Sternnamen

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Sehr interessant.
Leider führt die Wiedergabe der Plejaden (Vergiliarum, S. 143) nicht über Galileis Zeichnung im Nuncius Sidereus hinaus.
Dennoch: guter Hinweis.
Achatius
 
Hallo Thomas,

danke für die Informationen über Zupo und Fontana. Unglaublich, wie reichhaltig und bewegt die astronomische Szene im 17. Jahrhundert war. Wir denken immer nur an Kepler, Galilei und Newton. Doch es gab noch so viel mehr ....

Viele Grüße
Johannes
 
Nach einer genaueren Lektüre von Ricciolis Astronomia reformata bin ich zu dem Ergebnis gekommen, daß Riccioli die Zuordnung der Eigennamen zu den Pleiadensternen, so wie wir sie heute kennen, nicht selbst vorgenommen, sondern von Vicente Mut (Mallorca) (Vincentius Mutus) (1614-1687) übernommen hat.

Mut hat selbst einige astronomische Traktate veröffentlicht, aber nicht zu den Fixsternen. Er hat aber viele Beobachtungen der Fixsterne angestellt und die Ergebnisse in Briefen an Riccioli geschickt, der sie in seinen Werken veröffentlichte. Riccioli dankt Mut oftmals für seine Arbeiten, sowohl im Almagestum Novum als auch in der Astronomia reformata. Die Briefe von Mut an Riccioli sind selbst wohl nicht erhalten, sondern nur Auszüge daraus, die Riccioli in seinen Werken abdruckt.

Im Almagestum Novum (1651) sagt Riccioli, Michael Langrenus habe die genaue Gestalt der Pleiaden beobachtet und an ihn geschickt (S. 399). Hier verwendet Riccioli aber noch seine eigene Nomenklatur für die Einzelsterne, z.B. Maia als der hellste Stern im Viereck.

In der Astronomia reformata (1665) schreibt Riccioli genauer, er habe am 6. Juli 1647 einen Brief von Langrenus erhalten, in dem dieser die genaue Lage und die Abstände zwischen den Pleiadensternen festhält. (Das könnte der Brief sein, von dem Riccioli im Almagestum Novum berichtet). Auch die Koordinaten habe Langrenus versprochen, doch das Versprechen sei nicht eingehalten worden.

Aber der „hochgelehrte und sehr freundliche Herr Vincentius Mutus“ habe ihm in einem Brief vom 5. März 1650 nicht nur die teleskopisch vermessenen Abstände, sondern auch Länge und Breite sowie Größenordnungen der Pleiadensterne mitgeteilt. Außerdem habe er 9 Sterne angegeben, und nicht nur die bekannteren 7. Hier der Textauszug:

AstroReform 1.JPG


(S. 243 rechte Spalte oben)

Es folgt eine Tabelle der Abstände und Positionen der Pleiadensterne, in der die heutigen Namen verwendet werden.

AstroReform 2.JPG

(S. 243 rechte Spalte)

Die Namen könnte Riccioli zwar selbst in die Tabelle eingesetzt haben. Aber auf der nächsten Seite findet sich folgender Passus, in dem Mut sich über die ungenauen Angaben für die „lucida Pleiadum“ bei Tycho beklagt, und auch bei Lansbergius, der alles nur noch schlimmer gemacht habe.

Astroreform 3.JPG


(S. 244 linke Spalte oben)

Der kursiv gesetzte Teil ist ein Zitat aus Mutus Brief, wie der Anfang („inquit Mutus“) und der nicht mehr kursiv gesetzte Abschlußsatz: „So dieser sorgfältige und kluge Mann“, zeigen. Man sieht, dass Mutus hier einige der uns geläufigen Eigennamen der Pleiadensterne verwendet, nämlich Atlas, Alcyone, Merope und Elektra. Offenbar übernimmt Riccioli aus diesem Brief die Namen, die er dann auch in seinem Katalog auf Seite 266 der Astronomia reformata verwendet. Er hebt übrigens eigens hervor, daß er die Koordinaten der Pleiadensterne nicht selbst vermessen hat, sondern diejenige von Mutus und Langrenus verwendet (S. 265 links unten).

Damit ist anzunehmen: Der Brief des Vincentius Mutus vom 5. März 1650 ist die Quelle, aus der Riccioli die Eigennamen der Pleiadensterne, wie wir sie heute verwenden, bezieht. Er hat die Zuordnungen also nicht selbst erfunden, sondern von Mutus übernommen.

Viele Grüße
Johannes

P.S. Alle Textauszüge aus: Astronomia reformata
 
bin ich zu dem Ergebnis gekommen, daß Riccioli die Zuordnung der Eigennamen zu den Pleiadensternen, so wie wir sie heute kennen, nicht selbst vorgenommen, sondern von Vicente Mut (Mallorca) (Vincentius Mutus) (1614-1687) übernommen hat.
Siehe dazu auch diese Artikel über Vincentius Mutus (auf spanisch):

Victor Navarro Brotons: Fisica Y Astronomia Modernas En La Obra De Vicente Mut

He was also a correspondent of various Jusuit scientists, such as Kircher and Riccioli.
The latter assimilated Mut's observations and methods in his own works.


