Warum leuchten metallarme Sterne in Kugelsternhaufen blau ?

nancy50

Aktives Mitglied
Hallo,

da sie heiß sind würde mir einleuchten, dass sie blau leuchten.
Was hat das aber mit dem Metallgehalt zu tun ??

Danke
N50
 
Hallo N50,

wenn hier von "metallarmen" Sternen gesprochen wird, ist damit die sogenannte Metallizität gemeint, die aber nicht den Anteil an Metallen bedeutet, sondern in der Sternphysik den Anteil an Elementen, die schwerer als Wasserstoff und Helium sind (relativ zur Sonne), angibt:

Da die Entstehung schwererer Elemente eine geraume Zeit benötigt, da hierzu erst genügend Sterne Kernfusion betreiben müssen, die Sterne der Kugelsternhaufen aber sehr alt sind, gab es in den Kugelsternhaufen von Anfang an hauptsächlich Sterne mit geringer Metallizität, von denen die Massereichen schnell wieder verschwanden und diejenigen mit geringerer Masse (=langlebiger) übrigblieben. Wegen der hohen Sternendichte in den Kugelsternhaufen bildeten sich dann wohl durch nahe Begegnungen bzw. sogar Kollisionen sogenannte "Blaue Nachzügler", also Sterne mit höherer Masse und damit höherer Temperatur (=blaues Leuchten), aber immer noch mit geringer Metallizität.


Ich bin mir sicher, dass es hier im Forum Leute gibt, die sich damit wesentlich besser auskennen und die dann ggf. meine Erklärung korrigieren oder als Unsinn entlarven :).

Gruß
Christian
 
Zuletzt bearbeitet:
Sehr interessante Frage!
Die blauen Sterne sind nicht zu übersehen. Laut Theorie der KSH sind diese sehr alt! Blaue Sterne darin sind eher ein Paradoxum! Je älter der KSH ist desto tiefer befindet sich der Abknickpunkt der Hauptreihe im HRD. Darüber befindet sich der Riesenast der roten Riesen. Ebenso ist der Abstand der einzelnen Sterne selbst in KSH riesig, sodas es zu keinerlei Kollisionen kommen kann, bzw höchst selten! Ebenso gibt's fast kein interstellares Medium in den Haufen, das für neue Sterne sorgen könnte? Trotzdem hat zBsp M13 unübersehbar blaue Sterne!!! Es gibt wenig wissenschaftliche Arbeiten über KSH, sie werden irgendwie ignoriert? Was bringt Sterne zum leuchten? Aufgrund der großen Entfernung der KSH von 30k Lj und der Extinktion durch Interstellare Materie müssten die Sterne rötlich verfärbt sein! Nichts davon ist zu sehen?
Nachdenkliche Grüße
Frank




Hier sieht man die Verteilung der roten Riesen im KSH die eher zum Zentrum tendieren. Die blauen Sterne befinden sich eher im Außenbereich und weniger im Zentrum.
 
Zuletzt bearbeitet:
stimmt wohl alles, aber das Problem für mich war der Artikel in SuW vom Juni 2022, der Satz :
Wegen des geringen Metallgehaltes ! leuchten " alle Sterne in Kugelsternhaufen bläulicher als gleichartige Sterne heutiger Zusammensetzung "
Das kann so begründet nicht richtig sein.

N50
 
Weil sie massereich sind, und daher heißer = blauer brennen, das hat mit dem Anteil schwerer Elemente im ersten Blick nichts zu tun.

CS Jörg
 
da werde ich mal ein Bild von M 13 , gemacht am C11 reinstellen.
Die Farben kommen nicht gut, obwohl die ASI 224 verwendet wurde.
Gemacht hat es Thomas von unserer kleinen SW.
Ich vermute mal er hat vergessen den Farbmodus zu aktivieren ?
Grüße
und Tschüß
N50
c11 M13 224.jpg
 
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Hab nur den einen gefunden, der einen Erklärungsansatz bietet.
VG Frank
 
Bis zum Jahr 2004 wurden nur zwei Kugelhaufen untersucht! Man beachte den letzten Satz!

