Ehemaliges Mitglieder [6370]
Hallo,
hoffentlich darf ich diesen Reisebericht zum 20. „Jahr danach“ hier veröffentlichen. Den Text habe ich abgetippt, die Bilder sind neu und in Farbe.
Die Reise zur totalen Sonnenfinsternis am 11. August 1999
8. August 1999, französische Atlantikküste bei Bordeaux: Am Morgen zeigt sich der Himmel in strahlendem Blau, auch tagsüber ein prächtiger Hochsommertag, aber gegen Abend verdichten sich heraufziehende Wolken. Kurz vor Sonnenuntergang erste Regenschauer.
Wir beobachten das vom Atlantik heranziehende Wetter seit Tagen. In immer kürzeren Abständen kommen regengeladene Wolkenfronten aus dem Westen. Denkbar schlechte Aussichten die letzte totale Sonnenfinsternis des Jahrtausends bei gutem Wetter verfolgen zu können.
Nach eingehenden Studien der typischen Wetterlagen in Europa, hatten wir geplant die totale Sonnenfinsternis 1999 in Lothringen zu beobachten. Im langjährigen Durchschnitt ist hier in August mit ungewöhnlich sonnigem Wetter zu rechnen. Ganz im Gegensatz zu Gebieten weiter nördlich und westlich.
In diesem Jahr schienen sich die Verhältnisse aber umgekehrt zu haben.
Météo France, der französische Wetterdienst, verbreitet seit Tagen Wetterprognosen für den 11.8., den Tag der Sonnenfinsternis. Wenn wir denen Glauben schenken, werden wir uns morgen in die Normandie aufmachen, für die es noch die günstigste Wettervorhersage gibt.
Wie wird wohl die nächste Nacht werden? Wir wollen gegen Mittag unsere Station nahe Bordeaux aufgeben und nach Nordosten abreisen. Hoffentlich müssen wir nicht im Regen aufbrechen.
Am Nachthimmel ziehen Wolken über die dunkle Sternenpracht und ab und zu werden sie von zuckenden Blitzen beleuchtet.
Die Entscheidung nach Nord-Frankreich zu fahren, opfert wertvolle Beobachtungs-Sekunden der besseren Wetterprognose. Die Totalität auf der Zentrallinie gewinnt nach Osten an Dauer. Jetzt zwingt uns das Wetter in die entgegengesetzte Richtung.
Die Nacht war stürmisch, aber trocken. Der Tag bot gutes Abreisewetter: Wir brachen jetzt unseren Urlaub am Strand des Atlantischen Ozean ab, um die Sonnenfinsternis zu sehen.
Immer wieder wechselten blauer Himmel und dichte Wolken einander ab.
Heute, am 9. August gibt Météo France eine einheitliche Prognose für die französischen Finsternisgebiete ab: Einheitlich schlecht!
Am nächsten Morgen erreichten wir Beauvais, 25 km nördlich von Paris, von wo aus wir entscheiden wollten, ob wir uns mehr nach Norden oder doch noch auf die geplante Gegend in der Nähe von Metz zu bewegen.
Die Wetterprognose stagniert auf dem Stand des Vortages. Radiosendungen aus Deutschland vertreiben jeden Zweifel. Es wird sogar überlegt, ob man die Regenwolken über Stuttgart mit Silberjodid zum Abregnen bringen kann. Voraussichtlich lohnt es sich also nicht, die südöstliche Richtung einzuschlagen.
Flucht nach vorn! Da alles Wetter aus dem Westen kommt, kann auch Wetterbesserung nur aus dem Westen kommen. Die Würfel sind gefallen.
Seit dem Mittag des 10. August stand unser Beobachtungsort für die Sonnenfinsternis 1999 fest.
Unsere Wahl war auf Brombos, 25 km nordwestlich von Beauvais, gefallen. Ein kleines Dorf an der Grenze zwischen Picardie und Normandie, gerade noch in der Michelin-Karte verzeichnet. Hier, wo auf großen Flächen Getreide angebaut und jetzt Anfang August schon abgeerntet war, fand sich der ideale Beobachtungsplatz. Eine Hochebene mit ringsum freier Horizontsicht - direkt auf der zeitlich optimalen Beobachtungslinie. Von hier aus würden sich alle Phänomene der Sonnenfinsternis beobachten lassen: Die partiellen Phasen, das Kommen des Mondschattens, die Korona hoch am Himmel, das Schwinden des Schattens und das Vergehen der Finsternis.