Victor Navarro Brotons: Vincente Mut (Estudio Critico)
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist sehr interessant, Johannes.
Natürlich stellt sich jetzt wieder die Frage, ob Vincentius Motus die Zuordnungen selbst vorgenommen, ober ebenfalls aus älteren Quellen übernommen hat.
Ich spekuliere jetzt:
Die Namen sind ja griechischen Ursprungs (siehe Almagest). Es liegt also nahe, dass es dereinst auch eine konkrete Zuordnung gegeben haben muss, denn Namen werden immer konkreten "Objekten" zugewiesen. Soweit mir bekannt ist, sind zwar einige der Namen im Almagest erwähnt, nicht aber die Zuordnung.
Das Wissen der Griechen wurde über Jahrhunderte von den Arabern weitergegeben und gelangte so wieder nach Europa zurück.
Nach indisch-arabischer Tradition wurde die Ekliptik in 28 Mondhäuser bzw. Mondstationen eingeteilt (eine Station entspricht ungefähr der Mondbewegung in 24 Stunden). Die Plejaden waren die 3. Mondstation

3. Azoraya / Thurayaالثريا – aṯ-ṯurayyāDie PlejadenM45 (Plejaden)

Es wäre jetzt sicher interessant, die Sternkataloge von Albategnius (Al-Battani) auf diese Namen hin zu untersuchen.
Es ist möglich, dass in den Schriften von Paul Kunitzsch hierzu Näheres zu finden ist.
 
Ergänzung:
Weiß jemand im Forum, ob die Annahme, dass einige der Plejadennamen im Almagest des Ptolemäus tatsächlich erwähnt werden, zutrifft?
Sie tauchen zwar in der folgenden Quelle auf (Taygeta, Merope, Atlas), scheinen aber hinzugefügt zu sein:


Im Almagestum (1515) des Petrus Lichtenstein (Herausg.) stehen sie nicht! (siehe Quelle).

1607773384112.png


Gruß
Achatius
 

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Hallo Achatius,

in der modernen Auflistung sind die Sternnamen sicher sekundär hinzugefügt. Jedenfalls gibt es sie im griechischen Original von Ptolemäus' Sternkatalog nicht (Almagest, Buch VII Kapitel 4), und die lateinische Übersetzung von 1515, die Du herangezogen hast, hat die Namen auch nicht. (Kepler in den Rudolphinischen Tafeln hat auch keine Namen. Er verwendet übrigens die griechischen Positionsangaben von Ptolemäus, z.B. "der nördlich Vorangehende" etc., und zwar auf griechisch. Der Mann war gebildet!) Die arabischen Übersetzungen und Kommentare zu Ptolemaios sind mir leider nicht zugänglich. Das ist die Sprachhürde doch zu hoch.

Viele grüße
Johannes
 
Hallo Johannes,

gut, dass du das Fehlen der Namen bei Ptolemäus bestätigen kannst!

Damit engt sich die Sache ja ziemlich ein.
Die Namen (und evtl. sogar die Zuordnung) könnten nun entweder in arabischen Schriften späterer Jahrhunderte auftauchen, oder sie wurden tatsächlich erst in der Renaissance bzw. im Barock "aus der mythologischen Erzählung extrahiert und den Objekten zugeordnet".

Was die Sprachhürde anbelangt, ergeht es mir nicht besser. Das Werk des

Al-Battani sive Albategnius Opus astronomicum
müsste aber auf Latein existieren.

Es enthält eine Liste mit 489 Fixsternen.

Bisher konnte ich das Buch aber nicht in digitalisierter public domain Version auffinden.

Gruß
Achatius
 
Hallo Achatius,

ich finde keine Hinweise darauf, daß die Araber den Pleiadensternen Eigennamen zugeordnet hätten:

- Al Battani (um 900) hat nichts (Du findest die lateinische Übersetzung aus dem des 12. Jh. unter Plato of Tivoli, De motu stellarum).
- Gerhard von Cremona, der um 1150 den Almagest aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt hat, hat auch keine Eigennamen.
- Mohammed al Tizini (ca. 1540) hat ebenfalls keine Namen (Lateinisch-arabische Ausgabe bei Thomas Hyde).

Meine Meinung nach all der Recherche: Die Zuordnung der Eigennamen ist erst um 1650 vorgenommen worden. Dabei orientiert man sich an den antiken Dichtern.

Riccioli nennt den Hauptstern zunächst Maia im Rückgriff auf Vergil, Georgica I 225. Im Lauf des 17. Jhs. findet aber die Geschichte von Alcyone bei Ovid, Metamorphosen, Buch XI immer mehr Interesse. Kurz zusammengefaßt: Alcyone und Ceyx wollen heiraten. Ceyx muß aber vorher noch eine Seefahrt unternehmen. Das Schiff geht unter, Ceyx ertrinkt, der Leichnam wird am Strand angespült, wo Alcyone ihn findet. Darauf springt sie selbst ins Wasser um sich zu ertränken. Im letzten Moment greift der Meergott Neptun ein, rettet beide und verwandelt sie in Eisvögel (halcyones). Er baut ihnen ein Nest und sorgt für 7 Tage Windstille (die halcyonischen Tage). (Damit ist die Verbindung zu den Pleiaden als Zeichen für Herbst und Frühling hergestellt.)

Solche mythologischen Geschichten fand man im 17. Jh. sehr interessant. Es gibt sogar eine barocke Oper über Alcyone von Marin Marais (1706).

Unter dem Eindruck von Ovids rührender Geschichte hat man zunächst Maia durch Alcyone als Hauptstern ersetzt, wie bei Riccioli zu beobachten ist. Da man mit den Teleskopen 9 Sterne sehen konnte und nicht nur 6 oder 7, entstand die Möglichkeit, auch den 6 Schwestern Alcyones und den Eltern bestimmte Sterne zuzuordnen. Damit war dann die ganze Familie versorgt.

Viele Grüße
Johannes
 
Hallo,
eure Ergebnisse wären wirklich einen Artikel in der Zeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde wert!!!

Gruß
Thorsten
 
Hallo Johannes,
ich stimme dir auf der Grundlage der bisherigen Ergebnisse zu und fasse es noch einmal die Recherche in meinen Worten zusammen:

1. Im Almagest sind die Namen der Plejaden entsprechend der griechischen mythologischen Erzählungen (die Eltern Atlas und Pleione sowie die sieben Schwestern Alcyone, Asterope, Celaeno, Electra, Maia, Merope, Taygeta) nicht erwähnt, erst recht nicht die Objektzuordnung.