Discovery of another peculiar radial distribution of blue stragglers in globular clusters: The case of 47 Tucanae​

Francesco R Ferraro, Giacomo Beccari, Robert T Rood, Michele Bellazzini, Alison Sills, Elena Sabbi
Quelle: The Astrophysical Journal 603 (1), 127, 2004



We have used the high-resolution Wide Field Planetary Camera (WFPC2) on the Hubble Space Telescope (HST) and wide-field ground-based observations to construct a catalog of blue straggler stars (BSSs) in the globular cluster 47 Tuc spanning the entire radial extent of the cluster. The BSS distribution is highly peaked in the cluster center, rapidly decreases at intermediate radii, and finally rises again at larger radii. The observed distribution closely resembles that discovered in M3 by Ferraro and coworkers. To date, complete BSS surveys covering the full radial extent (from HST for the center and wide-field CCD, ground-based observations for the exterior) have only been performed for these two clusters.

VG Frank
 
Das ist der eine Teil der Antwort, beantwortet aber nicht die Frage des TE. Das hat eine andere Ursache (siehe unten).

Ich vermute mal er hat vergessen den Farbmodus zu aktivieren ?
Nein, er hat einfach keine vernünftige Farbkalibration gemacht. Mit fotometrischer Kalibration sieht das so aus wie auf meinem Bild. Wie man sieht, sind die Blauen Nachzügler sehr wenige im Vergleich zur Gesamtzahl der Sterne, ähnlich wenige wie Rote Riesen. Der Haufen insgesamt wirkt eher gelblich, d.h. das war in dem SuW Artikel nicht gemeint.
M13_v4d.jpg


Das erklärt wie gesagt nur die blauen Sterne, die man auf den gängigen Fotos sieht. Es erklärt nicht, weshalb ein Stern gleicher Masse aber niedrigerer Metallizität einen niedrigeren B-V Wert hat und damit blauer erscheint. Das findet man auch nicht so einfach mit Google.

Dass die Sterne mit niedrigerem Metallindex blauer leuchten als vergleichbare Sterne der Population II, d.h. jüngeren Sterngenerationen, liegt daran, dass die Absorptionslinien der "Metalle" dicht gedrängt gegen längere Wellenlängen im visuellen Spektrum auftreten. Wenn weniger schwere Elemente da sind, sind diese Linien weniger stark ausgeprägt und es wird weniger langwelliges Licht absorbiert. Dadurch wird der B-V Wert abgesenkt und der Stern blauer. D.h. aber nicht, dass er blau leuchtet. Es heißt nur, das er weniger langwelliges Licht emittiert. Der Stern kann trotzdem noch gelb oder rot sein.

Dieser Effekt führt dazu, dass die Hauptreihe der Population I Sterne, d.h. sehr alte und metallarme Sterne, etwas unterhalb der Hauptreihe liegt bzw. eigentlich eher nach links verschoben ist. Man spricht dann von Unterzwergen, bzw. von Spektralklasse VI. Sind in der Sonnenumgebung selten, aber in Kugelsternhaufen und Galaxienkernen/-halos die Norm. Wenn sie in der Sonnenumgebung auftreten sind es eher späte Spektraltypen K und M, da ja alles andere in dem Alter schon das zeitliche gesegnet hat. Oft sind es auch Sterne mit hoher Eigenbewegung, die eigentlich aus dem Kern oder dem Halo stammen und deren Bahn durch enge Begegnungen aber abgelenkt wurde.

Grüße,
Joachim
 
Kleine Korrektur :) Das muss natürlich kürzere Wellenlängen heißen. Sonst wären die metallarmen Sterne ja röter und nicht blauer.
 
Quelle: Kugelsternhaufen M13 (Abitur BY 2005 GK A6) | LEIFIphysik


Kugelsternhaufen_M13_Bild_3.gif


Hier ein original HRD von M13. Der Abknickpunkt liegt bei 18mag.
Sonne wäre 19,5mag. Daraus ergibt sich ein Alter von M13 zu 4,3 Mrd Jahre. Die blue straggler stars (BSSs) sind links oben zu sehen, um 15mag hell. Sie entsprechen den B,A Sternen in jungen Sternhaufen wie den Plejaden.
Der Riesenast ist gut zu sehen. Nur der quer zur Hauptreihe angeordnete Ast der BSS ist merkwürdig?
VG Frank
 
