Visuelle Grenzgröße von 8 Mag - ist das realisitsch?

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Gerrit Erdt

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Moin Zusammen,

ich beschäftige mich momentan damit, mir eine mobile Möglichkeit zur Grenzgrößenbestimmung vorzubereiten. Dabei habe ich natürlich als Erstes die Bortle-Skala zurate gezogen, da man so schnell einen guten Überblick über die Bedingungen bekommen kann.

Bei dieser Tabelle hier ist bei Bortle 1 eine maximale visuelle Grenzgröße von 8 Mag verzeichnet. Mir persönlich erscheint das arg hoch, ich bin aber auch kein besonders erfahrener Beobachter und war erst zweimal in den Alpen unter wirklich dunklem Himmel.

Was sagt ihr dazu? Habt ihr solche Werte schon einmal erreichen können?


Freundliche Grüße und baldige CS
Gerrit
 
Einen wirklich dunklen Himmel hast Du auch in den Alpen nicht, ich war schon oft in über 3000m Höhe in den Alpen bei sehr klarem Himmel bei Neumond aber M33 mit bloßem Auge ? Nööö.... M31 sieht man dann aber schon recht deutlich im Gegensatz zum Garten daheim (ich hab hier Bortle 4)
Vielleicht sind meine Augen zu schlecht, aber mir scheint die Skala auch übertrieben, den dunkelsten Himmel den ich je erlebt hab war im bolivanischen Altiplano, fast 5000m hoch, kein Licht weit und breit, aber 8 Mag ? no way ! Ist aber nur meine persönliche Einschätzung. Fotografiert hab ich damals leider noch nicht.
 
M33 konnte ich bisher in den Alpen mit bloßem Auge erahnen (weil ich wusste, wo ich gucken muss), auf 1600m in den Wölzer Tauern. Aber klar, absolut Dunkel ist es auch da natürlich nie.

Auf 3000m und mehr kann es sein, dass du zu wenig Sauerstoff für die Augen hattest. Selbst wenn du gut akklimatisiert bist, und ansonsten keine Symptome von Sauerstoffmangel merkst, können deine Augen schon darauf reagieren, indem sie weniger empfindlich auf Licht reagieren. Ich habe öfter gelesen, dass man visuellen Beobachtern als grobe Faustregel empfiehlt, nicht höher als 2000m zu Arbeiten, da ab dort die Nachteile wieder überwiegen.

Aber bei den Standorten, an denen du warst, entsteht echt Neid, gerade auf die 5000m werde ich wohl leider nie kommen... Für die Fotografie ist das mit dem Sauerstoffmangel ja erst wesentlich weiter oben problematisch.

CS Gerrit
 
Hallo Gerrit, hallo zusammen,

das erscheint auf den ersten Blick zwar hoch, könnte aber aber aus meiner Sicht durchaus bzw. fast erreicht werden. Jedoch bedarf es einiger Vorbedingungen:

- Absolut natürlich dunkler Himmel ohne jegliches Streulicht. Man beachte: Selbst die besten Standorte in den Alpen sind nicht mehr "ideal" dunkel und erreichen nicht ganz 22,0 mag SQM.
- Perfekte, maximale Transparenz in Zusammenhang mit geeigneter Höhe über NN (max. ca. 2500m).
- Hohe individuelle Fähigkeiten
- Vollständig dunkeladaptierte Augen
- Viel Beobachtungserfahrung

Unter diesen Voraussetzungen könnte dies klappen. Ich habe es noch nicht versucht, konnte jedoch schon eindeutig Sterne bis 7,4 mag im Kasteninneren von UMi bei einem nicht ganz perfekten ca. 21,7 mag SQM Himmel mit freiem Auge erkennen.

P.S.: Sehr große Höhen über NN reduzieren die Erkennbarkeit aufgrund Sauerstoffmangels. Man müsste also schon zusätzliches O2 mitnehmen, um dies zu vermeiden. ;) M33 habe ich in den Alpen schon oft mit freiem Auge erkennen können, war allerdings nicht gerade trivial.

Viele Grüße
Werner
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber bei den Standorten, an denen du warst, entsteht echt Neid, gerade auf die 5000m werde ich wohl leider nie kommen... Für die Fotografie ist das mit dem Sauerstoffmangel ja erst wesentlich weiter oben problematisch.