2. Cicero erwähnt sie in der Aratea (ohne eindeutige Zuordnung)
1607863594343.png


Eng bei seinem linken Schenkel ziehen beisammen
die Pleiaden alle einher. Ein gar nicht so großer
Raum faßt sie alle, doch sind sie selbst nur unscharf zu sehen.

Siebenpfadig nennt man die nun unter den Menschen,
wo doch ihrer nur sechs zu sehen sind mit den Augen.

Nicht ohne Kunde ging einst ein Stern verloren dem Haus des
Zeus, wir hören ja doch von dessen Entstehung, vielmehr wird
er genauso genannt; jene sieben heißen wortwörtlich:

Alkyone, Merope und Kelaino und ja, auch Elektra,
und Sterope und Taygete und die mächtige Maia.

Die, wenn auch klein und glanzlos sie sind, doch wert, sie zu nennen
morgens und abends, Zeus ist der Grund, vollziehn ihre Kreisbahn;
er gewährte diesen das Amt, des Sommers und Winters
Anfang anzuzeigen und auch das Herannahn des Pflügens.

3. In den arabischen Schriften (z.B. Al-Battani) tauchen sie nach unserem Kenntnisstand nicht auf.

4. Galileo Galilei hat sie im Sidereus Nuncius 1610 nicht erwähnt. Aus der Sicht eines mit Teleskop ausgestatteten Beobachters liegt es nahe, dass Galilei die Namen und ihre Zuordnung gewiss erwähnt hätte, wenn sie den Astronomen der damaligen Zeit geläufig gewesen wären.
5. Sicher nachgewiesen sind sowohl die Namen, als auch die Objektzuordnung, erst in Ricciolis Astronomia Reformata (1665), einschließlich eines kuriosen Messfehlers der Position für Alcyone (1693 korrigiert von de la Hire, Mitglied der Académie royale de sciences unter Louis XIV.)
6. Aufgrund des Schriftverkehrs zwischen Riccioli und Vincentius Mutus (siehe Astronomia Reformata), der bereits auf 1650 zurückgeht, kann diese ältere Quelle ebenfalls als gesichert angesehen werden.
7. Offen bleibt die Frage, ob die Spur noch weiter zurückführt. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind die Namen der Plejadensterne aufgrund des Interesses an der griechischen Mythologie im 17. Jahrhundert (und zwar nach Galileis Sidereus Nuncius 1610) den Objekten zugeordnet worden. Hierfür spricht auch, dass selbst in späteren Jahren (z.B. bei Hevelius in seiner Prodromus astronomiae von 1690) die Namen noch immer nicht "eingebürgert" waren, sondern die Plejadensterne umschrieben wurden.

Wäre da noch etwas zu ergänzen?
Gruß
Achatius
 
Interessant ist auf jeden Fall, dass der Riccioli-Wert für Alcyone mit Long. 25 20 50, Lat. 3 59 0 angegeben wird, also gegenüber der Astronomiae Reformatae KORRIGIERT ist!

Ich finde, daß in deiner Zusammenfassung alles paßt. Nur die Sache mit dem vermeintlichen Meßfehler Ricciolis bei Alcyone, den de la Hire korrigiert habe, ist wohl doch schwieriger und bedürfte nochmal einer eigenen kriminalistischen Untersuchung.

ERstens hat Riccioli die Werte für die Pleiaden ja von Mut übernommen.

Zweitens schau mal hier:
AStroref4.JPG

Das ist S. 264 aus Ricciolis Astronomia reformata. Der linke Wert ist die Länge für das Jahr 1660, der mittlere ist die Länge für das Jahr 1700. Die genaue Bestimmung der jährlichen Präzession in der Länge war damals ja eine der Hauptaufgaben der Astronomie. Riccioli bestimmt sie auf 33' 47'' in 40 Jahren. In seinem Katalog gibt er für alle Sterne die Position für 1660 und die hochgerechnete Position für 1700 an. De la Hire hat nicht die Meßwerte Ricciolis korrigiert, sondern er hat (irrtümlich?) die Länge für 1660 aus Ricciolis Tabelle übernommen, obwohl der Wert für 1700 zu seiner Zeit wohl passender gewesen wäre.

Viele Grüße
Johannes
 
Korrekt!
Die beiden Werte auf S. 264 für 1660 und 1700 sind mir auch aufgefallen.

Die Verwirrung in der Tabelle S. 266 entsteht einzig dadurch, dass Riccioli den falschen Wert für die Länge von Alcyone eingetragen hat. Passend zu den anderen Werten der Plejadensterne hätte er in dieser Tabelle
statt L: 25 54 37 B: 3 59 0 für das Jahr 1700 (den er berechnet haben muss)
den Wert für 1660
L: 25 20 50 nehmen müssen. Der Wert für die Breite war ja identisch und in diesem Sinne korrekt!

Das ging ja auch aus meiner Handzeichnung sofort hervor. Mit L: 25 20 50 wäre alles in Ordnung gewesen!

Wir können uns sicher darauf einigen, dass der Wert für Alcyone in Ricciolis Tabelle Seite 266, egal wer die Werte wirklich gemessen hat, insofern falsch ist, weil er nicht konsistent zu den anderen Positionsmessungen der Plejadensterne in dieser Tabelle ist.

Also nochmals: Der Zahlenwert kann durchaus "richtig" (für 1700) sein, gehört aber nicht in diese Tabelle.

De la Hire scheint diese Verwechslung des Werts mit dem auf Seite 264 nicht aufgefallen zu sein.

