holger_merlitz
Mitglied
In den vergangenen Tagen kam es einige Male zu Unstimmigkeiten, was die Bedeutung von Singularitäten in Physik und Mathematik anbetrifft, so dass ein paar klärende Sätze hier vielleicht hilfreich sind.
Eine Singularität ist ein Ort, an dem eine Funktion oder eine physikalische Größe einen unendlichen Wert annimmt. Singularitäten sind sowohl in Mathematik als auch Physik alltägliche Phänomene und der Umgang mit ihnen natürlich auch kein Hexenwerk.
In der Mathematik unterscheidet man zwischen hebbaren Singularitäten, Polstellen k-ter Ordnung und wesentlichen Singularitäten. Selbstverständlich sind all diese Singularitäten wohl definiert und für den Umgang damit gibt es zahllose Regeln und Maßnahmen. In der Funktionentheorie lernt man sogar, wie sich Polstellen dazu einspannen lassen, um Integrale zu berechnen.
In der Physik gehören ins Unendliche strebende Größen zum Alltag. Wann immer man Störungsrechnung betreibt, tauchen regelmäßig unendliche Größen auf, die man mit allerhand Tricks und Kniffen überwindet - Renormierung heißt das Zauberwort. Im Grunde genommen besteht die gesamte Quantenfeldtheorie aus Anleitungen dazu, wie man die unendlichen Terme in den Störungsentwicklungen beseitigt.
In der Astronomie tauchen Singularitäten bei der Berechnung schwarzer Löcher im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie auf. Im Zentrum eines schwarzen Lochs divergiert die Metrik, d.h. die Krümmung des Raumes erreicht einen unendlichen Wert. Dieses Problem taucht dadurch auf, dass Masse, sofern sie einen Ereignishorizont überschreitet, unbeschränkt in Richtung Massenzentrum stürzt und dabei durch keine bekannte Kraft mehr aufgehalten werden kann. Im Prinzip stürzt diese Masse also so lange, bis deren Ausdehnung null und die Dichte unendlich wird. Im Prinzip ...
Ja, hier ist der Physiker mangels Wissens dazu gezwungen, zu interpretieren. Zunächst findet dieser Sturz jenseits eines Ereignishorizonts statt und lässt sich daher auch nicht beobachten. Man muss daher den Gleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie vertrauen, aber es wird allgemein angenommen (und für diese Annahme gibt es sehr gute Gründe), dass diese ihre Anwendbarkeit spätestens dann verlieren, wenn Phänomene auf Skalen der Planck-Länge betrachtet werden, auf denen die Quantenmechanik dominiert. Wenn man sich also naiv verhält und die Einsteingleichungen immer weiter Richtung unendliche Massendichte extrapoliert, dann taucht eine Singularität auf, in einem Parameterbereich, in dem die Gleichungen vermutlich nicht mehr gültig sind. Die Singularität ist zwar durchaus definiert, jedoch müssen wir leider davon ausgehen, dass die bestehenden Gleichungen das physikalische Geschehen unter diesen Bedingungen nicht mehr korrekt abbilden. Gesucht ist eine Quantengravitation, die hier noch gilt, aber bis dahin wird es noch ein wenig dauern. Ohne es mit Bestimmtheit sagen zu können, gehen die meisten Astrophysiker davon aus, dass es zu einer solchen Singularität im Innern von schwarzen Löchern gar nicht erst kommt.
Gleiches gilt für die Anfangssingularität des Urknalls. Auch hier muss man für eine verlässliche Beschreibung der Vorgänge auf eine geeignete Theorie warten, die ein Universum beschreibt, das sehr kleine Dimensionen aufweist. Mit dieser noch fehlenden Theorie wird man Vorgänge beschreiben können, die uns momentan noch rätselhaft sind. Die These einer 'Schöpfung des Universums aus dem Nichts' wird dann gar nicht nötig sein, denn eine geeignete Theorie wird jeden Prozess als kontinuierliche Folge von physikalischen Abläufen beschreiben können. Der Urknall erscheint uns aus heutiger Sicht nur deshalb singulär, weil unsere Theorien an einem Punkt ihre Gültigkeit verlieren und es an diesem Punkt gewissermaßen zu einen 'Filmriss' kommt. Auch hier sollte eine Quantengravitation, wenn sie denn endlich vorliegt, Abhilfe schaffen.
