Wahres Gesichtsfeld berechnen

Status
Es sind keine weiteren Antworten möglich.
Für mein Astronomieprogramm versuche ich gerade, das wahre Gesichtsfeld herauszufinden, komme aber auf keinen grünen Zweig.

Herstellerangaben:
Brennweiten: 400/18mm (=22,2x)
Feldblende: 23,4mm
scheinbares Gesichtsfeld: 65°

Schmeißen wir also mal den Taschenrechner an:

wGF=65°(400mm/18mm) = 2,952°

Oder aber:

wGF=(23,4mm/400mm)*57,3° = 3,35°

Das ist jetzt nicht ganz der volle Mond in der Differenz, aber mehr, als mein Mak bei ~230 Fach noch anzeigen kann - wenn ich denn dann noch etwas erkennen könnte.

Jetzt ist die Frage: Habe ich etwas übersehen oder stimmen die Herstellerangaben schlicht nicht? In diesem Fall könnten dann ja beide Ergebnisse falsch sein.

Ich habe das einmal mit 2 anderen Okularen verglichen, da sind beide Rechenwege recht deckungsgleich. Aber das kann vielleicht ja auch Zufall bei der Auswahl sein, daher würde ich mich hier gerne noch einmal vergewissern

Danke & Gruß

Ede
 
Moin Ede!

Die beiden Rechnungen oben sind an sich richtig. Mir sind solche Diskrepanzen vor Jahren schon aufgefallen, seitdem vermesse ich jedes meiner Okulare lieber selbst am Himmel. Dazu nimmt man natürlich am besten ein Festbrennweiten-Teleskop (kein SCT o.ä. mit HS-Verstellung!).
Mittels Astro-Programm und gleichzeitigem Blick in den Sternenhimmel läßt sich das wahre Okular-GF gut bestimmen. Ein bißchen mit dem Wert im Programm herumspielen, dann decken sich Anblick und Darstellung im Okularkreis des Programms.
Wenn man das mit mehrern Okularen und möglichst demselben Instrument macht, kommt man schon auf die genauen Werte. Was jetzt noch als Fehlerquelle übrigbleibt, wäre eine falsche Brennweitenangabe bei Okular oder Teleskop. Aber das eleminiert man mit der Zeit und dem Einsatz mehrerer Teleskope, wenn möglich. Zur Not mißt man noch EP (Objektiv-Ø) und AP (Schieblehre) --> V = EP / AP.

Jedenfalls sind mir schon einige Mogeleien bei den Okularen aufgefallen, sowohl zum Schlechteren als auch zum Besseen. Schön aber, wenn die Angabe auf dem Okular tatsächlich mit der eigenen Messung übereinstimmt.
 
Hallo Ede,

(1) Zunächst mal zum wahren Gesichtsfeld (wGF):

Das wGF berechnet sich trigonometrisch aus Feldblende (FB) und Brennweite F des Teleskops zu

wGF = 2 atan [(FB/2)/F] = 3,351°

Für kleine Winkel von weniger als 5° macht es praktisch keinen Unterschied, wenn man den Tangens des Winkels durch den Winkel im Bogenmaß ersetzt. Damit erhält man die folgende Näherungsformel

wGF ~ (FB/F) 180° / pi ~ 3,352°

Der von Dir berechnete Wert für das wahre Gesichtsfeld ist also korrekt.

(2) Nun zum scheinbaren Gesichtsfeld (sGF):

Das scheinbare Gesichtsfeld sGF eines Okulars wird im wesentlichen durch das Verhältnis von Feldblendenöffnung und Brennweite des Okulars bestimmt. Bei astronomischen Weitwinkelokularen mit einem sGF von mehr als 50° kommt es dabei auch noch wesentlich auf das optische Design an. Man unterscheidet insbesondere rektilinear und winkeltreu abbildende Optiken, wobei astronomische Weitwinkelokulare praktisch immer eine winkeltreue Abbildung anstreben.

