Sinn und Praxis der Mittleren Sonnenzeit?

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Hallo,

In der Hoffnung, das richtige Forum getroffen zu haben, ist mir der Sinn der Mittleren Ortszeit nicht ganz klar. Sie hat in der Astronomie wohl eine größere Bedeutung, ich kann als Einsteiger aber nicht nachvollziehen, warum und wofür. Da sie, wie die gesetzliche Zeit, eine gleichmäßige und künstliche Zeit ist, stellt sich mir die Frage, warum dann nicht gleich die (jeweilige) Gesetzliche genommen wird? Ungenau für meinen Standort sind ja beide zwangsweise.

Zumal sie ja auch aus der gesetzlichen für meinen jeweiligen Standort berechnet werden muß.

Und wenn ich die konkrete Zeit für meinen Standort benötige, dann interessiert mich doch eher die wahre Ortszeit. Oder vielleicht die Sternzeit. Wozu also überhaupt die MOZ, was gewinne ich mit dem Nutzen der MOZ gegenüber der gesetzlichen Zeit?

Leider hat mir die google Suche nicht viel weitergeholfen mit dieser Frage, meistens laufen die Ergebnisse auf die Zeitgleichung heraus. Aber nicht auf die praktische Relevanz, oder warum die Zeitgleichung zwischen MOZ und WOZ gerechnet wird und nicht gleich zwischen MEZ und WOZ. Wobei MEZ natürlich auch durch andere Zeitzonen ersetzt werden kann.

Danke für alle Erklärungen
 
Hi!

Das muss man historisch sehen.

Die wahre Ortszeit (wahre Sonnenzeit) ist das, was eine Sonnenuhr anzeigt. D.h. 12 Uhr mittags ist, wenn die Sonne kulminiert.

Mit der allgemeinen Verbreitung mechanischer Uhren war das aber nicht mehr praktikabel. Denn die wahre Sonnenzeit fließt eben nicht gleichmäßig wie die Zeit auf einer mechanischen Uhr. Daher hat man die mittlere Ortszeit (mittlere Sonnenzeit) eingeführt. Die mechanische Uhr wird so eingestellt, dass die angezeigte Zeit im Mittel wieder der wahren Sonnenzeit entspricht. Zeitweise kulminiert also die Sonne vor 12 Uhr MOZ, zeitweise kulminiert die Sonne nach 12 Uhr MOZ. Die mechanische Uhr geht zeitweise gegenüber der Sonnenuhr vor und zeitweise nach. Im Mittel gleicht sich das aber wieder aus.

Das ging lange problemlos gut. Mit der Eisenbahn wurde es dann sinnvoll, Zeitzonen einzuführen. Die Fahrgäste hätten sonst an jedem Bahnhof ihre Uhr neu stellen müssen, da es ja von Station zu Station immer eine leicht andere Ortszeit gab. Mit der Einführung der Zeitzonen ändert sich die Zeit bei einer Ost-West-Reise nicht mehr langsam und kontunuierlich sondern sprunghaft um ganze Stunden.

In der Astronomie ist es jetzt nicht wirklich so, dass die MOZ wer weiß wie wichtig wäre. Es ist aber z.B. so, dass ein Gestirn (meinetwegen Sirius) ortsunabhängig (wenn sichtbar) überall zur gleichen MOZ kulminiert. Klar könnte man dazu auch die Sternzeit verwenden. Dann wäre die Angabe der Kumination nicht nur orts- sondern auch zeitunabhängig.

Gruß
Wolfgang
 
Moin Namenloser!

> warum die Zeitgleichung zwischen MOZ und WOZ gerechnet wird und nicht gleich zwischen MEZ und WOZ.

Die MOZ und WOZ unterscheidet sich durch die Zeitgleichung.
Die MEZ und WOZ unterscheidet sich durch die Zeitgleichung und die Zeitkorrektur des Standorts gegen 15° östlicher Länge.
Allein mit der Zeitgleichung kannst du also nicht von MEZ in WOZ hin- und herrechnen.