Nur der quer zur Hauptreihe angeordnete Ast der BSS ist merkwürdig?
Das sind keine Blue Straggler Sterne sondern der horizontale Ast. Nach dem Heliumflash wandern die Sterne wieder Richtung Hauptreihe und haben dort eine kurze Phase der Stabilität solange das Heliumkernbrennen zusammen mit dem Wasserstoffschalenbrennen stattfindet. Wenn das Helium erschöpft ist, brennen im Stern Wasserstoff und Helium in zwei Schalen und der Stern wandert zu erst langsam im Horizontalen Ast nach rechts zurück in den roten Riesenbereich und geht dann in die Vertikale in den Asymptotischen Ast über. Während des Schalenbrennens gibt es dann noch eine Phase periodischer Instabilität (RR Lyrae Sterne). Bei der Masse dieser Sterne in M13 dürfte dann Feierabend sein und es entsteht ein Planetarischer Nebel und ein Weißer Zwerg.

Hier ist ein HRD von M5 wo man das schön sehen kann.

In deinem Diagramm sehe ich gar keine Blue Straggler. Diese befinden sich normalerweise in Verlängerung der Hauptreihe. Es sind nur wenige. Die meisten liegen zwischen dem Abknickpunkt der Hauptreihe und den Sternen mit Heliumbrennen. Im Diagramm von M5 sind einige zu sehen. Dein M13 HRD ist schon etwas älter. Früher hat man einfach alle Sterne im Feld von M13 in ein HRD eingetragen und die Entfernung als konstant angenommen. Die Entfernung der meisten Feldsterne kannte man ja nicht. Evtl. gehen die Blue Straggler in den Feldsternen unter. Erst mit den GAIA Daten dürfte man die Sterne von M13 von den Feldsternen trennen können. Aber ein HRD von M13 mit GAIA Daten habe ich noch nicht gesehen.

Das ganze führt allerdings zum Schluss, dass die blauen Sterne, die man auf Bildern von M13 und anderen Kugelhaufen sieht, fast ausschließlich Sterne im Horizontalen Ast sind und keine Blue Straggler. Man lernt immer was dazu.

Grüße,
Joachim
 
Hallo Joachim,
das mit den Feldsternen ist ein Auswahleffekt und sicher in jedem HRD eines KSH sichtbar. Es gleicht sich somit aus! M5 muß auch älter sein, da dort RR lyrae Sterne auftreten. Sonnenmasse ist 0,7-0,5. Der Abknickpunkt in M13 liegt bei 1,3 Sonnenmassen. M5 müsste über 10 Mrd Jahre alt sein.
Ein Stern der den horizontalen Ast besiedelt ist zBsp Riegel. Aber er hält keine 4-10 Mrd Jahre durch! Höchstens einige 100 Millionen Jahre. Das ist das merkwürdige an den Kugelsternhaufen, da ja keine neuen Sterne entstehen können. Trotzdem sind sie da und leuchten im schönstem Blau!
Zwischen Abknickpunkt und horizontalem Ast gibt es keine Sterne mehr. Sie sind entweder in den roten Riesenast gewandert oder längst vergangen. Je massereicher umso schneller.
VG Frank
 
Ungefähr 1 % aller Sterne in Offenen Sternhaufen und Kugelsternhaufen sind Blaue Nachzügler. Was nun nicht gerade wenig ist! Jeder 100. Stern ist ein BBS.



Hier ihre Lage im HRD

Quelle: Wiki
 
Da würde mich die Quelle intessieren. Die Quelle des niedrigen Alters von M13 würde mich auch interessieren. Sonst wird der auf >10gy geschätzt.

Hier sieht man wie die Blue Straggler sich in das HRD einordnen.

Die blauen Sterne in dem von dir verlinkten HRD von M13 sind Teil des horizontalen Asts, keine Blue Straggler.

Der horizontale Ast kann auch bei alten Sternhaufen blaue Sterne enthalten. Nach dem Helium Flash steigt die Temperatur wieder an und der Radius verringert sich.

Mag sein dass es in M13 Blue Straggler gibt aber in dem Diagramm werden sie nicht dargestellt. Die sind auch nicht notwendigerweise blau und können über das ganze Diagramm verteilt sein. Sie fallen halt nur dort auf wo sie links des Turn off Punkts der hauptreihe liegen. Aber sie liegen nicht alle an der selben Stelle, was auch logisch ist, da sie verschiedene massen besitzen.
 