CS Gerrit
Ich war damals gut akklimatisiert, das ist auch nötig sonst ist das heikel in der Höhe, aber etwas ganz besonderes hat diese Ecke auch : Der Himmel ist so klar und es hat so wenig Streulicht, dass man dort auch am Tag bei strahlendem Sonnenschein Sterne sehen kann, ich kann nicht sagen bis zu welcher Größenklasse runter aber da es mehrere waren würde ich schon schätzen bis mag 0,5.
Das mit der Sauerstoffversorgung im Auge ist ein interessanter Punkt, das muß ich mal recherchieren.
 
Hallo zusammen,

Ihr habt mir wohl einiges voraus was die Erfahrung mit sehr guten Standorten angeht, ich kam bisher maximal bis 6,8m.

Werner hat ja die entsprechende Beobachtungserfahrung erwähnt. Was ich mich dabei Frage ist, wie wahrscheinlich es ist, dass man einen Stern nur "sieht", weil man weiß, wo er sein sollte. Dadurch würde die Messung ja künstlich in die Höhe getrieben werden.

Und wie kann man (in Europa) eigentlich am besten die Transparenz erhöhen? Mehr Höhe ist klar, aber das geht ja nur begrenzt und ist auch nicht immer Vorteilhaft. Wenn man also mal die Alpen anschaut, was kann man da machen, um möglichst gute Transparenz zu bekommen?

CS Gerrit
 
Trocken, dunkel, etwas abgeschirmt und hoch.
Aber Höhe alleine ist es nicht, den höchsten Beobachtungsstandort den ich in den Alpen kenne, die Cappana Margharita, eine Hütte auf dem Gipfel der Signalkuppe, 4550m hoch bekommt die volle Lichtdröhnung von Mailand ab..
Sehr dunkle Standorte findet man meiner Erfahrung nach am besten in Kärnten, ich mag den Stausee am Ende des Maltatals (Kölnbreinsperre) und die Nockalmstrasse, zu Fuß kenne ich noch ein paar Punkte in den Triebener und Wölzer Tauern.
In Tirol die Kaunertaler Gletscherstrasse, das Sellrain (Finstertalsperre, Westfalenhaus usw.) in der Schweiz die Unterengadiner Dolomiten, dort liegt der Schweizer NP, es hat wenig Besiedlung, na Du siehst es gibt schon einge Ecken.
 

Hallo,

Gibt es da Parkplätze oder gute Stellen an dem das Teleskop aufgestellt werden kann?
Ich selbst kenne nur die Edelweißspitze, die aber unter den "Testfahrern" leidet. Am Silvretta Stausee war ich ebenfalls schon einmal.

Die Nockalmstrasse kenne ich nur vom Finger auf der Landkarte, von der Kaunertaler Gletscherstrasse lese ich hier das erste mal. Mein Problem ist es, das ich diese Orte nicht in der Realität kenne und zum mal kurz dort hin fahren um zu sehen wo dort ungestört ein Teleskop aufgestellt werden kann sind sie leider zu weit weg.

Viele Grüße
Gerd
 
Hallo,

Gibt es da Parkplätze oder gute Stellen an dem das Teleskop aufgestellt werden kann?
Ich selbst kenne nur die Edelweißspitze, die aber unter den "Testfahrern" leidet. Am Silvretta Stausee war ich ebenfalls schon einmal.

Die Nockalmstrasse kenne ich nur vom Finger auf der Landkarte, von der Kaunertaler Gletscherstrasse lese ich hier das erste mal. Mein Problem ist es, das ich diese Orte nicht in der Realität kenne und zum mal kurz dort hin fahren um zu sehen wo dort ungestört ein Teleskop aufgestellt werden kann sind sie leider zu weit weg.

Viele Grüße
Gerd

Ja, es gibt Parkplätze, wie überall nehmen aber die Wohnmobilurlauber mehr und mehr zu, so dass wie überall zu befürchten ist, dass man dort irgendwann nicht mehr über nacht stehen darf. Letztes Jahr wars aber noch kein Problem. Die Sicht ist natürlich etwas eingeschränkt, da ja rundherum Berge stehen, aber genau das sichert auch die Dunkelheit. Das gilt auch für die Kaunertaler Strasse, dort fotografiere ich am Parkplatz der Ochsenalmbahn, der Parkplatz ganz oben ist zwar höher (2750m) aber dort nervt die Beleuchtung der Seilbahn, außerdem ist im Süden die Weisseespitze sehr im Weg und es liegt auch im Sommer noch Schnee der es dann schon wieder etwas heller macht.
 
Hallo Gerd, hallo zusammen,

ist wahrscheinlich nicht einfach, alles unter einen Hut zu bekommen.