Gruß
Achatius
 
4. Galileo Galilei hat sie im Sidereus Nuncius 1610 nicht erwähnt. Aus der Sicht eines mit Teleskop ausgestatteten Beobachters liegt es nahe, dass Galilei die Namen und ihre Zuordnung gewiss erwähnt hätte, wenn sie den Astronomen der damaligen Zeit geläufig gewesen wären.
Eine klare Zuordnung von Bezeichnungen zu individuellen Plejadensternen vor der Erfindung des Teleskops setzt ja voraus, dass mit bloßem Auge ein deutlich sichtbares Sternmuster erkennbar ist. So weit ich weiß gibt es aber vor 1610 keine einzige realistische Darstellung der Plejaden, weder von den Griechen noch von den Arabern, und nicht einmal von Tycho Brahe. Stattdessen gibt es allenfalls Koordinaten von einzelnen Repräsentanten des Sternhaufens. Historische Beschreibungen erwähnen typischerweise eine diffuse Wolke ohne spezifische Form, und daran scheitert dann jeder Versuch einer Zuordnung.

Galileos Darstellung im Sidereus Nuncius von 1610 zeigt wohl die erste realistische Darstellung des Sternmusters mit bereits 39 individuellen Plejadensternen, aber ohne namentliche Bezeichnung. Kein Wunder, denn eine solche eindeutige Zuordnung gab es zu dieser Zeit ja nicht. Er hätte an dieser Stelle eine solche namentliche Zuordnung vornehmen können, etwa aus dem Fundus von Kirchenheiligen oder dem seiner fürstlichen Gönner, hat er aber nicht. Nicht einmal die letztlich akzeptierten Bezeichnungen der von ihm entdeckten Monde des Jupiter (Io, Europa, Ganymed und Callisto) stammen von ihm, sondern von Simon Marius, übrigens auf Anregung von Kepler. Offensichtlich gab es damals ein starkes Faible für klassische Mythologie.
 
Nur der Vollständigkeit halber: Es gibt in Ptolemäus' Sternkatalog mit wenigen Ausnahmen keine Sternnamen (Sirius ist ein Beispiel für eine Ausnahme). Hier die Katalogeinträge zu den Plejaden in der deutschen Übersetzung von Karl Manitius:
K. Manitius (Übers.): Des Claudius Ptolemäus Handbuch der Astronomie, 2. Band, S. 45:

30. Von der Pleias das nördlichere Ende der vorangehenden Seite
31. Das südliche Ende der vorangehenden Seite
32. Das nachfolgende dichteste Ende der Pleias (mit dem Hauptstern)
33. Der außerhalb stehende kleine nördlich der Pleias


Mit "vorangehend" ist westlich gemeint und mit "nachfolgend" östlich (entsprechend der täglichen scheinbaren Himmelsdrehung).

Auch an anderer Stelle werden Teile der Plejaden erwähnt, aber ebenfalls wieder nicht unter Nennung der jeweiligen Sterne, sondern unter Bezug auf die gesamte Figur:

1. Timocharis macht als Beobachter in Alexandria folgende Aufzeichnung. Im 47ten Jahre der ersten Kallippischen 76jährigen Periode am 8. Anthesterion, d.i. am 29. ägyptischen Athyr (29. Januar 283 v. Chr.), bedeckte am Ende der dritten (Nacht-) Stunde die südliche Hälfte des scheinbaren Mondes genau das nachfolgende Drittel oder die Hälfte der Pleias
[...]
2. Agrippa macht als Beobachter in Bithynien folgende Aufzeichnung. Im 12ten Jahre Domitians am 7ten des landesüblichen Monats Metroos bedeckte zu Beginn der dritten Nachtstunde der Mond mit dem südlichen Horn den nachfolgenden Teil der Pleias.


Tschau,
Thomas
 
Und damit der al-Battani nicht ganz umsonst bei mir im Regal steht, hier die vier Plejadensterne aus seinem Sternkatalog, in der lateinischen Übersetzung von Carlo Alfonso Nallino:

16. Borealis e Pleiadibus (ath-thurayya), quae est in linea anteriore
17. Australis e Pleiadibus, quae est in extremitate lateris anterioris
18. Parva posterior quae est in posteriore latere Pleiadum
19. Parva exterior in parte boreali Pleiadum


Also etwa
16. Der nördliche [Stern] der Plejaden, der in der vorangehenden Linie steht
17. Der südliche der Plejaden, der am Ende der vorangehenden Seite steht
18. Der kleine nachfolgende, der in der nachfolgende Seite der Plejaden steht
19: Der kleine außerhalb stehende im nördlichen Teil der Plejaden

Tschau,
Thomas
 
Es läßt einem ja doch keine Ruhe – ich meine die Sache mit den falschen Koordinaten für Alcyone in Ricciolis Astronomia reformata. Nachdem ich mir die entsprechen Seiten noch einmal angeschaut habe, ergibt sich mir folgendes Bild.