Wasser in den Wein der günstigen Lage war allerdings das Wasser, das vom Himmel fiel.
Der Abend des 10. August war, zurückhaltend beschrieben, eher regnerisch. Regen auch in der folgenden Nacht.
Ein auffrischender Wind ließ dennoch auf Wetteränderung - gleichbedeutend mit: Besserung! -hoffen.
Erfüllt sich unsere Hoffnung?
11. August 1999
Gegen 6 Uhr morgens hört der Regen auf.
7 Uhr: kleine Wolkenlücken lassen blauen Himmel durchscheinen.
8 Uhr 6 Minuten: der erste direkte Sonnenstrahl dringt durch die sich ständig in südliche Richtung bewegende Wolkenschicht.
Sonnenfinsternisse zu beobachten bedeutet immer auch das Wetter zu beobachten.
Ich hatte am Vortag Müllsäcke gekauft, um die mitgebrachten Kameras, mit denen ich den Verlauf der Sonnenfinsternis dokumentieren wollte, vor Regen zu schützen.
Ab 8 Uhr 30 baute ich die Geräte auf und jedes bekam zuerst einmal einen Müllsack übergestülpt.
Auf vier Stative verteilte ich fünf Kameras. Die Plastiksäcke flatterten im Wind.
Nun war es Zeit für ein Frühstück.
9 Uhr 30, noch eine knappe Stunde bis es losgeht. Wenn das Wetter jetzt nicht besser wird, wann dann?
Es wurde besser!
Nach dem Frühstück wurden zuerst einmal die Müllsäcke, die der Präzisionsoptik gar nicht würdig waren, abgezogen. Die Regenwahrscheinlichkeit war jetzt auf Null gesunken. Der Himmel bot das Bild typischer Schönwetter-Bewölkung. Der Sonne, der in den nächsten Stunden unser Hauptinteresse galt, verschwand nur noch für jeweils wenige Augenblicke hinter vorüberziehenden Wolken.
Die Zeit bis zum ersten Kontakt des Mondes mit der Sonnenscheibe verging wie im Fluge.
Jetzt war es soweit: Unaufhaltsam würde sich der Mond vor die Sonne schieben, bis kein direktes Licht mehr zu uns dringt.
Wann immer sich die Gelegenheit bot, hatte ich in den vergangenen Tagen die Sonne mit einem mit Spezialfiltern ausgestatteten Fernglas bei achtfacher Vergrößerung beobachtet.
Nahe am Höhepunkt der in elfjährigen Zyklen schwankenden Sonnenaktivität waren jeden Tag beeindruckende Sonnenflecken auf der leuchtenden Scheibe zu sehen. Jetzt wurden sie zu Stationen der Bedeckung.
Im Vergleich zu der 1998 von Guadeloupe aus beobachteten Sonnenfinsternis spürten wir die bedrohliche Atmosphäre, ausgelöst durch den Rückzug des Lichts, der die Landschaft in einen düsteren Schatten tauchte, recht früh.
Noch verbot die Helligkeit der Sonne jeden ungefilterten Blick auf das Tagesgestirn und der Grund für diese Merkwürdigkeit blieb verborgen. Die durch die Wetterbesserung auf 24 Grad Celsius gestiegene Temperatur, fiel bis zur Totalität während einer halben Stunde um zehn Grad, auf 14 Grad Celsius ab.
Die letzten Minuten vor der Totalität vergehen erfahrungsgemäß immer besonders schnell. Also eiligst noch die Kameras auf die neue Situation eingestellt. Wie hakelig doch die Mechanik irdischer Gerätschaft funktioniert. Die Aufregung wird spürbar!
Jetzt kommt der Mondschatten über den Westhorizont.
Eine Weitwinkel-Kamera ist auf ihn gerichtet. Von der tausendstel Sekunde fällt die Belichtungszeit auf eine volle Sekunde ab. Der nachtblaue Mondschatten erzeugt eine eigentümliche Rundum-Dämmerung am Horizont wähend über uns helle Sterne sichtbar werden.
hoffentlich darf ich diesen Reisebericht zum 20. „Jahr danach“ hier veröffentlichen. Den Text habe ich abgetippt, die Bilder sind neu und in Farbe.
