(Astro)Urlaub auf Madeira

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daniel.

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Liebe Kollegen,

vom 04. - 18.07. haben wir Urlaub auf Madeira gemacht. Bei der Destinationauswahl hat Astronomie keine Rolle gespielt, dennoch habe ich mich dann ein wenig über die örtlichen Gegebenheiten informiert.
Das Wetter ist sehr wechselhaft, klare Nächte keinesfalls garantiert. Wenn, dann sind die Bedingungen aber nicht schlecht. Auch gibt es einen lokalen Astronomieverein, mit dem ich Kontakt aufgenommen und sofort freundliche Antworten erhalten habe - mitsamt einem gemeinsamen Beobachtungstermin, an dem ich hätte teilnehmen dürfen. Das Wetter war dann am besagten Tag nicht ideal, dennoch bin ich zu deren Clubhaus gefahren, war dann allerdings überraschenderweise alleine - man hat mir vergessen abzusagen. Trotzdem konnte ich den Abend für Beobachtungen nutzen, da ich mich entschieden habe, meinen kürzlich, von einem freundlichen Astrokollegen hier im Forum (Danke nochmals Christian!), erstandenen Selbstbau-6"-Reisedobs mitzunehmen - hierzu später mehr.
Bevor der Urlaub begonnen hat, waren wir uns nicht im Klaren, was wir die zwei Wochen unternehmen werden, es war nichts Konkretes geplant. Ohne An- und Abreisetag galt es 12 Tage zu füllen. Am 2. Tag wurde vor Ort ein Reiseführer angeschafft. Voller Überraschung, wie viele Wandertouren auf der Insel möglich sind, haben wir 11 Tage auf den verschiedensten Levadawegen (Levadas sind die dort künstlich angelegten Wasserrinnen, mit denen auch die trockenen Gegenden versorgt werden. Fast unglaublich wie viele es gibt, da sie mit größter Mühe oftmals in schwindelerregender Höhe in den Fels geschlagen wurden), Bergtouren auf die Picos und Strandwanderungen absolviert. Ganze 12 Tage sind es deshalb nicht geworden, da wir einen Platten hatten - eine Premiere für mich - und dies dann sehr viel Zeit in Anspruch genommen hat (Ersatzrad montieren, zur Mietwagenfirma fahren, Reifen wechseln lassen,...), so dass wir nachher einen längeren Stadtspaziergang in Funchal gemacht haben.
Nachdem ich die Wanderstatistik für die 11 Tage zu Ende des Urlaubs erstellt habe, war sofort klar, warum oft die Zeit und auch die "Kraft" zum Beobachten am Abend nicht mehr gereicht hat:
Bei 16 verschiedenen Touren haben wir 133,2 Kilometer sowie 4510 Höhenmeter hinter uns gelassen.

Nun aber zur Astronomie. Da wir ein autoloser Haushalt sind, war ich schon seit längerem auf der Suche nach einem transportablen und vor allem leichten Reisedobson. Vor ein paar Monaten ist mir dann hier im Forum die Anzeige von Christian aufgefallen und sofort habe ich Kontakt aufgenommen. Kurze Zeit später ist der 6" f/4 Gitterrohrdobson, der keine 3kg auf die Waage bringt, bei mir angekommen. Es war naheliegend ihn als Handgepäck zum Urlaub mitzunehmen, obwohl ich kurz zögerte. Die Entscheidung habe ich aber nicht bereut. Schon am zweiten Tag konnte ich meine erste Beobachtung von der Terrasse unserer Unterkunft vornehmen (Neumond war am 02.07., so galt es die ersten Urlaubstage für Astronomie zu nutzen). Der Skorpion, der ja in unseren Breiten sehr tief steht, ist mir als erstes ins Auge gefallen, mitsamt der Milchstraße. Als Okularzubehör hatte ich ein 13mm, 5mm und 3.5mm T6 Nagler sowie ein 24er Panoptic, das mir ein Kollege aus Wien für den Urlaub zum Testen geliehen hat (Danke Niki!). Es hat mich so überzeugt, dass ich mittlerweile ein 24 Pano mein Eigen nenne. Bei einem Schwenk durch die Milchstraßengegend beim Skorpion sind mir sofort M6 und M7 ins Auge geschossen - ein atemberaubender Anblick. Kann mich nicht erinnern, diese jemals beobachtet zu haben. Noch höher steht natürlich M4, welcher gleich anschließend an der Reihe war, selbstverständlich bei höherer Vergrößerung. Bei guten Bedingungen und vor allem der entsprechenden Höhe macht das sehr viel Spaß. Neben den anderen Standardobjekten habe ich auch einen Blick auf Jupiter und Saturn geworfen. Auch diese stehen auf der Insel um einiges höher als bei uns. Mit dem 3.5mm Nagler konnte ich 170x vergrößern, was vom Seeing her bei weitem nicht das Ende der Fahnenstange war. Hier muss ich mir noch weiteres Zubehör zulegen...

