Glücklicher Anfänger Teil IV

Ursus corpulentus

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Liebe Sterngucker,

eigentlich hatte ich ja wieder einmal nicht damit gerechnet, heute Abend hinter einem Fernrohr frierend gen Himmel zu blicken - 8/8 Bewölkung. Deswegen bin ich stattdessen auch ganz entspannt auf den Weihnachtsmarkt bei mir im Dorf gelaufen. Bratwurst statt Jupiter, Glühwein im Henklelbecher statt Goldener Henkel am Firmament.
Eigentlich.
Doch der Vollmond linste auf dem Heimweg dann doch sooo hübsch durch die Lücken in der Bewölkung, dass ich es nicht lassen konnte. Zuhause angekommen also rasch das Mini-Röhrchen raus auf die Terrasse gestellt für einen kurzen "astronomischen Absacker": Ein kurzer "Gang" über die helle Mondoberfläche schwebte mir vor, nichts Ernstes nach ein paar Bechern Glühwein. (Es war kalt gewesen). Vielleicht einen oder zwei Filter ausprobieren, irgendwann muss ich ja mal noch was dazulernen.
Dann fiel mir der rote Punkt östlich unterhalb des Mondes auf - ach ja, da war ja auch noch Mars unterwegs. Den hatte ich total vergessen. "Alle 15 Jahre nur ... carpe noctem!" hämmerte es daraufhin gnadenlos in meinem Kopf und so machte ich mir tief seufzend die Mühe, den 80er auf die Terrasse zu stellen, Glühwein hin oder her.
Was für eine gute Entscheidung!

Ich konnte allerlei Okulare ausprobieren, war aber in den höheren Vergrößerungen schnell am Ende dessen, was mir gefallen hat. Dann die 2er Barlow drauf und wieder versucht. Und dann hat es irgendwann doch tatsächlich "geschnackelt" . Die Kombination 32er Erfle zum Suchen und Vixen 17er Plössl zum Beobachten stand am Ende einer ganzen Reihe von trials and (mostly) errors. Aber die Farbsäume waren halt noch immer doof. Bis mir der Fringe Filter wieder einfiel, den ich im Rahmen eines Konvolutes von Okularen gekauft hatte.
Und plötzlich passte es. Diese Kombination, die eine knapp 106-fache Vergößerung produzierte, war (Subjektiv für mich) in dieser Situation das Beste, was ich herausholen konnte. Die Luftbewegung war quasi Null, dafür bedeckte eine dünne, schlierenhafte Bewölkung den Himmel, mal mehr, mal weniger. Alles in den Lücken der darüber liegenden fluffigen Bewölkung. Zwischendurch hüpfte ich immer mal wieder rüber zu Jupiter, denn die beiden Planeten wechselten sich in Sachen Sichtbarkeit zwischen den Wolken ganz gut ab; einer war eigentlich immer zu sehen.

Das rote Kügelchen war zwar nicht besonders groß, doch es waren dunkle Flecken zu erahnen. Beim Nachsehen eben im Stellarium fand ich sie wieder, sie sind also nicht auf den Glühwein zurückzuführen. Zumindest nicht unmittelbar. Der vermeintliche Mond, der östlich neben Mars stand, entpuppte sich bei dieser Gelegeneheit leider als schnöder namenloser Stern. Schade eigentlich. Ich tröste mich damit, dass sogar Gallileo einmal Anfänger war ...
Es fiel mir dann noch auf, dass Jupiter offensichtlich keine Barlows mag, denn die oben beschriebene Kombination passte für ihn überhaupt nicht - was mich völlig irritiert und ich deswegen noch einen letzten Glühwein trinken muss, um a) das Erlebte mental zu verarbeiten, und b) darüber nachzudenken, warum das so ist.

Heute Abend ist es mir also das erste Mal gelungen, einigermaßen planvoll verschiedenste Okular-Kombinationen solange auszuprobieren, bis ich das bestmögliche Ergebniss erreicht hatte - zumindest subjektiv. Aber das ist es ja immer in gewisser Weise.
Angesichts des wechselhaften Wetters (gut!) und der aktuellen Mars-Situation baue ich morgen Abend meinen 102er Vixen auf, um gewappnet zu sein, falls sich der Himmel wieder auftut. Mal sehen, was draus wird. (Wahrscheinlich nichts, denn es ist, wie wenn man einen Regenschrim mitnimmt und es dann nicht regnet. Und umgekehrt ist es natürlich genauso).

Egal; ich weiß von mindestens einem Sternenfreund im Norden, der mich darum beneidet. Er ist auch bei den Anonymen Teleskopikern, weswegen er hier unerkannt bleiben soll. Aber ich wünsche ihm von ganzem Herzen auch ein paar schöne klare, durchsichtige Fettaugen im nächtlichen Eintopf der Winterwolkensuppe.

Live long and prosper!
Ursus

P. S. Morgen Abend ist wieder Gruppensitzung bei den Anonymen Teleskopikern. Es gibt Neuigkeiten.
 
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Hallo Ursus,

wie so oft ein schöner Bericht. Ich war ebenfalls oft unter dünnen Wolkendecken draussen am Mond und den hellsten Planeten. Dann ist häufig eine besondere Luftruhe. Besonders hübsch finde ich es, wenn ich mit bloßem Auge den Jupiter nicht mehr sehe, er jedoch im Teleskop zu erkennen ist. Eine meiner schönsten Momente war mitten in dichtem Herbstnebel: der Jupiter ganz stabil im Okular während am 6-Zöller der Tau hörbar vom Tubus in den Rasen tropfte.

Beste Grüße, Christopher
 
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