Die Berechnung des scheinbaren Gesichtsfeldes weicht dann bei großen Feldern je nach Abbildungsgesetz erheblich voneinander ab. Selbst im vorliegenden Fall (FB = 23,4 mm, F_o = 18 mm) für ein Okular mit einem nominellen Feld von 65° erhalten wir je nach Abbildungsgesetz bereits erheblich unterschiedliche Werte

(a) rektilinear

sGF = 2 atan [(FB/2)/F_o] = 66,0°

(b) winkeltreu

sGF = (FB/F_o) 180°/ pi = 74,5°

Bei echten Weitwinkelokularen mit nominellen Feldern von 82° oder sogar mehr als 100° sind die Unterschiede natürlich noch erheblich größer. Die Unterschiede zeigen jedenfalls, dass das Okulardesign bei Weitwinkelokularen einen wesentlichen Einfluss auf das erreichbare scheinbare Gesichtsfeld hat. Die beiden genannten Fälle sind Idealisierungen, von denen realistische Okulare mehr oder weniger abweichen werden. Damit erklären sich dann auch scheinbare Widersprüche zwischen den Berechnungen mit verschiedenen Formeln.

Gruß, Peter
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo zusammen!

Ich habe gerade mal für alle Televue Ethos-Okulare beide Berechnungsmethoden verglichen. Das passt sehr gut. Für den schnelleren Vergleich habe ich die Werte jeweils wieder in das scheinbare Gesichtsfeld umgerechnet.

F_o ........ sGF ... sGF_ber
21 mm: 100° / 98,8°
17 mm: 100° / 99,8°
13 mm: 100° / 98,3°
10 mm: 100° / 101,4°
8 mm: 100° / 99,6°
6 mm: 100° / 99,3°
4,7 mm: 110° / 109,0°
3,7 mm: 110° / 109,0°

F_o: Okularbrennweite
sGF: scheinbares Gesichtsfeld laut Hersteller
sGF_ber: scheinbares Gesichtsfeld aus Feldblendendurchmesser berechnet

Gruß
Wolfgang
 
Hi Zusammen,

die tatsächlich erzielten scheinbaren Gesichtsfelder sind auch nicht ganz unabhängig vom Teleskop und anderen vorgeschalteten Optiken. Am bekanntesten ist das noch bei Barlows: Je größer deren Faktor und je kürzer sie gebaut sind - also eigentlich je größer deren absolute (weil negative) Brennweite ist, desto mehr verlagert sich die Austrittspupille des Okulars von der Augenlinse weg, d.h. man gewinnt Augenabstand. Das ist das resultat aus einem veränderten Strahlengang im Okular und das hat auch Einfluss auf das scheinbare Gesichtsfeld.
Zur Messung des sGF habe ich mir eine Apparatur zusammengestellt, die auf einem digitalen Winkelmesser und einem Laserpointer basiert. Das ganze ist relativ komplex bezüglich der Positionierung, lässt sich aber ganz gut kollimieren, indem man das Okular über diverse Stellschrauben so positioniert, bis man den maximalen Winkel erzielt, mit dem der Laser durch die Augenlinse hindurch noch in der ursprünglichen Bildebene ankommt. Das macht man natürlich nach jeder Seite hin und addiert. Vignettierungseffekte berücksichtigt das Verfahren nicht und es misst eben ohne die EP eines Teleskops - die kann das Ergebnis aber lediglich (etwas) verschlechtern.
Dabei zeigt sich, dass beispielsweise TeleVue (gewohnt) seriöse Angaben macht. Das 24mm Panoptic z.B. kommt eben wirklich auf 68,6°. Mein LVW 22 (neuere, kurze Version) landete bei 64,3°, das LVW 42 (man beachte die Diskussion um 72° oder 65° Aufdruck) erzielte 69,8°. Ein 40mm Plössl "Meade Serie 4000" schaffte es auf 39,5° und das Angeleyes 27mm SWA 70° erzielte 52,4°. Von letzterem ist bekannt, dass es ohne 1,25" Steckhülse ein deutlich größeres Feld schafft, aber so konnte ich es im Okularauszug meiner Justiereinheit nicht befestigen.
Mein einziges Ethos, das 21mm, bringt es auf 99,9°, allerdings mit einem leichten Handycap: Es ist so dick, dass es auf einer Befestigungsschraube aufsetzt, ehe der Laser exakt auf der Mitte ist. Meine einzige weitere 100° Option, das 14mm 100° von ES bringt es auf 100,4°.

