Hallo Papermoon,
das Prinzip des Sonnenseglers funktioniert tatsächlich, bisher wurde es aber nur in Form eines Pilotprojektes zur Lageregelung verwendet (an der Marssonde MARINER 9, soweit ich weiß). Der Impulsübertrag von den Photonen der Sonne auf das Segel kann je nach Segelstellung zum Beschleunigen (Spiralbahn von der Sonne weg) oder auch zum Abbremsen verwendet werden.
Die Beschleunigungen, die mit so einem Segel möglich sind, liegen im Bereich mm/s^2, nur einigen zehntausendstel der Erdbeschleunigung. Anders als bei einer chemischen Rakete ist aber nicht schon nach wenigen Minuten Brennschluß, sondern der Segler kann über einen längeren Zeitraum beschleunigen. Ein Flug zu Mars, Venus oder Merkur ließe sich damit prinzipiell verkürzen, mit Merkur als Ziel wäre (z.B. bei einer Forschungssonde) eine erheblich größere Nutzlast (d.h. Meßinstrumente) möglich.
Einen "Luftwiderstand" gibt es im All schon: interplanetarische Teilchen nämlich. Da mit zunehmendem Abstand von der Sonne weniger Photonen das Segel treffen (also weniger Impulsübertrag, d.h. weniger Schub), dürfte die Beschleunigung im äußeren Sonnensystem gegen null gehen.
Weiterhin durchlöchern Partikel das Segel nach und nach, UV-Strahlung setzt dem Kunststoffteil ebenfalls zu.
H.O. Ruppe beschreibt das Ganze in seinem Buch "Raumfahrt" (erschienen im ECON-Verlag) recht anschaulich. Der Abschnitt über Sonnensegler steht im zweiten Band. Die Kunststoff-Technik dürfte heute aber nicht mehr ganz so enge Grenzen setzen wie beim Erscheinen dieses Buchs (ich hatte seinerzeit eine Ausgabe von 1982 zur Verfügung).
Laut Aussagen von U3P kann ein Sonnensegler das Sonnensystem dennoch verlassen: Demnach soll er sich so stark abbremsen lassen, daß er einen nahen Sonnen-Vorbeiflug ausführt (ähnlich einem Kometen). Vermutlich wird man die Sonde auf etwa 1 AE Sonnenabstand stark abbremsen, das (erste) Segel abwerfen, die Sonde an der Sonne vorbeifallen lassen und unmittelbar nach der Sonnenpassage mit einem zweiten, dann zu entfaltenden Segel die Beschleunigung beginnen. Anschließend kann mit "Swing-by"-Manövern an Planeten weiterbeschleunigt werden. Das Sonnensegel wird hier also zunächst also als "Bremse" genutzt.
In den 1990er Jahren gab es ein Projekt namens "Columbus 500 Space Sail Cup". Das war sowas wie eine Segelregatta zum Mond. Sieger sollte die Gruppe sein, deren Sonde als erste ein Photo von der Mond-Rückseite zur Erde funkt. Verwirklicht wurde das jedoch nicht.
Auch YANKEE-CLIPPER (Sonnensegler zum Kometen Halley, projektiert für 1986), NIÑA (NASA-Sonnensegler zum Mars), REGATA-A / REGATA-P (Sonnensegler zu Asteroiden bzw. Kometen) aus GUSland, ORTOSS (ORbitaler TOrus-SonnenSegler) aus Deutschland und weitere wurden (bisher?) nicht verwirklicht. In GUSland wurde ein "in situ"-Entfaltungsversuch für ein rotierendes Sonnensegel durchgeführt. Startort war die Raumstation MIR.
Gruß
Utz.
Astrostation
RUPERT
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:wq!