Irgendwelche Nachteile wird es vermutlich an fast allen Standorten geben. Ich habe schon sehr oft seit 1996 von der Emberger Alm aus beobachtet. Sicherlich gibt es noch ein klein wenig dunklere Standorte in den Alpen, aber diese sind oftmals viel schlechter zu erreichen und die entsprechende "Infrastruktur" ist evtl. auch nicht vor Ort.

Die aller besten Werte gehen dort laut vorliegenden Messungen bis ca. 21,8 mag SQM. Das ist schon ziemlich gut. Diese Werte werden in nordöstlicher Richtung erreicht. Nach Süden hin macht sich seit Jahren die zunehmende Aufhellung v.a. von Italien etwas störend bemerkbar. Das muss man wissen, sollte man dorthin fahren wollen.

Nichts desto trotz gibt es gravierende Vorteile dort:

- Infrastruktur inkl. Teleskopabstellhütten für Sterngucker vorhanden
- Viele Übernachtungsmöglichkeiten in 3 Gasthöfen und/oder mehreren Hütten
- Sehr gute Aufstellmöglichkeiten auch von größeren Fernrohren
- Teilweise vorgefertigte Beton-Plattformen inkl. Betonsäulen zur Befestigung von Montierungen für Fotografen
- Sehr selten stärkere Winde bei der nächtlichen Beobachtung
- Beobachtunghöhe ca. 1800 m über NN
- Beobachtungsplätze über befestigte Wege und/oder asphaltierte Straßen erreichbar

Diese Vorteile überwiegen für mich.

Viele Grüße
Werner
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo,

Vielen Dank für eure Infos.
Die Emberger Alm kommt sicher wieder in Betracht. Vor vielen Jahren war ich dort zu Gast.
Im diesem Jahr wird es wahrscheinlich nichts mehr mit Beobachten in Österreich, es bleibt zu hoffen das es im nächsten Jahr wieder besser wird.

Viele Grüße
Gerd
 
Hallo zusammen,

auf der Emberger Alm war ich schon mehrmals und hatte dort den SQM-Bestwert von 21,65 (altes SQM ohne Linse). In Namibia maß das selbe Gerät einmal 22,35 und dieser Himmel war nicht nur sehr dunkel, sondern auch sehr transparent. Traumhaft, aber auch in Namibia ist nicht jede Nacht derart exzellent.

Ich möchte euch auf eine Sache hinweisen, die m.E. für diese Diskussion sehr wichtig ist. wenn wir ein SQM benutzen, machen wir eine Messung. Wenn wir die Grenzgröße schätzen (Anzahl von Sternen in einem Bereich, welcher ist der schwächste Stern den ich sehen kann und den schaue ich dann in einem Kartenprogramm etc. nach), dann kommen da subjektive Faktoren hinzu. Das habt ihr ja schon erwähnt, z.B. die Kondition des Beobachters, seine Erfahrung, wahrscheinlich auch das Vorwissen wo das schwache Objekt ist.

Wenn zeitgleich mehrere Leute am selben Ort schätzen, kommt eine ziemliche Spanne von fst-Schätzungen zustande, eine ganze Magnitude oder mehr habe ich schon vernommen. Woher kommt das?

Ich kann euch das nicht wissenschaftich schlüssig beweisen und habe dazu weder eine Studie gelesen noch durchgeführt. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es an individuellen Unterschieden der Sehschärfe liegt. In einem Rechenmodell für die fst, das Bradley Schaefer aufgestellt und bereits in den 90ern in Sky&Telescope veröffentlicht hat, sind viele Parameter berücksichtigt. Da es praktischerweise von Paul Rodman (Autor der Software "Astroplanner") eine Implementierung des Schaefer'schen Modelle gibt, wo man selber an den Reglern drehen kann, ist eine Sensitivitätsanalyse schnell gemacht: welcher Paramter hat den größten Einfluß? Ich hatte vor mehr als 10 Jahren mit diesem Ding mal versucht, eigene Erfahrungen nachzuvollziehen und kam nie und nimmer auf die angegebenen Grenzgrößen, die mir durchgehend als viel zu gut erschienen.

Hier gibt es dieses Tool: Visual Limiting Magnitude

Erst als ich an der Sehschärfe gedreht habe, wurden die Werte erheblich besser!

Will sagen: unsere Schätzungen der fst hängen stärker von der individuellen Sehschärfe ab, als viele andere Parameter. An denen kann man recht viel drehen, ohne dass sich das so deutlich auswirkt wie bei der Sehschärfe.

Nachts ist man tendenziell kurzsichtig, auch wenn man sonst keine Brille braucht (Nachtmyopie). Und mir ist jedesmal beim Beobachten mit einer "aktualisierten" Brille aufgefallen, dass ich damit schwächere Sterne sehen konnte als mit der alten Brille, die nicht meghr so genau passte - jedoch bei Nacht durchaus noch ganz gut zu gebrauchen war.