OK, nochmal als Tabelle:
24mm Panoptic68,6°
LVW 22 (kurz)64,3°
LVW 4269,8°
Meade Sereie 4000 Plössl 40mm39,5°
Angeleyes 27mm SWA 70°52,4°
Ethos 21mm>99,9°
Explore Scientific 14mm 100°100,4°
Explore Scientific 24mm 68°68,2°

Clear Skies
Sven
 
Zur Messung des sGF habe ich mir eine Apparatur zusammengestellt, die auf einem digitalen Winkelmesser und einem Laserpointer basiert.
Man kann das scheinbare Gesichtsfeld von Okularen auch mit ganz simplen Hilfsmitteln wie einfachen Maßstäben und elementarer Trigonometrie bestimmen. Das wurde vor mehr als zehn Jahren hier schon mal von Martin Raabe beschrieben und ich habe mit dieser Methode auch einige TV-Okulare aus meinem Fundus vermessen:

Messung des scheinbaren Gesichtsfeldes

Auch für die dort untersuchten Okulare stimmten die gemessenen SGF-Werte am besten mit der winkeltreuen Berechnungsmethode überein.
 
Wow. Vielen Dank, das werde ich mir gleich mal zu Gemüte führen. Vor allem Rektlinear und Winkeltreu wecken unschöne Erinnerungen ans Landkarten projezieren :)

In einem englischen Forum habe ich noch die Rauchmethode zum Bestimmen gefunden, allerdings ist mir die nicht ganz klar, weil der obere Bezugspunk (noch) fehlt, würde ich aber auch wegen evtl. Ablagerungen nicht machen wollen.

https://www.cloudynights.com/topic/577114-eyepiece-afov-calculation/#entry7878157
 
> in der Tat, es passt sehr gut, aber eben nur mit der winkeltreuen Berechnungsmethode.

Tja, Leute, alles schön und gut - aber wißt ihr denn nun, welches GF das entsprechende Okular am Himmel liefert? Bisher sehe ich nur wieder schöne Zahlenspielereien.

Beispiel: 20 mm TS-WA Erfle 68° (sGF lt. Händler), Feldblende 25 mm, Teleskop 900 mm Brennweite.
- Rechnung über sGF / V ergibt 1,51°
- Rechnung über Blende (winkeltreu): 1,59°
- tatsächlich gemessen: 1,55° (= 70° sGF!)

Bleibt die Frage, ob die 900 mm des Teleskops stimmen. Aber mir ist ein realer Wert - ermittelt am Himmel - bei der prakt. Beobachtung nützlicher als Werte auf dem Papier.
 
Das mit der Praxis mag ja richtig sein, aber hier ging es ursprünglich darum, wie ich das Gesichtsfeld am ehesten in Stellarium abgebildet bekomme.

Und dabei ist mir eben augefallen, daß die mir bekannten Formeln nicht deckungsgleich sind und die Zahlenspielereien waren mir eine gute Hilfe zu verstehen, warum die Ergebnisse nicht stimmen (müssen).

Und zum einen halte ich nich noch nicht für fortgeschritten genug, daß in der Praxis selber zu bestimmen, zum Anderen gibt es hier seit dem Urknall nix als Wolken. Oder zur Abwechslung mal bedekten Himmel.

Momentan wir andersherum ein Schuh draus, der Ausschnitt in der Software soll mir ein wenig bei der Orientierung helfen. Ob die Rechnung aufgeht, wird sich dann zeigen, denn draussen bin ich elektronikfrei.
 