Der nächste Beobachtungsabend war dann schon am Tag darauf, an dem das Treffen mit den Astrokollegen hätte stattfinden sollen. Wir sind schon vor Sonnenuntergang zu deren Beobachtungsstation, die auf einer Art flachen Gipfel unterhalb des Pico Arieiro liegt, gefahren. Zuerst galt es die Stimmung und die Landschaft zu genießen. Die Dämmerung schritt Stück für Stück voran, anfangs hat aber noch der junge Mond gestört. Erstes Objekt war Jupiter, bei dem ein Io-Transit stattgefunden hat. Das Seeing war viel schlechter als am Vortag. 170x war gerade noch sinnvoll, besonders Berühmt war der Anblick aber nicht. Kurz vor Monduntergang habe ich dann nochmals alle interessanten Objekte in der Skorpiongegend beobachtet, sowie M57 und M13, der fast im Zenit stand. Der Blick durchs Okular bei M13 hat mich fast vom Hocker gehaut. Danach war mir einmal mehr klar, warum ich so einen Reisedobson wollte. Da die hohe Bewölkung nach und nach zugenommen hat, habe ich noch schnell M51 ins Okular geholt. Den Nordamerikanebel mit OIII Filter konnte ich dann in der kurzen Zeit und möglicherweise auch aufgrund der Bedingungen nicht mehr ausmachen. Bevor der Mond dann endgültig untergegangen ist, waren wir auf einmal in einer Nebelsuppe. Die Feuchtigkeit war am Anfang schon ein kleines Problem, deshalb habe ich den Dobson nach dem Aufbauen, zum Auskühlen, in eine Nische bei der Astrohütte gestellt, damit mir der Tau keinen Strich durch die Rechnung macht.
Nachdem die Situation aussichtslos geworden ist, habe ich rasch abgebaut und wir sind zu unserer Unterkunft gefahren.

Danach gab es nur noch einen weiteren Beobachtungsabend, wieder von der Terrasse, bei dem das Seeing noch schlechter war, als die Tage zuvor. Das wars dann, da der Mond immer dominanter wurde und wir auch nicht die Zeit/Ausdauer hatten, die Beobachtungen in die Morgenstunden zu verschieben.

Am 10.06. hat es einen Ganymedtransit gegeben (und die Bedingungen waren gut!), wir wurden aber von unserem Gastgeber zu Poncha eingeladen (Poncha ist eine Mischung aus Zuckerrohrbrand, Honig und einheimischen Zitrusfrüchten, die samt Schale zerstampft werden). Da der Abend alles andere als nüchtern verlaufen ist und auch länger als das Transitevent gedauert hat, konnte ich die Sache vergessen. Dennoch möchte ich den geselligen Abend nicht vermissen!

Die partielle Mondfinsternis am 16.06 war dann der krönende Abschluss. Hier bin ich nun abermals dem Aufruf der lokalen Astronomieszene gefolgt und zu einem Beobachtungsspot bei Funchal gefahren. Zu dieser Jahreszeit herrscht aber genau bei Funchal ein Wetterphänomen, dass die Einheimischen "Helmet" nennen. Unter Tags meist schönes, klares Wetter, aber ab der Dämmerung... ihr könnt es euch bestimmt ausmalen. Trotz allem haben sie vor Ort ihre Teleskope aufgebaut, auch wenn die Situation aussichtslos war. Man konnte aber im Meer die Spiegelung des Mondes sehen, da es dort auf offener See schon wieder komplett klar war. Bei einem Gespräch mit einem jungen Kollegen habe ich mich dann ein wenig verzettelt, so dass wir erst sehr spät mit dem Auto Richtung Pico Arieiro gefahren sind. Bei über 1000 Meter war es dann kein Problem mehr, das Ende der Mondfinsternis zu genießen, mitsamt der vom Mond beleuchteten Wolkendecke. Idyllisch!

