre Orbitale über Zwischenteilchen (Elektronen) auffüllen."

Meinst du damit Atome? Die sind schon länger bekannt...

"Die Gammaquanten haben die kleinste Masse " Gammastrahlung besteht aus Photonen, diese haben keine Masse...

Bitte studiere erstmal Physik, dann stelle "deine These" auf eine solide naturwissenschaftliche Basis, dann erst mach es Sinn darüber zu diskutieren.
 
Nun gibt es erste Ergebnisse von KATRIN, allerdings weiterhin wie bei allen vorherigen Experimenten, wenn auch leicht verbessert, nur eine obere Grenze für die Masse des Elektron-Neutrinos. Diese neue Obergrenze liegt jetzt bei 1,1 Elektronenvolt, bei einem Konfidenzlevel von 90%. Zum Vergleich: die Masse des Elektrons beträgt 0,510 999 MeV oder 510 999 Elektronenvolt:

An improved upper limit on the neutrino mass from a direct kinematic method by KATRIN

We report on the neutrino mass measurement result from the first four-week science run of the Karlsruhe Tritium Neutrino experiment KATRIN in spring 2019. Beta-decay electrons from a highpurity gaseous molecular tritium source are energy analyzed by a high-resolution MAC-E filter. A fit of the integrated electron spectrum over a narrow interval around the kinematic endpoint at 18.57 keV gives an effective neutrino mass square value of (−1.0 + 0.9/− 1.1 ) eV² . From this we derive an upper limit of 1.1 eV (90% confidence level) on the absolute mass scale of neutrinos. This value coincides with the KATRIN sensitivity. It improves upon previous mass limits from kinematic measurements by almost a factor of two and provides model-independent input to cosmological studies of structure formation.

Spiegel
 
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Hallo,

cool, jetzt müsste man ja nur noch eine Unterschranke finden... Da ich die Neutrino Forschung seit rund 20 Jahren nicht mehr aktiv verfolge zwei Fragen: Ist die Neutrino Oszillation nach wie vor der einzige Beleg für deren Masse? Damals war es noch nicht 100% klar ob die nur schwach wechselwirkenden Teilchen Ruhmasse besitzen. Es hieß aber dass sie im Standardmodell masselos angenommen (oder vorhergesagt, ich weiß es nicht mehr) werden. Konnte ein massebehaftetes Neutrino eigentlich ins Standardmodell 'eingearbeitet' werden?

VG Klaus
 
Hallo,
es gibt Erweiterungen fürs Standardmodell, damit "können" Neutrinos massebehaftet sein. Auch über die Anisotropie der Hintergrundstrahlung kann man eine Obergrenze der Masse bestimmen (ist aber nur ein indirekter Hinweis)
 
cool, jetzt müsste man ja nur noch eine Unterschranke finden ...

Untere Massengrenzen ergeben sich aus der Oszillationsexperimenten. Wenn wir die drei Masseneigenzuständen mit m_1, m_2 und m_3 bezeichnen, dann misst man die Differenz der Massenquadrate Delta m²_12 = Delta [(m_2)² - (m_1)²], bzw. Delta m²_23 = Delta [(m_3)² - (m_2)²], und Delta m²_13 = Delta [(m_3)² - (m_1)²].

Mit

Delta m²_12 ~ 0,00 00 79 eV²

und

Delta m²_23 ~ Delta m²_13 ~ 0,00 27 eV²

bekommt man so untere Grenzen von 0,009 eV und 0,05 eV für die Neutrinomassen.

Allmählich kommt man also in einen interessaten Bereich, wo man mit direkten Massenbestimmungen wie beim KATRIN Experiment vielleicht nicht mehr nur obere Grenzen, sondern einen Wert für die Masse selbst findet. Nach einer initialen Messzeit von vier Wochen hat KATRIN einen Messfehler von 1 eV erreicht.

Wenn dieser Fehler rein statistisch wäre, müsste man vierhundert Wochen oder acht Jahre messen, um den Fehler auf 0,1 eV zu reduzieren. Aber so einfach ist das nicht, denn die systematischen Fehler verschwinden leider nicht mit zunehmender Messzeit ...
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein weiteres Experimentierfeld mit potentiellem Bezug zur Masse der Neutrinos, auf dem nun schon seit Jahrzehnten große Anstrengungen gemacht werden, ist Eingeweihten unter dem Namen

Neutrinoloser Doppel-Betazerfall

bekannt. Dabei mutiert nicht nur ein einzelnes Neutron per Betazerfall in ein Proton, sondern simultan gleich zwei davon. Der doppelte Beta-Zerfall mit begleitender doppelter Neutrinoemission ist bereits extrem selten, wurde aber u.a. an 76Ge, 78Kr, 136Xe beobachtet und hat eine typische Halbwertszeit von 10^20 bis 10^25 Jahren.

