Hallo Thomas,
Zitat von Thomas_Fischer:
Nämlich die Frage, ob die Dicke einer Linie im Spektrum eine Aussage darüber macht, wie viel von einem Stoff vorhanden ist.
Ohne meinen Vorrednern grundsätzlich widersprechen zu wollen, lautet die Antwort auf Deine Frage aus Sicht der Astronomie: Nein, die Dicke sagt nichts über die Menge des Stoffes.
In der Laborspektroskopie kann man aus der Helligkeit womöglich noch darauf schließen, in welchem Verhältnis ein Gemisch verschiedener Stoffe vorliegt.
In Sternspktren (Astronomie) haben wir jedoch eine völlig andere Physik. So gibt die Breite (=Dicke, Profil) der Linie hier grundsätzlich nicht mehr Auskunft über die Menge des vorliegenden Stoffes. Es kann sogar so sein, daß die häufigsten Elemente in einem Spektrum nur noch marginal im Spektrum erkennbar sind. Je nach Temperatur der Sterne sind etwa die Linien des Wasserstoffs unterschiedlich angeregt und ausgeprägt. Dabei bestehen die Sterne hauptsächlich aus Wasserstoff! Dieser Umstand erschwerte zunächst die Interpretation der ersten Spektralklassifikationen der Sterne. Die man zunächst willkürlich geordnet hatte und später neu geordnet hat, nachdem man erkannte, welcher Physik die Sternatmosphären unterworfen sind.
Es hängt also vielmehr davon ab, welche Energie im Stern erzeugt wird, ob eine Linie noch sichtbar ist und wie stark sie ausgeprägt ist. Gemeint ist hier etwa der "Kontrast" mit der die Linie erkennbar ist. Da die Temperatur einer Sternoberfläche auch ein Maß für die mittlere Energie ist, gibt es hier Zusammenhänge.
Die Dicke der Linie, also die Profilbreite und Form des Profils hängen in erster Linie mit dem Druck der Sternatmosphäre, der Eigenrotation des Sterns und der vorherrschenden Temperatur in dem Bereich zusammen, in dem die Linie emittiert oder absorbiert wurde.
Grundsätzlich kann man sagen, daß:
a) schnell rotierende Sterne, breitere Linien haben als langsam rotierende,
b) heiße Sterne breitere Linien haben, als kühlere (ab gewissen Temperaturen verschwinden manche Linien dann wieder)
c) Sterne mit hohem atmosphärischen Druck breitere Linien haben als solche mit niederem atmosphärischem Druck.
Nur die letzte Beziehung gäbe in gewisser Weise Auskunft über die Gesamtmasse des Sterns, sofern man diese Verbreiterung von den übrigen Profilformen trennen könnte.
Es gibt noch Zusammenhänge zwischen der Elementenhäufigkeit in einem Stern, dies hier in Kürze zu erläutern würde aber den Rahmen meiner Antwort hier sprengen. Die Astronomen sprechen hier von Metallizität der Sterne. Womit sie alle chemischen Elemente meinen, die nicht Wasserstoff oder Helium sind. Eine Angabe der Metallizität meint also die Häufigkeit der Elemente untereinander. In gewisser Weise hängt das auch vom Alter des Sterns und der Umgebung ab, in der der Stern sich "entwickelt". Manchmal spricht man auch von jungen und alten Sternpopulationen, was man auch an einer zunehmenden Metallizität ablesen kann. Diese schweren "Metalle" haben so also noch einen gewissen Einfluß auf die Linienbreite.
Jedoch findet man in Sternspektren viele Linien unterschiedlicher chemischer Elemente. Diese entstehen z.T. in unterschiedlichen Tiefen seiner Atmosphäre. Steht der Stern hinter einer interstellaren Wolke, so können manche Linien entstehen, obwohl sie dem Stern nicht zuzuordnen sind.
Hinzu kommt, wie ich erwähnte, daß die Linien nur in äußeren Bereichen der Sternatmosphäre entstehen. Dies ist der sichtbare Teil der Sternatmosphäre, in dem das Licht das entsteht nicht wieder durch Absorption "aufgefressen" wird. Wir sehen also nicht einmal in den Stern hinein, wo eigentlich der Löwenanteil der Menge des Stoffes liegen müsste.
In Gasnebeln hat man trotz großer Materieansammlungen oft nur wenige Linien. Je nach Anregungszustand sind dann einzelne Linien des gleichen chemischen Elements unterschiedlich "hell" und breit (Temperatur). So daß man sogar das Verhältnis der Linien des gleichen Elements betrachten kann. Solche Umstände nutzt man beispielsweise um zweifelsfrei einen planetarischen Nebel (Relikt eines Einzelsterns) von einer H-II Region zu unterscheiden, aus der ein ganzer Sternhaufen entstehen könnte.
Schon die wenige Luft, durch die wir vom Boden hindurch sehen, wird Linien im Spektrum erkenne lassen, deren Menge keinen Rückschluß auf die Menge des Stoffes zuläßt. So sehen wir breite, irdische Molekülbanden vom Sauerstoff und Stickstoff in den Sternspektren, die gar nicht vom Stern kommen, sondern nur von vergleichsweise wenigen Molekülen ausgehen, wenn man diese wenige Luft ins Verhältnis zu der irrsinnig großen Masse des Sternes setzen wollte.
Betrachten wir noch das Spektrum einer ganzen Galaxis, so sehen wir das Licht vieler Billionen von Einzelsternen im Spektrum. Trotzdem wird die Linie nicht breiter sondern die Linienprofile entsprechen eher einem "gemittelten" Sternmodell eines Einzelsterns, der sich aus der Summe des Lichts vieler sehr unterschiedlicher Sterne ergibt.
Du siehst, es ist sehr schwer bis praktisch unmöglich aus der Breite einer Linie auf die Menge des Stoffs zu schließen. Eine ganze Menge physikalischer Zustandsgrößen des Stoffes können wir jedoch trotzdem ablesen.
Viele Grüße
Thilo Bauer