Viele Grüße,
Holger
Eine Singularität ist ein Ort, an dem eine Funktion oder eine physikalische Größe einen unendlichen Wert annimmt. Singularitäten sind sowohl in Mathematik als auch Physik alltägliche Phänomene und der Umgang mit ihnen natürlich auch kein Hexenwerk.
In der Mathematik unterscheidet man zwischen hebbaren Singularitäten, Polstellen k-ter Ordnung und wesentlichen Singularitäten. Selbstverständlich sind all diese Singularitäten wohl definiert und für den Umgang damit gibt es zahllose Regeln und Maßnahmen. In der Funktionentheorie lernt man sogar, wie sich Polstellen dazu einspannen lassen, um Integrale zu berechnen.
In der Physik gehören ins Unendliche strebende Größen zum Alltag. Wann immer man Störungsrechnung betreibt, tauchen regelmäßig unendliche Größen auf, die man mit allerhand Tricks und Kniffen überwindet - Renormierung heißt das Zauberwort. Im Grunde genommen besteht die gesamte Quantenfeldtheorie aus Anleitungen dazu, wie man die unendlichen Terme in den Störungsentwicklungen beseitigt.
In der Astronomie tauchen Singularitäten bei der Berechnung schwarzer Löcher im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie auf. Im Zentrum eines schwarzen Lochs divergiert die Metrik, d.h. die Krümmung des Raumes erreicht einen unendlichen Wert. Dieses Problem taucht dadurch auf, dass Masse, sofern sie einen Ereignishorizont überschreitet, unbeschränkt in Richtung Massenzentrum stürzt und dabei durch keine bekannte Kraft mehr aufgehalten werden kann. Im Prinzip stürzt diese Masse also so lange, bis deren Ausdehnung null und die Dichte unendlich wird. Im Prinzip ...
Ja, hier ist der Physiker mangels Wissens dazu gezwungen, zu interpretieren. Zunächst findet dieser Sturz jenseits eines Ereignishorizonts statt und lässt sich daher auch nicht beobachten. Man muss daher den Gleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie vertrauen, aber es wird allgemein angenommen (und für diese Annahme gibt es sehr gute Gründe), dass diese ihre Anwendbarkeit spätestens dann verlieren, wenn Phänomene auf Skalen der Planck-Länge betrachtet werden, auf denen die Quantenmechanik dominiert. Wenn man sich also naiv verhält und die Einsteingleichungen immer weiter Richtung unendliche Massendichte extrapoliert, dann taucht eine Singularität auf, in einem Parameterbereich, in dem die Gleichungen vermutlich nicht mehr gültig sind. Die Singularität ist zwar durchaus definiert, jedoch müssen wir leider davon ausgehen, dass die bestehenden Gleichungen das physikalische Geschehen unter diesen Bedingungen nicht mehr korrekt abbilden. Gesucht ist eine Quantengravitation, die hier noch gilt, aber bis dahin wird es noch ein wenig dauern. Ohne es mit Bestimmtheit sagen zu können, gehen die meisten Astrophysiker davon aus, dass es zu einer solchen Singularität im Innern von schwarzen Löchern gar nicht erst kommt.
Gleiches gilt für die Anfangssingularität des Urknalls. Auch hier muss man für eine verlässliche Beschreibung der Vorgänge auf eine geeignete Theorie warten, die ein Universum beschreibt, das sehr kleine Dimensionen aufweist. Mit dieser noch fehlenden Theorie wird man Vorgänge beschreiben können, die uns momentan noch rätselhaft sind. Die These einer 'Schöpfung des Universums aus dem Nichts' wird dann gar nicht nötig sein, denn eine geeignete Theorie wird jeden Prozess als kontinuierliche Folge von physikalischen Abläufen beschreiben können. Der Urknall erscheint uns aus heutiger Sicht nur deshalb singulär, weil unsere Theorien an einem Punkt ihre Gültigkeit verlieren und es an diesem Punkt gewissermaßen zu einen 'Filmriss' kommt. Auch hier sollte eine Quantengravitation, wenn sie denn endlich vorliegt, Abhilfe schaffen.
Viele Grüße,
Holger