Ob ein Doppel-Betazerfall ohne Emission von Neutrinos theoretisch überhaupt stattfinden kann, ist unklar. Experimentell wurden bisweilen positive Ergebnisse berichtet, in einem Fall sogar mit einer statistischen Signifikanz von angeblich 6,4 sigma, aber das Ergebnis konnte von anderen Experimenten nicht reproduziert werden und ist deshalb nicht glaubwürdig.

Bislang hat man solch einen neutrinolosen Beta-Zerfall also noch nicht zuverlässig und reproduzierbar nachweisen können. Untere Grenzen für die Halbwertszeit liegen mittlerweile bereits oberhalb von 10^25 Jahren! Die Experimente sind extrem schwierig und aufwändig. Zur Abschirmung und Reduzierung von störendem Untergrund müssen sie tief unter die Erde in Bergwerkstollen. Die Auswahl von besonders strahlungsarmen Materialien für den Detektor und die umgebende Infrastruktur ist extrem kritisch ...

Wenn solch ein Zerfall zuverlässig nachgewiesen werden könnte, hätte das immerhin weitreichende physikalische Implikationen:
  • nicht erlaubt im Rahmen des Standardmodells der Teilchenphysik, erfordert also neue Physik
  • Leptonenzahl ist nicht erhalten
  • das beim Zerfall emittierte und sogleich wieder absorbierte virtuelle Neutrino wäre dann sein eigenes Anti-Teilchen, ein sog. Majorana-Neutrino und es müsste eine von null verschiedene Masse haben
Ob die Anstrengungen zum Nachweis dieses ultra-exotischen Zerfalls jemals Erfolg haben werden, steht in den Sternen. Gerade erst wurde ein weiteres Messergebnis bekannt gegeben:

Search for Neutrinoless Double-Beta Decay with the Complete EXO-200 Dataset
 
Nach zehnjähriger Betriebszeit vom Germanium Detector Array (GERDA) wurden jetzt die finalen Ergebnisse für die Suche nach dem Neutrinolosen Doppel-Betazerfall (siehe Post #10 oben) veröffentlicht:

Final Results of GERDA on the Search for Neutrinoless Double-β Decay

The GERmanium Detector Array (GERDA) experiment searched for the lepton-number-violating neutrinoless double-β (0νββ) decay of 76Ge, whose discovery would have far-reaching implications in cosmology and particle physics ... When combined with the result of Phase I, no signal is observed after 127.2 kg yr of total exposure. A limit on the half-life of 0νββ decay in 76Ge is set at T_1/2 > 1.8 × 10^26 yr at 90% C.L., which coincides with the sensitivity assuming no signal.

Also, kurz und knapp: es wurden immer noch keine der gesuchten Ereignisse gefunden, was nunmehr auf eine Halbwertszeit dieses hypothetischen Zerfallskanals von mehr als 1,8 x 10^26 Jahren hinausläuft.

Search for Neutrinoless Double-Beta Decay Wraps Up

The Hunt for No Neutrinos

Ende der Geschichte? Keineswegs - hier kommt

LEGEND: The Large Enriched Germanium Experiment for Neutrinoless Double-Beta Decay
 
KATRIN, das Karlsruhe Tritium Neutrino Experiment, hat jetzt nach seinem zweiten Messlauf die experimentelle Obergrenze für die Neutrinomasse nochmal gesenkt. Genauer gesagt handelt es sich um das Elektron-Antineutrino aus dem Beta-Zerfall von Tritium:

3H -> 3He + e- + ν

Die Obergrenze der Neutrinomasse wurde jetzt mit 90% CL auf 0,8 eV abgesenkt:

Direct neutrino-mass measurement with sub-electronvolt sensitivity

In this experiment, m_ν is probed via a high-precision measurement of the tritium β-decay spectrum close to its endpoint. This method is independent of any cosmological model and does not rely on assumptions whether the neutrino is a Dirac or Majorana particle. By increasing the source activity and reducing the background with respect to the first physics campaign, we reached a sensitivity on m_ν of 0.7 eV/c² at a 90% confidence level (CL). The best fit to the spectral data yields (m_ν)² = (0.26 ± 0.34) eV²/c^4, resulting in an upper limit of m_ν< 0.9 eV/c² at 90% CL. By combining this result with the first neutrino-mass campaign, we find an upper limit of m_ν< 0.8 eV/c² at 90% CL.

Da man aus Neutrino-Oszillationsexperimenten auf Massenuntergrenzen im Bereich von 0,01 bis 0,05 eV schließt, kommt man so einer Fixierung der Neutrinomasse immer näher.

Neutrinos are lighter than 0.8 electronvolts: Experiment limits neutrino mass with unprecedented precision
 
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