Tja, Leute, alles schön und gut - aber wißt ihr denn nun, welches GF das entsprechende Okular am Himmel liefert? Bisher sehe ich nur wieder schöne Zahlenspielereien.
Papperlapapp, Micha, beim wahren Gesichtsfeld am Himmel gibt es gar keine Unsicherheiten!

Das hängt überhaupt nicht von den detaillierten optischen Eigenschaften des Okulars ab, also etwa ob es rektilinear oder winkeltreu abbildet, sondern nur von der Größe der Feldblende (FB) und der Brennweite der Optik (F). Für Dein Zahlenbeispiel mit FB = 25 mm und F = 900 mm also

wGF = 2 atan [(FB/2)/F] = 1,591°

Wenn Du da was anderes misst, dann stimmen halt die angegebenen Werte für Feldblende und/oder Brennweite der Optik nicht, it's that simpel! Das hat nichts mit Zahlenspielerei zu tun.

Nichts für ungut,
Gruß, Peter
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Peter,

dabei muss man aber sagen, dass, wenn die FB nur auf 2 Ziffern genau angegeben ist, das Ergebnis für das wGF auch keine höhere Genauigkeit aufweist. Die gemessenen 1,55 Grad etwa entsprächen 24,4mm FB. Im Rahmen der Messgenauigkeit ist die Herstellerangabe damit durchaus als bestätigt anzusehen, falls es denn darum gegangen sein sollte.

VG Klaus
 
Hallo Klaus,

nein, eigentlich kann es darum nicht gehen. Kein Okular wird genau das eine oder genau das andere Einhalten, selbst wenn man es bei der Konstruktion darauf anlegt.
Für die Praxis ist mir wichtig, dass man messen kann, ob ein Okular halbwegs das angegebene scheinbare Gesichtsfeld hat und die (effektive) Feldblendenangabe sagt mir, ob das eine andere Okular mehr oder weniger Himmelsausschnitt liefert. Wie groß der Himmelsausschnitt konkret ist, hängt wieder vom Teleskop ab.

Der praktische Nutzen, ob ein Okular rektilinear oder winkeltreu ist, sagt einem, ob das flach empfundene Bildfeld beim Schwenk auf einmal wie ein Zerrspiegel wirkt, als ob die Sterne auf einem konvexen oder konkaven Kugelausschnitt entlang laufen.

Clear Skies
Sven
 
dabei muss man aber sagen, dass, wenn die FB nur auf 2 Ziffern genau angegeben ist, das Ergebnis für das wGF auch keine höhere Genauigkeit aufweist. Die gemessenen 1,55 Grad etwa entsprächen 24,4mm FB. Im Rahmen der Messgenauigkeit ist die Herstellerangabe damit durchaus als bestätigt anzusehen, falls es denn darum gegangen sein sollte.
Jetzt sind anscheinend alle Beckmesser im Forum aufgerufen, ihren sophistischen Senf dazu abzugeben.

Ob eine Feldblendenangabe von 25 mm nun auf plusminus 0,4 oder 0,1 mm zutrifft, sollte man im Zweifel nicht an der Zahl der angegebenen Dezimalen festmachen, zumal Nachkommanullen bei runden Zahlenwerten gerne fallengelassen werden. Da hätte ich dann eher Zweifel, ob die Brennweite von 900 mm trotz der drei Dezimalen auf besser als plusminus 10 mm stimmt. Aber was soll's ? Micha glaubt ja ohnehin nur seiner Sterndurchlaufmethode, alles andere sind für ihn "Zahlenspielereien" ...
 
Hallo Peter,

das war nur elementare Fehlerrechnung. Ich kann ein Stück weit nachvollziehen dass man von Zahlenspielerei spricht, wenn man den Ergebnissen der Formeln unrealistisch viele valide Nachkommastellen zutraut. Das ist m.E. das exakte Gegenteil von Beckmesserei.

VG Klaus
 
Status
Es sind keine weiteren Antworten möglich.
Oben