Higgs-Boson und Z-Zerfall

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capsulsorp

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Hallo,
wie ja bereits bekannst ist, kann das Higgs-Boson nachgewiesen werden durch den "4-Leptonen-Zerfall" oder durch den Zerfall in 2 Photonen. Bei ersterem zerfällt das Higgs-Teilchen zunächst in 2 Z-Bosen, welche wiederum (mit einer gewissen W-keit) in Lepton-Antilepton-Paare zerfallen. Weist man nun Elektronen/Positronen bzw. Myonen/Antimyonen nach, welche zusammen eine äquivaltene Masse zum Z-Boson besitzen(~90Gev), kann man daraus folgern, dass diese durch den Z-Zerfall enstanden sind. Wie kann man aber feststellen, ob es sich bei dem Ereignis wirklich um einen Higgs-Zerfall handelt oder um 2 einfache Z-Zerfälle.
Ich hoffe, dass ich habe die Frage richtig formuliert habe und ich bedanke mich für eure Hilfe.

mfg Kevin
 
Zitat von capsulsorp:
Weist man nun Elektronen/Positronen bzw. Myonen/Antimyonen nach, welche zusammen eine äquivaltene Masse zum Z-Boson besitzen(~90Gev), kann man daraus folgern, dass diese durch den Z-Zerfall enstanden sind. Wie kann man aber feststellen, ob es sich bei dem Ereignis wirklich um einen Higgs-Zerfall handelt oder um 2 einfache Z-Zerfälle.
Hallo Kevin, das folgt wiederum aus der invarianten Masse der beiden Z-Bosonen, die muss nämlich ihrerseits die inzwischen bekannte Masse vom Higgs-Boson ergeben, also bei etwa 125 GeV liegen.

Die invariante Masse (oder auch Ruhmasse) eines einzelnen relativistischen Teilchens berechnet sich aus der relativistischen Gesamtenergie und dem Impuls des Teilchens zu

M = Wurzel (E²-|P|²)

Dabei bedeutet |P| den "Betrag" oder die Länge des Impulsvektors. Mit der üblichen Konvention c=1 entfallen dabei lästige Faktoren wie c² und dgl.

Die invariante Masse eines Ensembles von mehreren relativistischen Teilchen berechnet sich dann entsprechend aus der Summe der Einzelenergien und der Vektorsumme der einzelnen Impulse zu

M = Wurzel [(Σ E_i)²-|Σ P_i|²]

Dabei sind

Σ E_i = E_1 + E_2 + ... + E_n

und

Σ P_i = P_1 + P_2 + ... + P_n

wobei zu beachten ist, dass es sich in der letzten Zeile um eine Vektorsumme handelt.

Bei einem Zerfall vom Higgs in zwei Z-Bosonen, die wiederum in zwei Leptonen, also z.B. in Myonen zerfallen, sähe das dann so aus:

H -> Z_1 Z_2 -> μ_1 μ_2 μ_3 μ_4

und für die invarianten Massen muss gelten

M_Z_1 = Wurzel [(E_1+E_2)²-|P_1+P_2|²] ~ 90 GeV

M_Z_2 = Wurzel [(E_3+E_4)²-|P_3+P_4|²] ~ 90 GeV

M_H = Wurzel [(E_1+E_2+E_3+E_4)²-|P_1+P_2+P_3+P_4|²] ~ 125 GeV

Wenn die vier Leptonen die richtigen invarianten Massen haben, ist aber noch nicht garantiert, dass es sich bei einem konkreten Ereignis um ein Higgs-Teilchen handelt. Es gibt nämlich auch Untergrund mit derselben Signatur aus anderen Prozessen. Letzten Endes kann nur eine statistische Betrachtung mit einer hinreichenden Zahl von Ereignissen über einen größeren Massenbereich entscheiden, wie viel Signal und wie viel Untergrund vorliegt. Neben der Massenverteilung kann man auch noch die Winkelverteilung der Zerfallsprodukte untersuchen und prüfen, ob diese mit dem Spin und der Parität vom Higgs (0+) verträglich ist. Auch das lässt sich nur mit ausreichender Statistik machen.

Ich hoffe, dass Deine Frage damit beantwortet ist.

Gruß, Peter
 
Hallo,
danke für deine Antwort. Ich gehe mal davon aus, dass die Berechnung der invarianten Masse maschinell geschieht, sodass man ein unmittelbares Ergebnis bekommt.
Du hast zudem gesagt, dass solche Signaturen (inv.Masse~125GeV) auch durch andere Ereignisse entstehen können, welcher als Untergrund bezeichnet wird.

Letzten Endes kann nur eine statistische Betrachtung mit einer hinreichenden Zahl von Ereignissen über einen größeren Massenbereich entscheiden, wie viel Signal und wie viel Untergrund vorliegt.

Dies versteh ich nicht ganz. Meinst du damit die Abzeichnung eines lokalen Peaks, welcher den Higgs-Prozess vom Untergrund trennt? Und wieso benötigt man dazu einen breiten Massenbereich? Man hat das Higgs-Teilchen doch bei einer Masse von 125 GeV erwartet.

Wie du am Anfang erwähnt hast, berechnet man die Ruhemasse des erzeugenden Teilchens aus der Gesamtenergie und dem Gesamtimpuls. Wie bestimmt man den die Gesamtenergie? Soweit ich weiß, misst man doch im Kalorimeter den Impuls der Teilchen. Beim Zerfall eines Z-Boson teilt sich die Energie von 90 GeV auf z.B ein Elektron/Positron-Paar auf. Ist die Annahme richtig, dass 89 GeV in Form von kinetischer Energie vorliegt? Und der angegebenen Formel berechnet man ja die Ruhemasse des Z-Boson aus. Warum kann man davon ausgehen, dass sich dieses in Ruhe befindet? Liegt dies an der Energie-Zeit-Unschärfe?