  • Vicente Mut schickt 1650 die Koordinaten von 9 Pleiadensternen an Riccioli. Diese Koordinaten stimmen sehr gut mit der Gestalt der Pleiaden überein. Muts Koordinaten von Alcyone lauten: 25 06 00 in der Länge und 4 00 00 in der Breite. (Vgl. Astronomia reformata, S. 243)
  • Riccioli nimmt im Jahr 1660 selbst Positionsmessungen vieler Sterne vor (eigentlich tut das wohl sein Assistent Francesco Garibaldi, denn Riccioli war zu dieser Zeit schon recht krank). Unter diesen Sternen befindet sich auch die „lucida Pleiadum“, also Alcyone, aber kein anderer Stern der Pleiaden. Die von Riccioli gemessene Länge von Alcyone lautet 25 20 50. Gegenüber Mut beträgt die Differenz 14‘ 50‘‘ in der Länge. Diese Differenz kommt zum Teil durch die Präzession innerhalb von 10 Jahren (1650/1660) zustande, zum Teil aber auch durch andere Toleranzen.
  • Riccioli paßt nun die Koordinaten auch der anderen 8 Pleiadensterne an diejenigen von Alcyone an, ohne sie selbst vermessen zu haben. D.h. er zählt zu den von Mut angegeben Längen schematisch überall 14‘ 50‘‘ hinzu.
  • Riccioli liefert in der Astronomia reformata ab S. 266 einen Katalog der Sterne, in dem er alle Längen und Breiten für das Jahr 1660 angibt und sie zusätzlich auch auf das Jahr 1700 extrapoliert. Er rechnet mit einer Präzession von etwa 50‘‘ pro Jahr. Die Differenz für 40 Jahre beträgt 33‘ 47‘‘. In seinem Katalog unterscheidet Riccioli die Sterne nach Klassen, d.h. nach Sicherheit der Positionsangaben. In die erste Klasse (= größte Sicherheit) kommen alle Sterne, die er selbst vermessen hat, plus die Pleiaden nach Vicente Mut (vgl. Astronomia reformata, S. 265).
  • Alcyone hat Riccioli selbst vermessen. Für das Jahr 1700 gibt er die Länge mit 25 54 37 an. Die übrigen 8 Pleiadensterne, die er nicht selbst vermessen hat, übernimmt er von Mut, und zwar mit der von ihm selbst angepaßten Länge für das Jahr 1660. Und dies ist der Fehler: Für diese 8 Sterne, und nur für sie, verwendet Riccioli die Koordinaten für das Jahr 1660, statt sie umzurechnen für das Jahr 1700. Daraus entsteht die merkwürdige Verschiebung der Position von Alcyone gegenüber den anderen Pleiadensternen um ca. 0,5 Grad (genauer: 33‘ 47‘‘) in der Länge.
  • Es handelt sich hier also wohl nicht um einen Meßfehler, sondern Riccioli (oder Garibaldi) ist vielleicht mit seinen Zetteln durcheinandergekommen. Die Angaben für die 8 Pleiadensterne von Mut standen auf einem anderen Blatt als die Daten für Alcyone. Als er die Daten aus diesem Blatt in seinem Katalog einfügte, vergaß er die Umrechnung. Deswegen steht in seiner Tabelle für 1700 wohl Alcyone mit den richtigen Koordinaten für dieses Jahr, die anderen Pleiadensterne aber mit den Koordinaten für 1660.

  • Viele Grüße
  • Johannes
 
Hallo Johannes,

gut, dass du noch einmal hingesehen hast, für wann die Daten in der Tabelle gelten sollen. In der Tat heißt es ja Seite 265
"Catalogus Fixarum universalis ad Annum Christi MDCC. Completum."

So wurde der inkonsistente Datensalat nicht wegen der (vermeintlich) falschen Epoche für Alcyone, sondern wegen der nicht vorgenommenen Anpassungen aller ANDEREN Plejadensterne vom Jahr 1660 auf das Jahr 1700 erzeugt.

Auch die Vermutung (z.B. von de la Hire), dass die Abweichung bei Alcyone ein Messfehler sei, trifft somit nicht zu.

Fazit der Recherche: die Tabelle wurde nicht nur als inkonsistent identifiziert, sondern auch geklärt, wie die Abweichung zustande kam!

Gut recherchiert!

Gruß
Achatius
 
Nach einiger Kommunikation mit der SUW-Redaktion wurde die Ausgangsfrage des Threads noch einmal als Leserbrief aufgegriffen (Heft 3/21), mit dem Ziel, eventuell noch weitere Hinweise auf die erstmalige Zuordnung der mythologischen Namen der Plejadensterne zu den konkreten Objekten des Sternhaufens zu erhalten.
Sollten sich hierbei neue Erkenntnisse ergeben, werde ich sie ebenfalls hier in den Thread stellen.

Unter dem Gesichtspunkt der Belegbarkeit erweist sich unsere Recherche bisher als "standfest" ;-)

Gruß
Achatius
 
Moin,

die Hochzeit dieser Diskussion scheint schon etwas her. Beeindruckend, wie tief ihr euch in die Quellen des Mittelalters und der frühen Neuzeit eingearbeitet habt. Auch das Close-Reading der Quellen überzeugt sehr. Nun bin ich für diese Epoche kein Experte, kenne mich aber aus beruflichen sowie privaten Interessegründen recht gut mit der Antike, v.a. der griechischen Frühzeit aus. Daher ein paar Anmerkungen zum Sternbild der Pleiaden im antiken Griechenland:

Weiter oben wurde ja bereits folgendes angemerkt:
Die Ergebnisse sind aber ein wenig verwirrend. Das Sternbild der Pleiaden wird in der alten griechischen Literatur oft erwähnt, z.B. schon bei Homer und Hesiod, und auch bei den griechischen Astronomen. Dabei wird der Mythos von den 7 Schwestern immer angewendet. Aber eine eindeutige Zuordnung einzelner Sterne zu einer bestimmten Schwester scheint es in der Antike nirgends zu geben.
Dazu zunächst einmal ein kurzer Quellenüberblick:

Homer schreibt in der Ilias (18,486):
"ἐν δὲ τὰ τείρεα πάντα, τά τ᾽ οὐρανὸς ἐστεφάνωται,
Πληϊάδας θ᾽ Ὑάδας τε τό τε σθένος Ὠρίωνος"
"Und auf ihm die Sterne, alle mit denen der Himmel umkränzt ist:
Die Pleiaden und die Hyaden und die Kraft des Orion (...)
"
(Übersetzung W. Schadewaldt)

Hesiod schreibt in seinen Werke & Tagen (383):
"πληιάδων Ἀτλαγενέων ἐπιτελλομενάων
ἄρχεσθ᾽ ἀμήτου, ἀρότοιο δὲ δυσομενάων."