Eine Sache, auf die ich erst im Nachhinein aufmerksam geworden bin ist, dass ich gar nicht versucht habe, Antares zu trennen, der ja ein Doppelstern ist... sollte man doch probieren, wenn man schonmal südlich unterwegs ist und gutes Seeing hat.

Im Großen und Ganzen wars das nun. Die Landschaft war ein Traum und ich kann jedem, der gerne wandern geht, die Insel empfehlen. Die Wanderwege sind auch top ausgebaut. Wettertechnisch war es nie wirklich zu heiß (auch wenn man sich vor einem Sonnenbrand in Acht nehmen muss!). Nach der Hitzewelle, die wir in Mitteleuropa hatten, war es uns meistens sogar ein wenig zu kalt. Bemerkenswert sind auch die Mikroklimata - von extrem Trocken bis Subtropisch war alles dabei. Der Wechsel geht so abrupt, dass man jedes Mal überrascht ist.
Nun möchte ich noch ein paar Impressionen teilen, damit man zumindest den Hauch eines Eindrucks von dem bekommt, was einen auf der Insel erwartet. Es folgen sieben von über 10.086(!) Fotos, die zu einer größeren Version verlinkt sind:


madeira1_thumb.jpg
Ein Blick von der Steilklippe Cabo Girao (über 560m).


madeira2_thumb.jpg
Die "25 Quellen" am Ende eines Levadaweges.


madeira3_thumb.jpg
Das idyllische Örtchen Jardim do Mar.


madeira4_thumb.jpg
Das Dschungelende nach dem letzten, 900m langen, Tunnel der Levada Faja do Rodrigues.


...weitere drei Fotos folgen im nächsten Post.
 
...hier geht es weiter:

madeira5_thumb.jpg
Ausblick auf dem Weg zum Pinaculo.


madeira6_thumb.jpg
Blick zum Pico Grande.


madeira_dob_thumb.jpg
Und zum Schluss der kleine Dobson, mit dem Pico Arieiro samt Radarkuppel im Hintergrund. Links die Astrohütte der Kollegen auf Madeira.


Liebe Grüße
Daniel
 
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Reaktion: ThN
Madeira ist nett, allerdings hatten wir diesen April massiv verregnete Tage erwischt und wissen nun, warum die Insel sol grün ist...

Die Zersiedelung von Funchal und Umgebung sowie die damit verbundene massive Lichtverschmutzung sind mir ebenfalls noch gut in Erinnerung.

Man muss wirklich in die Berge fahren und wandern. Dort ist es schön, aber dafür sind mir 4 h Flug zuviel, denn das kann ich auch im Festlandseuropa.
 
Hallo Peter,

habe ja gesagt, dass das Wetter ziemlich wechselhaft sein kann und würde die Insel keineswegs für einen expliziten Astrourlaub empfehlen. Andere raten gänzlich ab... heißt aber noch lange nicht, dass man keine tollen Beobachtungsnächte haben kann.
Auch die Lichtverschmutzung, vor allem an den Küsten, wie du bereits erwähnt hast, ist nicht zu vernachlässigen. Größtenteils leuchtet dort alles Orange aufgrund der Natriumdampflampen.

Meiner Meinung nach gibt es aber sehr wohl große Unterschiede zum Festlandeuropa. Bei gutem Wetter vorausgesetzt, kann man von jedem Ort der Insel einen mehr oder weniger geeigneten Beobachtungsplatz in weniger als einer Stunde erreichen (so schnell ist man bei uns i.d.R. nicht in den Bergen...) und man befindet sich in südlicheren Gefilden, was dazu führt, dass man Objekte sieht, die bei uns zu tief stehen.
Aber ja, für mich ist Madeira in erster Linie eine großartige Wanderinsel, was unser Beobachtungserlebnis aber um nichts geschmälert hat.

Liebe Grüße
Daniel
 
Das mit den Beobachtungsplätzen glaube ich Dir gerne. Ich bezog mich mit meiner Wertung, dass mir 4 h Flug zuviel sind, nur auf's Wandern.
Vermutlich sind die Beobachtungsmöglichkeiten auf den noch südlicher liegenden Kanaren auch gut und diesen April 2019 wäre dort das Wetter für alle Aktivitäten definitiv besser gewesen. Wir landeten bei Sonne, hatten dann eine Woche ein festhängendes Tiefdruckgebiet über Madeira, während der ich wehmütig aufs Wolkenradar der Kanaren blickte.
Am Abflugnachmittag klarte es dann wieder auf...
 
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