Damit ist m.E. klar,
* wovon die unterschiedlichen fst-Schätzungen verursacht werden
* dass fst-Schätzungen für Standortvergleiche oder die Beschreibung von Beobachtungsbedingungen eher schlecht zu gebrauchen sind und
* dass man am besten eine Messung macht, statt zu schätzen. Messen kann man mit dem SQM oder mit einer Digitalkamera.

Last but not least: der Himmel kann sehr dunkel sein, aber er muss nicht gleichzeitig sehr transparent sein. In diesem Sinn wäre wieder fst schätzen besser als das SQM, das ja im finsteren Keller traumhafte Werte messen kann ;-) Wir sehen, es ist und bleibt tricky.

Clear skies,
Tom
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Tom,

in Namibia war ich leider noch nicht, schade. :whistle: Kommt irgendwann mal, wenn man wieder uneingeschränkt reisen kann. Ich habe an anderen Standorten in der Welt (Rocky Mountains, Arizona oder auch im Hochland von Bali) schon sehr dunklen Himmel erlebt, welcher wohl ähnlich gut sein dürfte wie in Namibia.

Allerdings hatte ich damals keine Messungen oder Schätzungen vorgenommen. Teleskop hatte ich da auch nicht mit.

Ich kann deine Ausführungen sehr gut nachvollziehen. Die individuellen Unterschiede der Beobachter ist in den meisten Fällen der springende Punkt. Ich hatte dies ebenfalls oben mit erwähnt. Es kommt ja oft auf Teleskoptreffen vor, dass mehrere Personen zusammenstehen und den dunklen Himmel mit freien Augen gemeinsam anschauen. Da sieht man sehr schön, welche Unterschiede in der Erkennbarkeit schwacher Lichtquellen existieren. Genauso groß sind die Unterschiede im zweifelsfreien, freiäuigen Auflösen von engen (+ schwachen) Doppelsternen (z.B. Epsilon Lyr) .

Viele Grüe
Werner
 
Bei der Nachtmyopie gibt es eigentlich zwei Ursachen: Erstens hat das Auge mit Stäbchensehen eine kürzere Wellenlänge (etwa 507 statt 555 nm) und der Brennpunkt für den kleinsten Spot ist dann kürzer zweitens hat das Auge bei offener Pupille eine spärische Aberration, die von Beobachter zu Beobachter unterschiedlich ausfällt, und das Bild merklich verschmiert und bei offener Pupille zu einer insgesamt kürzeren Brennweite führt
Deshalb ist die größte Austrittspupille nicht immer beste Wahl beim Nutzen von Ferngläsern und Teleskopen.
Ausserdem wird die Linse mit höherem Alter trüber, was man nicht unbedingt merkt aber Transmission geht verloren.
Der Hintergrund ist auch nie ganz dunkel wegen Rekombinationsleuchten (Airglow) das bei sehr guter Transparenz heller sein kann als bei schlechter. (trotzdem sollte man beim transparenteren Himmel mehr sehen)
Felix
 
Und mir ist jedesmal beim Beobachten mit einer "aktualisierten" Brille aufgefallen, dass ich damit schwächere Sterne sehen konnte als mit der alten Brille, die nicht meghr so genau passte - jedoch bei Nacht durchaus noch ganz gut zu gebrauchen war.
Hi!

Zu dem Thema "Brille für die Astronomie" gibt es ein Video von Erik Wischnewski:
(Zum eigentlichen Thema kommt er ab 5:00 min.)
Bei der Brille für nachts sollte man nach Wischnewski den Zylinder reduzieren und die sphärische Brechkraft erhöhen.

Gruß
Wolfgang
 
Hallo Wolfgang,

danke für den interessanten Link. :y:

Es kommt allerdings sehr darauf an, ob am Nachthimmel eine Überkorrektur entsteht oder eine leichte Unterkorrektur vorhanden ist. Streng genommen muss man das messen lassen, da die Krümmung der Linse nicht homogen sein muss. (Tageslichtpupille ca. 3 mm und geöffnete Pupille >5 mm ). Bei Überkorrektur benötigt man ein optisch korrigiertes Glas, bei leichter Unterkorrektur kann das Auge evtl. nachjustieren. Ich habe das mal bei Rodenstock bestimmen lassen.

In meinem Fall waren die sphärischen Werte bei geöffneter und Tageslichtpupille so gut wie identisch, d.h. eine "Nachtbrille" benötige ich nicht.

Viele Grüße
Werner
 
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