"Wenn das Gestirn der Plejaden, der Atlasgeborenen, aufsteigt,
dann fang an mit dem Mähen, und pflüge, wenn sie versinken.
"
(Übersetzung A. v. Schirnding)

Aristoteles schreibt in der Metaphysik (1093a,)
"διὰ τοῦτο ἢ ἐκεῖνοι ἐγένοντο ἑπτὰ ἢ ἡ πλειὰς ἑπτὰ ἀστέρων ἐστίν; (...) τὴν δὲ ἡμεῖς οὕτως ἀριθμοῦμεν"
"Warum also bestehen die Pleiaden aus sieben Sternen? (...) Weil wir sie so zählen."
(Freie Übersetzung nach H. Treddenick)

Aratos schließlich schreibt in den Phaenomena (255-263):
Ἄγχι δέ οἱ σκαιῆς ἐπιγουνίδος ἤλιθα πᾶσαι ΠΛΗΙΑΔΕΣ φορέονται. ὁ δ᾿ οὐ μάλα πολλὸς ἁπάσας χῶρος ἔχει, καὶ δ᾿ αὐταὶ ἐπισκέψασθαι ἀφαυραί. ἑπτάποροι δὴ ταί γε μετ᾿ ἀνθρώπους ὑδέονται, ἓξ οἶαί περ ἐοῦσαι ἐπόψιαι ὀφθαλμοῖσιν. (...) ἑπτὰ δ᾿ ἐκεῖναι ἐπιρρήδην καλέονται Ἀλκυόνη Μερόπη τε Κελαινώ τ᾿ Ἠλέκτρη τε καὶ Στερόπη καὶ Τηϋγέτη καὶ πότνια Μαῖα."
"Nahe seines (Orions) linken Knies laufen die Pleiaden in einer Gruppe auf kleinem Raum, alle strahlen sie schwach. Sieben sind sie in den Liedern der Menschen, doch nur sechs sichtbar für das Auge. (...) Diese sieben heißen Halcyone, Merope, Celaeno, Electra, Styrope, Taygyte und die königliche Maia."
(Freie Übersetzung nach A.W. und G.R. Mair)

Es gibt weitere Quellen, doch die sollten erst einmal reichen.

Man sieht, die Pleiaden waren den antiken Griechen - wenig überraschend - bekannt. Natürlich lässt sich keine genaue Karte nachweisen, auf denen die Sterne verzeichnet und einzeln benannt sind. Ob es solch eine Karte nicht gegeben hat, oder ob sie einfach die Zeiten des jahrhundertelangen Abschreibens nicht überdauert hat, wird wohl ungewiss bleiben.

Ich persönlich halte es jedoch für durchaus denkbar, dass auch in der Antike schon die einzelnen Sterne benannt waren. Ein erstes Indiz stellen die frühesten Stellen bei Homer und Hesiod dar, die beide in der ersten Hälfte des 7. Jh. v.u.Z. gewirkt haben dürften. Homer erwähnt sie zusammen mit Orion, der ja der Sage nach, den Pleiaden nachgestellt haben soll. Hesiod nennt sie konkret die "Atlasgeborenen". Hier zeigt sich, dass diese Mythen zu jener Zeit bereits bekannt und Teil des kollektiven Gedächtnis waren. Demzufolge waren auch die Zahl der Pleiaden sowie ihre Namen aller Wahrscheinlichkeit nach den meisten GriechInnen ein Begriff. Gerade ihre Bedeutung für landwirtschaftlich bedeutende Zeitpunkte wie Mähen, Pflügen oder Aussaat, dürfte diese Bekanntheit noch gesteigert haben.

Aristoteles selbst gibt ihre Siebenzahl damit an, dass man sie eben so zähle. Und wir wissen ja auch heute, dass unter einem klaren Himmel mit passender Bortel-Skala alle sieben Sterne von einem geübten Beobachter zu sehen sind. Lichtverschmutzung war damals auf jeden Fall noch keine so große Sache. Zwar meint Aratos, man könne mit bloßem Auge nur sechs erkennen, doch das lässt sich womöglich mit der Veränderlichkeit des einen Sterns erklären. Er nennt auch erstmals die Namen der sieben Sterne (in leicht abweichenden Schreibweisen). Der griechische Text macht klar, dass hier tatsächlich die Namen der Sterne gemeint sind und nicht einfach die Namen der sieben Töchter!

Man kann also davon ausgehen, dass die Einzelsterne spätestens zu Aratos' Zeiten (1. Hälfte 3. Jh. v.u.Z.) benannt waren. Die Bezeichnungen stimmen dabei mit unseren heutigen überein. Auch wenn anscheinend die Namen unter den Sternen rotiert wurden; hier wird ja Maia als königlich - das dürfte in diesem Fall mit am hellsten gleichzusetzen sein - bezeichnet. Lediglich Atlas und Pleione fehlen.