Da würde mich die Quelle intessieren. Die Quelle des niedrigen Alters von M13 würde mich auch interessieren. Sonst wird der auf >10gy geschätzt.
Hallo Joachim,
die Prozentzahl findet man im Post#2 und das Alter von M13 wird im Post#14 berechnet. Jeweils die Links anklicken.

Die Sterne des Milchstraßenhalos und der Kugelhaufen haben einen um 100 bis 500 fach geringeren Metallgehalt, als Sterne in der galaktischen Ebene. Dadurch wird ihre Atmosphäre durchsichtiger. Die von diesen Sternen ausgehende Strahlung stammt aus tieferen und damit heißeren Schichten, und sie erscheinen weißer und heller als vergleichbare metallreichere Sterne.

Unterschiede in der ursprünglichen chemischen Zusammensetzung erkennt man beim Vergleich des HRDs vom Kugelhaufen M3 mit dem des etwa gleichalten offenem Sternhaufen M67,
Während die Abknickpunkte in beiden Fällen bei M=+4m liegen, sind die leuchtkräfte der roten Riesen bei M67 jedoch etwa 10 mal geringer als bei M3.
VG Frank
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
die Prozentzahl findet man im Post#2 und das Alter von M13 wird im Post#14 berechnet. Jeweils die Links anklicken.
Die Berechnung des Alters hat allerdings einen systematischen Fehler. Die Altersberechnung wird auf Basis der Population I Hauptreihe gemacht, d.h. mit sonnenähnlichen Metallhäufigkeiten. Die die Hauptreihe von Kugelsternhaufen liegt etwas unterhalb der von Population I Sternen. Man kann die Sonne nicht einfach reinsetzen. Population II Sterne wie in M13 mit einer Sonnenmasse haben eine höhere Effektivtemperatur und liegen in dem Diagramm etwas weiter links. Wenn man das in Betracht zieht, knickt die Hauptreihe bei einer niedrigeren Masse ab und man kommt auf ein deutlich höheres Alter.

Es gibt aber alternative Methoden zur Altersbestimmung von Kugelhaufen. Das ist das Abkühlverhalten der Weißen Zwerge. Das Alter von M13 beträgt dem nach 11,6 gyr.

M67 ist ein wenn auch sehr alter Offener Sternhaufen, der Popullation II Sterne mit ähnlicher Metallizität wie die der Sonne. Von daher passt das Berechnungsmodell aus der Aufgabe hier gut.


Hier ist das ganz gut beschrieben, wie sich massearme Sterne nach dem Heliumflash verhalten. Sterne mit geringer Metallizität verhalten sich anders wie sonnenähnliche Sterne. Nach dem Heliumflash werden diese deutlich blauer und führen zu einem ausgeprägten Horizontalast, den es durch die höhere Metallizität in M67 so nicht gibt.

In den Kugelhaufen kreuzt der Horizontalast die Hauptreihe, d.h. die Blue Stragglers liegen quer zum Horizontalast. Unterscheiden kann man sie höchstens spektroskopisch bzw. durch ihr hohes Drehmoment. Durch die Drehmomenterhaltung wird beim Masseübertrag auch das Drehmoment übertragen, was die Rotation beschleunigt. Da der Masseübertrag oder eine Verschmelzung von drei Sternen eher unwahrscheinlich ist, würde ich nicht davon ausgehen, dass Blue Straggler keine größere Masse als die doppelte Masse der massereichsten Sterne haben können. Sonst hätten sie ihre Lebenszeit schon hinter sich, Massezuwachs hin oder her. Das wäre in Kugelhaufen ca. 1,6 Sonnenmassen. D.h. in den Massen darunter gibt es kontinuierlich BSS auf der Hauptreihe, darüber nicht. Von daher müssten fast alle BSS auf den Bereich ab dem Horizontalast Richtung niedrigere Massen verteilt sein. Das spiegelt sich auch in den HRDs von Kugelhaufen wider.

Es kann natürlich sein, dass ein paar der blauen Sterne BSSs sind, aber die Mehrheit sind mit Sicherheit Sterne in der Heliumbrennphase.

Die Berechnung der Häufigkeit habe ich oben nicht gefunden. Es wird aber schon öfter vorkommen.
 
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