Die Reise zur totalen Sonnenfinsternis am 11. August 1999
8. August 1999, französische Atlantikküste bei Bordeaux: Am Morgen zeigt sich der Himmel in strahlendem Blau, auch tagsüber ein prächtiger Hochsommertag, aber gegen Abend verdichten sich heraufziehende Wolken. Kurz vor Sonnenuntergang erste Regenschauer.
Wir beobachten das vom Atlantik heranziehende Wetter seit Tagen. In immer kürzeren Abständen kommen regengeladene Wolkenfronten aus dem Westen. Denkbar schlechte Aussichten die letzte totale Sonnenfinsternis des Jahrtausends bei gutem Wetter verfolgen zu können.
Nach eingehenden Studien der typischen Wetterlagen in Europa, hatten wir geplant die totale Sonnenfinsternis 1999 in Lothringen zu beobachten. Im langjährigen Durchschnitt ist hier in August mit ungewöhnlich sonnigem Wetter zu rechnen. Ganz im Gegensatz zu Gebieten weiter nördlich und westlich.
In diesem Jahr schienen sich die Verhältnisse aber umgekehrt zu haben.
Météo France, der französische Wetterdienst, verbreitet seit Tagen Wetterprognosen für den 11.8., den Tag der Sonnenfinsternis. Wenn wir denen Glauben schenken, werden wir uns morgen in die Normandie aufmachen, für die es noch die günstigste Wettervorhersage gibt.
Wie wird wohl die nächste Nacht werden? Wir wollen gegen Mittag unsere Station nahe Bordeaux aufgeben und nach Nordosten abreisen. Hoffentlich müssen wir nicht im Regen aufbrechen.
Am Nachthimmel ziehen Wolken über die dunkle Sternenpracht und ab und zu werden sie von zuckenden Blitzen beleuchtet.
Die Entscheidung nach Nord-Frankreich zu fahren, opfert wertvolle Beobachtungs-Sekunden der besseren Wetterprognose. Die Totalität auf der Zentrallinie gewinnt nach Osten an Dauer. Jetzt zwingt uns das Wetter in die entgegengesetzte Richtung.
Die Nacht war stürmisch, aber trocken. Der Tag bot gutes Abreisewetter: Wir brachen jetzt unseren Urlaub am Strand des Atlantischen Ozean ab, um die Sonnenfinsternis zu sehen.
Immer wieder wechselten blauer Himmel und dichte Wolken einander ab.
Heute, am 9. August gibt Météo France eine einheitliche Prognose für die französischen Finsternisgebiete ab: Einheitlich schlecht!
Am nächsten Morgen erreichten wir Beauvais, 25 km nördlich von Paris, von wo aus wir entscheiden wollten, ob wir uns mehr nach Norden oder doch noch auf die geplante Gegend in der Nähe von Metz zu bewegen.
Die Wetterprognose stagniert auf dem Stand des Vortages. Radiosendungen aus Deutschland vertreiben jeden Zweifel. Es wird sogar überlegt, ob man die Regenwolken über Stuttgart mit Silberjodid zum Abregnen bringen kann. Voraussichtlich lohnt es sich also nicht, die südöstliche Richtung einzuschlagen.
Flucht nach vorn! Da alles Wetter aus dem Westen kommt, kann auch Wetterbesserung nur aus dem Westen kommen. Die Würfel sind gefallen.
Seit dem Mittag des 10. August stand unser Beobachtungsort für die Sonnenfinsternis 1999 fest.
Unsere Wahl war auf Brombos, 25 km nordwestlich von Beauvais, gefallen. Ein kleines Dorf an der Grenze zwischen Picardie und Normandie, gerade noch in der Michelin-Karte verzeichnet. Hier, wo auf großen Flächen Getreide angebaut und jetzt Anfang August schon abgeerntet war, fand sich der ideale Beobachtungsplatz. Eine Hochebene mit ringsum freier Horizontsicht - direkt auf der zeitlich optimalen Beobachtungslinie. Von hier aus würden sich alle Phänomene der Sonnenfinsternis beobachten lassen: Die partiellen Phasen, das Kommen des Mondschattens, die Korona hoch am Himmel, das Schwinden des Schattens und das Vergehen der Finsternis.