Meines Erachtens dürften die Sterne schon zu früheren Zeiten auch einzeln benannt gewesen sein. Den Grund dafür vermute ich in ihrer Bedeutung für die Landwirtschaft und damit die Lebensgrundlage der damaligen Gemeinschaften. Selbstverständlich wird solch eine mögliche Benennung bei Weitem nicht so kanonisch gewesen sein, wie sie es später war oder heute ist. Je nach Region mag sie variiert haben oder eben auch nicht vorhanden. Solch eine Fixierung erfolgte erst später, wann lässt sich aufgrund der fehlenden Quellen mutmaßlich einfach nicht mehr rekonstruieren. Dass sie sich erst für das späte Mittelalter/die FNZ schriftlich nachweisen lässt, sehe ich persönlich jedenfalls nicht als Beweis dafür, dass eine einigermaßen feste Benennung nicht schon früher bestanden hat. Agrumenta e silentio allein sind immer mit Vorsicht zu genießen.

ich hoffe damit, ein paar neue - wenn auch nicht abschließend zu beweisende (wann gibt es sowas in der Geschichtswissenschaft schon) - Perspektiven bezüglich der Pleiadennamen in antiker Zeit eröffnet zu haben.

Gruß und schönen Abend
Florian
 
... eine hübsche Zitatensammlung zu den Plejaden!

Wobei ich der Versuchung nicht widerstehen kann, jenes wohlbekannte Kurzgedicht der Sappho hinzuzufügen,
wenngleich es zur Zuordnung der einzelnen Sterne auch nichts beiträgt:

Δέδυκε μὲν ἀ σελάννα
καὶ Πληίαδες· μέσαι δὲ
νύκτες, πάρα δ᾿ἔρχετ ὤρα,
ἔγω δὲ μόνα κατεύδω.

Untergegangen ist der Mond
und die Plejaden,
es ist Mitternacht,
die Zeit vergeht,
aber ich liege allein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Florian,

da kommt ja noch einmal eine Menge historisches Wissen hinzu!
Hierfür vielen Dank!

Auch auf die Gefahr der Redundanz hin, möchte ich noch einmal festhalten:
Wir hatten ja schon am 12.12.2020 festgestellt, dass es nach allen Kriterien der Vernunft in der Antike bereits eine konkrete Zuordnung der Namen zu den Plejadensternen gegeben haben MUSS (schon allein wegen der Anzahl der Sterne 2 + 7), denn Namen werden nun mal immer konkreten Objekten zugewiesen.

Um es etwas überspitzt auszudrücken:
Wenn die Griechen von Maia gesprochen haben, dann haben sie damit denjenigen Stern gemeint, der auch heute noch von uns als Maia bezeichnet wird und (hoffentlich nicht) Alcyone etc. (aber es hat, wie wir wissen, auch Verwechslungen gegeben!).

So sind die Sternnamen über Jahrhunderte mit hoher Wahrscheinlichkeit mündlich tradiert worden.

Bei der Suche danach, in welcher Quelle die Zuordnung erstmals in Form einer Sternkarte, Liste mit Längen und Breiten der Plejadensterne oder einer Prosabeschreibung erfolgte, sind wir bisher bis zu Ricciolis Astronomia Reformata von 1665 (mit den weiteren Quellenhinweisen auf Vincentius Mutus) "vorgedrungen".

Antike Quellen mit exakten Zuordnungen wird es gegeben haben, liegen aber im Nebel der Geschichte.
Bleibt die Hoffnung, dass vielleicht noch etwas aus der Zeit vor Riccioli auftaucht...

Gruß
Achatius
 
Hallo Zusammen,

in der Tat alles sehr interessant.

Wenn die Griechen von Maia gesprochen haben, dann haben sie damit denjenigen Stern gemeint, der auch heute noch von uns als Maia bezeichnet wird und (hoffentlich nicht) Alcyone etc.
Das muss m.E. nicht mal unbedingt als so sicher angesehen werden. Da gerade auch in der Archaik die Mythen lokal in verschiedenen Versionen tradiert wurden, ist es durchaus denkbar, dass auch die Zuordnung der Namen bezüglich der Sterne regional unterschiedlich war. Kanonisierte Erzählstränge haben sich erst im Laufe der Jahrhunderte entwickelt und dann auch nur für bestimmte panhellenische Mythen. Teilweise dürften solch regionale Unterschiede auch mit dem folgenden Punkt zusammengehangen haben:

So sind die Sternnamen über Jahrhunderte mit hoher Wahrscheinlichkeit mündlich tradiert worden.
Davon ist für die griechische Archaik sogar fest auszugehen. Mündliche Tradition ist dabei natürlich per se anfällig für Übertragungsfehler. Um eine Oral Tradition schon in dieser Phase einigermaßen zu kanonisieren, müssen mehrere Umstände eintreffen. Zum Einen sollte der Text in irgendeiner Form geordnet sein, z.B. als Dichtung mit festem Schema. Zum Anderen muss eine gesellschaftliche Schicht bestehen, die durch ihr Interesse an den Inhalten dazu beiträgt, dass es sich - etwa für einen Lyriker - lohnt, diese Erzählungen samt ihrer Strukturen zu erlernen und immer wieder an verschiedenen Orten vorzutragen, so dass die kanonisierte Fassung im kollektiven Gedächtnis gespeichert und aktuell gehalten wird. Das alles wäre natürlich viel zu viel Aufwand für ein paar Sternnamen an sich und zumindest in den Texten Homers und Hesiods taucht die namentliche Zuordnung nicht auf.
Daher gehe ich zwar von mündlich tradierten Einzelnamen der Pleiadensterne aus, aber nehme an, dass diese sich eben, wie oben erwähnt, regional unterschieden und ggf. auch von Zeit zu Zeit "änderten".

Antike Quellen mit exakten Zuordnungen wird es gegeben haben, liegen aber im Nebel der Geschichte.
Das glaube ich auch. Da ja auch bereits ein sehr ausgefeiltes System zur Einordnung von Sternhelligkeiten existierte, macht es nur Sinn, dass die Sterne auch benannt waren. Sonst wäre eine Zuordnung der Helligkeiten schwierig gewesen. Hier kommt m.E. in erster Linie Hipparchos in Frage, auf dessen Forschungen ja auch Ptolemaios zu großen Teilen aufbaut.