Die MEZ reicht von Ostpolen bis Westspanien.
"Der Geltungsbereich der MEZ reicht in Mitteleuropa im Winterhalbjahr vom Kap Touriñán in Spanien (9° 17′ West) bis zum Fluss Bug bei Hrubieszów in Polen (24° 10′ Ost), im Subpolarbereich sogar bis Vardø in Norwegen (31° 6′ Ost). Die ideale Breitendifferenz von 15° wird mit fast 33,5° beziehungsweise fast 39,5° deutlich überschritten. Entsprechend groß ist die Abweichung zwischen Zonenzeit und mittlerer Sonnenzeit an den Rändern der tatsächlichen Zeitzone: mehr als +1 1⁄2 Stunden (im Sommer +2 1⁄2 Stunden) am Kap Touriñán, etwa −1 Stunde in Vardø. "
Quelle: Wikipedia
 
Hallo,

vielen Dank für Eure Antworten! Die Ortsunabhängigkeit der MOZ hatte ich übersehen, so hilft das zum Verständnis weiter
Also ortsunabhängig in dem Sinne, daß die Korrektur zwischen MOZ und WOZ für jeden Ort der Welt zum Zeitpunk X identisch ist.


Gruß

Ede
 
Tja, die "gesetzliche" ergibt sich eben aus den Ideen des Canadischen Eisenbahn Ingenieurs, Zeitzonen einzuführen. Dann gibt es die mittlere Sonnenzeit nur noch alle 15 Grad.
Es ist eben eine historisch-zeitliche Abfolge von Konstruktionen.
Und wenn man das mal nachrechnen will, muss man halt wissen was man da eigentlich macht.
Clear Skies
Dietrich
 
> Also ortsunabhängig in dem Sinne, daß die Korrektur zwischen MOZ und WOZ für jeden Ort der Welt zum Zeitpunk X identisch ist.

Macht Sinn, da die ZGL eine Korrektur für die Sonnenposition im Laufe eines Jahres darstellt. - Und die Sonne "läuft" (scheinbar) überall auf der Erde gleich, logisch.

@Dietrich:
> muss man halt wissen was man da eigentlich macht.

Weise Worte! :oops:
 
Habe zum Thema Historie noch die Logik gefunden, der Vollständigkeit halber:
Die gleichmäßig verlaufende mittlere Ortszeit wurde benutzt als mechanische Uhren vorhanden waren.
http://www.sternwarte-eberfing.de/Fuehrung/Objekbeschreibung/Zeit.html

Logo, da lagen ja auch ein paar hundert Jahre dazwischen, von den ersten mechanischen Drehzeigern bis zur Einführung der Zonen. Und liegt ja dann auch nahe, die lokale Zeit zu mitteln - bis mal endlich jemand elliptische Uhrwerke erfindet :)
Und dann erklärt sich auch die Relevanz für die Nautik, denn die Längengrade wurden ja mithilfe einer Uhr bestimmt.

Danke noch einmal. Jetzt habe ich ein Bild.
 
Genau. Das ist wirklich "nur" eine historische Entwicklung.
1) Ganz früher richtete man sich einfach nach der wahren Sonne - etwa mit Sonnenuhren oder so...
2) Später wollte man eine gleichmäßig laufende Zeit haben und erfand das künstliche Gebilde der Mittleren Sonnenzeit. Jeder Ort hatte dann seine eigene quasi gesetzliche Zeit, nämlich die Mittlere Sonnenzeit am Kirchturm - oder so.
3) Im 19. Jahrhundert wurde dann vielfach mehr gereist und die Eisenbahn führte dazu, dass man die Zeitmessung noch weiter entwickeln musste. Für die Eisenbahnfahrpläne wurden schließlich die Zeitzonen erfunden, die da letztlich auch "nur" die Mittele Sonnenzeit meinen, nur nicht für jeden einzelnen Ort, sondern so etwa in Zonen, die 15 Grad breit sind.
Beispiele:
  • Eisenfahrplan London-Bristol,
  • Der kanadische Eisenbahningenieur Sir Sandford Fleming im Jahre 1879
4) In neuester Zeit hat man dann die Zeitmessung von der Erdrotation entkoppelt, da die Erdrotation ja auch Unregelmäßgkeiten aufweist. Es wurde 1967 die Atom-Sekunde eingeführt, wo man zur Zeitmessung dann aber doch so dann und wann Schaltsekunden einfügt, damit die mit der Atom-Sekunde gemessene Zeit über längere Zeiträume nicht zu sehr von der aus der Mittleren Sonne (und damit der Erdrotation) hervorgegangenen traditionellen Zeit abweicht.

Die Zeitmessung wurde also im Laufe der Zeit immer weiter modifiziert bzw. verfeinert, weil die Ansprüche der Nutzer sich veränderten.
Clear Skies
Dietrich
 
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