Wasser in den Wein der günstigen Lage war allerdings das Wasser, das vom Himmel fiel.
Der Abend des 10. August war, zurückhaltend beschrieben, eher regnerisch. Regen auch in der folgenden Nacht.
Ein auffrischender Wind ließ dennoch auf Wetteränderung - gleichbedeutend mit: Besserung! -hoffen.
Erfüllt sich unsere Hoffnung?
11. August 1999
Gegen 6 Uhr morgens hört der Regen auf.
7 Uhr: kleine Wolkenlücken lassen blauen Himmel durchscheinen.
8 Uhr 6 Minuten: der erste direkte Sonnenstrahl dringt durch die sich ständig in südliche Richtung bewegende Wolkenschicht.
Sonnenfinsternisse zu beobachten bedeutet immer auch das Wetter zu beobachten.
Ich hatte am Vortag Müllsäcke gekauft, um die mitgebrachten Kameras, mit denen ich den Verlauf der Sonnenfinsternis dokumentieren wollte, vor Regen zu schützen.
Ab 8 Uhr 30 baute ich die Geräte auf und jedes bekam zuerst einmal einen Müllsack übergestülpt.
Auf vier Stative verteilte ich fünf Kameras. Die Plastiksäcke flatterten im Wind.
Nun war es Zeit für ein Frühstück.
9 Uhr 30, noch eine knappe Stunde bis es losgeht. Wenn das Wetter jetzt nicht besser wird, wann dann?
Es wurde besser!
Nach dem Frühstück wurden zuerst einmal die Müllsäcke, die der Präzisionsoptik gar nicht würdig waren, abgezogen. Die Regenwahrscheinlichkeit war jetzt auf Null gesunken. Der Himmel bot das Bild typischer Schönwetter-Bewölkung. Der Sonne, der in den nächsten Stunden unser Hauptinteresse galt, verschwand nur noch für jeweils wenige Augenblicke hinter vorüberziehenden Wolken.
Die Zeit bis zum ersten Kontakt des Mondes mit der Sonnenscheibe verging wie im Fluge.
Jetzt war es soweit: Unaufhaltsam würde sich der Mond vor die Sonne schieben, bis kein direktes Licht mehr zu uns dringt.
Wann immer sich die Gelegenheit bot, hatte ich in den vergangenen Tagen die Sonne mit einem mit Spezialfiltern ausgestatteten Fernglas bei achtfacher Vergrößerung beobachtet.
Nahe am Höhepunkt der in elfjährigen Zyklen schwankenden Sonnenaktivität waren jeden Tag beeindruckende Sonnenflecken auf der leuchtenden Scheibe zu sehen. Jetzt wurden sie zu Stationen der Bedeckung.
Im Vergleich zu der 1998 von Guadeloupe aus beobachteten Sonnenfinsternis spürten wir die bedrohliche Atmosphäre, ausgelöst durch den Rückzug des Lichts, der die Landschaft in einen düsteren Schatten tauchte, recht früh.
Noch verbot die Helligkeit der Sonne jeden ungefilterten Blick auf das Tagesgestirn und der Grund für diese Merkwürdigkeit blieb verborgen. Die durch die Wetterbesserung auf 24 Grad Celsius gestiegene Temperatur, fiel bis zur Totalität während einer halben Stunde um zehn Grad, auf 14 Grad Celsius ab.
Die letzten Minuten vor der Totalität vergehen erfahrungsgemäß immer besonders schnell. Also eiligst noch die Kameras auf die neue Situation eingestellt. Wie hakelig doch die Mechanik irdischer Gerätschaft funktioniert. Die Aufregung wird spürbar!
Jetzt kommt der Mondschatten über den Westhorizont.
Eine Weitwinkel-Kamera ist auf ihn gerichtet. Von der tausendstel Sekunde fällt die Belichtungszeit auf eine volle Sekunde ab. Der nachtblaue Mondschatten erzeugt eine eigentümliche Rundum-Dämmerung am Horizont wähend über uns helle Sterne sichtbar werden.
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