Newtons Principia

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P_E_T_E_R

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Berühmte Bücher der Naturwissenschaft wie De revolutionibus orbium coelestium von Copernicus oder Philosophiæ Naturalis Principia Mathematica von Newton stehen ja nicht gerade im Ruf heiß begehrter Lektüre. Zu ersterem schrieb der Harvard Emeritus for Astronomy & History of Science eine Monographie mit dem süffisanten Titel: The Book nobody read, und zu letzterem kolportiert D.T. Whiteside von der Universität Cambridge:

As Newton passed unseeingly by in the street at Cambridge, a nameless undergraduate had remarked sotto voce: "There goes the man that writ a book that neither he nor anybody else understands".

Und Dr. William Derham, ein enger Freund Newtons in seinen letzten Jahren, berichtete, dass "Sr Is[aac] ... abhorred all Contests ... And for this reason, mainly to avoid being baited by little Smatterers in Mathematicks, he told me, he designedly made his Principia abstruse; but yet so as to be understood by able Mathematicians, who he imagined, by comprehending his Demonstrations, would concurr with him in his Theory".

Es entspricht diesem Vorurteil, dass ein Zensus von 1953 gerade mal weltweit 189 Kopien der Erstausgabe dieses kolossalen Werkes identifizieren konnte. Um so überraschender ist deshalb das Ergebnis einer neuen Recherche, die nahezu 200 weitere bislang unerwähnte Kopien finden konnte, was die Gesamtzahl nun auf 386 bringt. Und die Hoffnung besteht, dass es noch mehr sein könnten:

A preliminary census of copies of the first edition of Newton’s Principia (1687)

So listete der Zensus von 1953 gerade mal drei Kopien für Deutschland, im neuen Zensus werden jetzt 20 Exemplare aufgeführt. Erstausgaben bringen auf dem schwarzen Markt und bei Auktionshäusern wie Christie's und Sothby's zwischen $300.000 und $3.000.000. Die Autoren des neuen Zensus schätzen, dass weltweit insgesamt zwischen 600 und 750 Kopien existieren.

Mal abgesehen von dem antiquarischen Aspekt vermittelt diese Untersuchung aber auch viele interessante Einblicke, wie die Principia in Fachkreisen gewirkt hat, nicht zuletzt vermittels der handschriftlichen Notizen und Anmerkungen der prominenten Erstbesitzer.

Prinicipia-title.png

Credit: Wikipedia
 
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Danke, Peter!

Irgendwie hat sich ja nicht viel geändert in den letzten 400 Jahren: Newton hat einigen Spott ertragen müssen als jemand, der angeblich sein eigenes Buch nicht versteht. Typischer Fall von Projektion: Ich verstehe es nicht, dann ja wohl der Autor ebenfalls nicht - kann ja nicht sein, dass ich einfach zu dumm bin :cool: . Heute wird gern über die Stringtheorie gelästert und den Stringtheoretikern vorgeworfen, ihr Arbeitsgebiet angeblich selber nicht zu verstehen. Newton war ein herausragender Mathematiker und Physiker - eine Didaktik, die es erlaubte, seine Erkenntnisse an weniger begabte Forscher zu vermitteln, musste erst noch entworfen werden.

Aus der Anzahl der Exemplare eines Buches auf dessen Einfluss zu schließen, halte ich ohnehin für gewagt. Newton's Principia hat nicht weniger als ein neues Weltbild entworfen, das sich anschließend auch ohne große Verzögerungen durchgesetzt hat. Eine Generation nach Newton war die Himmelsmechanik ein voll etabliertes Gebiet, das von Forschern in ganz Europa vorangetrieben wurde. Es reichte somit völlig aus, dass ein paar Dutzend Leute Newtons Principia gelesen und verstanden haben, um dessen Ideen dann an den Universitäten zu verbreiten.

Nicht zuletzt gab es vielleicht noch viel mehr Kopien dieses Buches - 400 Jahre sind eine lange Zeit, und es gab genug Kriege und andere Krisen, in denen solche Bücher verloren gehen konnten.

Viele Grüße,
Hoger
 
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