Warum ist die Perihelumdrehung der Venus so klein?

Melissa

Mitglied
Warum ist die Perihelumdrehung der Venus so klein (nur 18"/Jh.), verglichen mit den anderen Planeten, z.B. Merkur, Erde, Saturn (alle über 1000"/Jh.)?
 
Das hängt mit der Gravitativen Beeinflussung von den anderen Planeten zusammen.
Vor allem Jupiter ist durch seine Masse ein großer Störfaktor. Je weiter die Planeten von ihm weg sind, umso geringer die Periheldrehung, wenn man so will.
Außer bei Merkur, der bekommt seine durch relativistische Effekte durch seine Sonnennähe.
Aber im Grunde beeinflussen sich alle Gegenseitig, im jeweiligen Verhältnis von Masse und Abstand.
Im Falle der Venus kommt hinzu, dass sie die am wenigsten elliptische Bahn aller Planeten hat, fast perfekt Kreisförmig, und damit weniger anfälliger für Störungen als die elliptischeren Bahnen der anderen Planeten, da bei einer Elliptischen Bahn die Abstandsvariationen bei Opposition/unterer Konjunktion deutlich größer sind als bei einer Kreisbahn.

LG
Olli
 
Danke. Wie hängt denn die Perihelumdrehung von der Exzentrizität e ab? Indirekt proportional? Kennst du die Formel?
 
Hallo Melissa,
du möchtest der Periheldrehung genauer auf den Grund gehen. Vorweg, die Periheldrehung wird für die Ephemeridenrechnung benötigt. Allerdings ist die Perheldrehung meistens in die Variablen der Bahnelemente eingearbeitet. Wie man die Periheldrehung berechnen kann, erfährt man dabei nicht.

Ich kann dir hier eine Literaturquelle geben: Hochschultaschenbuch, Andreas Guthmann, Einführung in die Himmelsmechanik und Ephemeridenrechnung, Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg Berlin, 2. Auflage 2000, ISBN 3-8274-0574-2, Seiten u. a. 96f, 105f und 113.

Ich hoffe, das diese Quelle nicht zu tiefgründig ist. Weitere Unterstützung speziell zu diesem Thema kann ich allerdings nicht geben.
Beste Grüße
Karl-Heinz
 
Im Falle der Venus kommt hinzu, dass sie die am wenigsten elliptische Bahn aller Planeten hat, fast perfekt Kreisförmig, und damit weniger anfälliger für Störungen als die elliptischeren Bahnen der anderen Planeten, da bei einer Elliptischen Bahn die Abstandsvariationen bei Opposition/unterer Konjunktion deutlich größer sind als bei einer Kreisbahn.
Was die Periheldrehung der Venus betrifft, so ist es wohl eher umgekehrt: Gerade weil ihr Orbit nahezu kreisförmig ist, ist die Lage vom Perihel extrem störungsanfällig. Nota bene: ein exakt kreisförmiger Orbit hat gar kein Perihel!

Man kann die Effekte der übrigen Planeten auf einen bestimmten Orbit und insbesondere auch auf die Periheldrehung mit einem vereinfachenden Ringmodell studieren, bei dem die einwirkenden Planetenmassen von Jupiter, Saturn, etc. aber auch aller übrigen Körper über deren gesamte Umlaufbahn verteilt wird. Das macht Sinn, weil die davon verursachte Periheldrehung eines bestimmten Orbits sehr viel langsamer vonstatten geht als die Bahnumläufe der einwirkenden Massen:

Perihelion precession of planets

Man bekommt mit diesem einfachen Modell auch eine recht gute Übereinstimmung mit den observierten Präzessionsraten für alle Planeten mit Ausnahme der Venus:

Code:
       Perihelpräzession
            ("/Jahr)
           obs    th
            
Merkur    5.75   5.54
Venus     2.05  12.07
Erde     11.45  12.07
Mars     16.28  17.75
Jupiter   6.55   7.51
Saturn   19.50  18.59
Uranus    3.34   2.75
Neptun    0.36   0.67

Warum der Orbit der Venus eine so geringe Perihelpräzession hat, lässt sich mit diesem Modell also nicht verstehen. Ich vermutel mal, dass der theoretische Wert für die Venus einen sehr großen systematischen Fehler hat, der aber hier nicht ausgewiesen ist.

Gruß, Peter
 
Zuletzt bearbeitet:
In dieser Quelle wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass die kleine Exzentrizität der Umlaufbahn der Venus den Effekt der Periheldrehung abschwächt und es schwerer macht, die Drehung zu beobachten.


Mir ist aufgefallen, dass für die Venus folgende Werte in der Tabelle genannt werden:

Bogensekunden/ Jahrhundert

berechn. beob. Differenz Prognose ART
13,2 21,6 8,4 +/-4,8 8,6

Die Werte für Merkur und Erde stimmen ungefähr überein mit der oben von Peter genannten Quelle bei Berücksichtigung der Einheiten "/ Jahr und "/Jahrhundert. Die Werte für die Venus aber nicht. Kann da ein Fehler sein ? Welche Werte sind richtig ?

Viele Grüße Jan
 
Hallo Jan, in der Tat, der oben genannte Messwert von 2.05"/Jahr für die Venus, welcher in der zitierten Modellrechnung genannt wird, ist tatsächlich sogar noch niedriger!

Hier sind die "offiziellen" Beobachtungswerte vom Bureau des Longitudes:

Perl:
Perihelionpräzession ("/Jahr)

Merkur    5.719
Venus     0.175
Erde     11.612
Mars     15.980
Jupiter   7.758
Saturn   20.395
Uranus    3.215
Neptun    1.050

Credit: J.L. Simon et al.: Numerical expressions for precession formulae and mean elements for the Moon and the planets

Dort findet man in Abschnitt 5.9 (Mean elements of the planets) jeweils in der vierten Zeile die Perihellänge ω als zeitliche Reihenentwicklung, wobei die Zeit t in Jahrtausenden von J2000 (JD 2 451 545.0) gemessen ist. Für die momentanen Präzessionswerte reichen natürlich die linearen Terme.

Und wenn man anstelle des simplen Ringmodells eine realistische Simulation durchführt, basierend auf JPL Planetary and Lunar Ephemerides, mit allem himmelsmechnischem Pipapo einschließlich relativistischer Effekte, dann bekommt man sogar für die Venus gute Übereinstimmung mit den beobachteten Werten (*)

Relativistic Perihelion Precession of Orbits of Venus and the Earth

(*) wobei die dort aufgeführten Zahlenwerte jeweils nur den relativistischen Beitrag angeben, nicht aber die klassischen Beiträge aus der Wechselwirkung mit den übrigen Planeten.

Somit kann man zwar den aktuellen Orbit der Venus mit seiner extrem niedrigen Exzentrizität und ebenfalls sehr niedrigen Perihelpräzession im Gesamtgefüge der planetarischen Wechselwirkungen plus relativistischer Effekte stimmig beschreiben. Aber warum gerade die Venus so einen nahezu kreisförmigen Orbit hat, das weiß man noch nicht.

Es ist durchaus möglich, dass sich das langfristig auch ändert. Wer weiß, vielleicht wird dann der Erdorbit für eine gewisse Zeit "zirkularisiert". Oder wir tauschen mit Mars eine größere Exzentrizität.

Gruß, Peter
 
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