Gruß
Florian

PS. Noch bevor ich diesen Thread entdeckt habe, ist mir bereitd die Frage in SuW aufgefallen und ich habe meine weiter oben gepostete Antwort auch dort eingesandt. Mal sehen, was da noch an Erkenntnissen rauskommt.
 
Bzgl. deines Postskriptums: Es hat sich leider nicht vermeiden lassen, dass mit der nachträglichen Publikation des SUW-Leserbriefes nun zweispurig zur gleichen Frage "weitergeforscht" wird. Der Sache ist es aber allemal dienlich...
 
Das stimmt. Vier Augen sehen immer mehr als zwei... Lässt sich exponentiell sicherlich auch auf Gehirne übertragen ;)
 
Hallo Florian,

vielen Dank für Deine Beiträge zum Thema. Von Deiner These, es müsse in der Antike eine mündliche Tradition gegeben haben, in der den einzelnen Pleiadensternen bestimmte Namen fest zugeordnet wurden, bin ich allerdings noch nicht ganz überzeugt. Natürlich kann man solche mündlichen Traditionen immer postulieren, aber ohne konkrete Hinweise bleibt das bloße Spekulation.

In der etwa 1000 jährigen Geschichte der antiken Literatur von Homer bis in die christliche Zeit hinein gibt es sehr viele Erwähnungen der Pleiaden – in der mythischen Dichtung (Homer, Hesiod), in den landwirtschaftlichen Traktaten (Varro, Plinius), in der lateinischen Dichtung (Vergil, Ovid) und in der Astronomie (Ptolemäus). Man sollte meinen, daß eine solche mündliche Tradition in irgendeiner dieser Schriften ihre Spuren hinterlassen hätte. Bisher habe ich aber nirgendwo in der antiken Literatur jene feste Zuordnung von Einzelsternen und Eigennamen gefunden, die Achatius sucht. Dein Hinweis auf Aratus ändert daran nichts, ja eigentlich ist das sogar eher ein Gegenbeispiel zu Deiner These. Aratus nimmt ja gerade keine Zuordnung der Pleiadennamen zu den einzelnen Sternen vor, und er könnte es auch gar nicht, weil er 7 Namen hat aber nur 6 Sterne.

Selbst wenn es in der Antike eine mündliche Tradition gegeben hätte, dann wäre sie wohl mit der Antike untergegangen. Für ein Fortleben einer solchen postulierten Tradition bis in die Neuzeit haben wir bisher noch keine Anzeichen gefunden.

Was die antike Literatur hinsichtlich der Benennung der Einzelsterne hergibt, ist (nach meiner bisherigen Recherche) nur dies:
  • der hellste Stern (unsere „Alcyone“) heißt „Maia“ (so Cicero und Vergil).
  • Der siebte Stern, den man manchmal nicht sieht, heißt „Elektra“, oder bei Hyginus „Merope“ (bei uns kommen dafür die beiden Sterne „Celaeno“ oder „Asterope“ in Frage).
Im 17. Jh. werden die Namen entweder erstmals vergeben, oder – wo aus der Antike im Einzelfall Namen schriftlich überliefert waren – werden sie geändert. Das sieht man erstens daran, daß bei Langrenus (und dann auch bei Mut und Riccioli), der Name „Atlas“ auftaucht. Der Stern, den wir so nennen, gehört zu den 6 Pleiadensternen, die immer schon bekannt waren. In der Antike galt er aber als eine der sieben Pleiadentöchter, nun jedoch als Vater der Pleiaden. Wenn er von der Antike herstammend einen Frauennamen gehabt hätte, wäre dieser damit geändert worden. Zweitens wird Maia in Alcyone umbenannt, wie in Ricciolis Schriften direkt abzulesen ist. Drittens erhält der siebte Stern, der in der Antike einen (oder zwei) Namen hatte, nun einen neuen Namen. Damit wird die partielle Namengebung der antiken Literatur vollständig umgestoßen.

Solange kein Beleg für das Gegenteil auftaucht, glaube ich, daß eine Einzelbenennung der Pleiadensterne erst im teleskopischen Zeitalter konsequent durchgeführt worden ist. Dies steht wohl im Zusammenhang damit, daß man nun 9 helle Sterne identifizieren konnte (und nicht wie in der Antike nur 6 oder 7). Dadurch konnte man den Eltern je einen Stern zuweisen und auch den sieben Töchtern je einen bestimmten. Meines Erachtens sprechen alle Quellen, die wir bisher gefunden haben, für diese Auffassung.

Viele Grüße
Johannes
 
Solange kein Beleg für das Gegenteil auftaucht, glaube ich, daß eine Einzelbenennung der Pleiadensterne erst im teleskopischen Zeitalter konsequent durchgeführt worden ist. Dies steht wohl im Zusammenhang damit, daß man nun 9 helle Sterne identifizieren konnte (und nicht wie in der Antike nur 6 oder 7). Dadurch konnte man den Eltern je einen Stern zuweisen und auch den sieben Töchtern je einen bestimmten. Meines Erachtens sprechen alle Quellen, die wir bisher gefunden haben, für diese Auffassung.
Wie man in der Zeichnung von Galileo im Sidereus Nuncius sieht, waren es ja nicht nur neun Sterne, aus denen man nun auswählen musste, sondern weitaus mehr. Damit wurde eine eindeutige Zuordnung, wenn sie denn vorher jemals vorhanden war, was ich bezweifle, buchstäblich über den Haufen geworfen.

Es wäre natürlich schön, wenn man bei Riccioli und Vincentius Mutus noch irgendwelche Hinweise für die Auswahl von Sternen und die Zuordnung von Namen entdecken könnte, aber ich fürchte, da verliert sich die Spur.

Gruß, Peter
 
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