Ich weiß es sind ziemlich viele Fragen auf einmal und ich bedanke mir recht herzlich für eine Antwort

CS Kevin

mfg Kevin
 
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Zitat von P_E_T_E_R:
Letzten Endes kann nur eine statistische Betrachtung mit einer hinreichenden Zahl von Ereignissen über einen größeren Massenbereich entscheiden, wie viel Signal und wie viel Untergrund vorliegt.
Zitat von capsulsorp:
Dies versteh ich nicht ganz. Meinst du damit die Abzeichnung eines lokalen Peaks, welcher den Higgs-Prozess vom Untergrund trennt? Und wieso benötigt man dazu einen breiten Massenbereich? Man hat das Higgs-Teilchen doch bei einer Masse von 125 GeV erwartet.
Hallo Kevin nochmal, nun, außer dem H -> 4μ Prozess gibt es eben noch andere Prozesse, welche ebenfalls vier Myonen im Endzustand haben, und ein Teil davon befindet sich dann zufällig bei derselben Masse. Aus dem Verlauf der Ereignisse im Umfeld von 125 GeV kann man dann aber den Untergrund zum Higgs-Signal abschätzen. Und wenn man die Untergrundprozesse hinreichend gut versteht und quantitativ beschreiben kann, dann lässt sich das sogar im Detail simulieren.

arxiv.org/abs/1207.7214

Atlas Collaboration - Observation of a new particle in the search for the Standard Model Higgs boson with the ATLAS detector at the LHC -> pdf

Schau Dir dort mal den Abschnitt 4.2 (background estimation) und insbesondere die Abbildung 2 an, dann sollte klar werden, worum es dabei geht.

Wie du am Anfang erwähnt hast, berechnet man die Ruhemasse des erzeugenden Teilchens aus der Gesamtenergie und dem Gesamtimpuls. Wie bestimmt man den[n] die Gesamtenergie?
Das ist einfach die Summe der Gesamtenergien der vier Zerfallsteilchen: E = E_1 + E_2 + E_3 + E_4

wobei

E_i = Wurzel [(M_i)²+|P_i|²]

Ob das Zerfallsteilchen ein Elektron oder ein Myon ist, offenbart sich an seinem völlig unterschiedlichen Verhalten im Teilchendetektor. Du kennst dann also schon mal dessen Masse M_i. Der Impuls der Myonen ergibt sich aus ihrer Ablenkung im Magnetfeld des Detektors. Zusammen mit der bekannten Masse des Myons folgt daraus dann dessen Gesamtenergie. Und für Elektronen bestimmt man diese Energie direkt in einem Kalorimeter.

Beim Zerfall eines Z-Boson teilt sich die Energie von 90 GeV auf z.B ein Elektron/Positron-Paar auf. Ist die Annahme richtig, dass 89 GeV in Form von kinetischer Energie vorliegt?
Das Z-Boson hat eine Masse von 91.188±0.002 GeV.

(1) Wenn ein ruhendes Z-Teilchen in ein e+e- Paar zerfällt, dann erbt sowohl das Positron als auch das Elektron jeweils die Hälfte der Gesamtenergie von 91.188 GeV, also 45.594 GeV. Die Impulsvektoren von Positron und Elektron sind gleichgroß und entgegengerichtet. Der Schwerpunkt bleibt in Ruhe. Wegen der geringen e+/e- Masse von 0.000511 GeV spielt diese keine praktische Rolle mehr - ähnlich wie beim Photon sind Energie und Impulsbetrag zahlenmäßig praktisch identisch: E-|P| = 2.86 x 10^-9 GeV = 2.86 eV !!!

(2) Wenn das Z-Teilchen jedoch nicht in Ruhe ist, dann überträgt sich dessen Impuls auf den Schwerpunkt von Positron und Elektron. Die Impuls- und Energieaufteilung kann dann sehr asymmetrisch sein. Im e+/e- Schwerpunktsystem entspricht die Situation jedoch der unter (1) beschriebenen.

Und der angegebenen Formel berechnet man ja die Ruhemasse des Z-Boson aus. Warum kann man davon ausgehen, dass sich dieses in Ruhe befindet? Liegt dies an der Energie-Zeit-Unschärfe?
Da unterliegst Du einem leider verbreiteten Missverständnis. Eigentlich sollte man dieses Unwort "Ruhemasse" aus dem Vokabular streichen und durch das Wort "Masse" ersetzen, siehe dazu z.B.

Frage zur speziellen Relativitätstheorie

Wie oben unter Punkt (2) beschrieben, befindet sich das Z-Boson beim Higgs-Zerfall ja gar nicht in Ruhe, sondern es hat sogar eine ganz beträchtliche Energie. Und es hat natürlich eine Masse. Wenn Du also das unsinnige Wort "Ruhemasse" durch Masse ersetzt, dann erübrigt sich auch Deine Frage!

Mit freundlichen Grüßen,
Peter

 
Hallo,
danke für deine Antwort. Ich werde meine Fragen jetzt kurz halten, nachdem ich gerade eine gefühlte halbe Stunde einen Antworttext formuliert hab nur um dann das Tab zu schließen. Also bitte das nicht als einen unhöflichen Formalismus aufgreifen.

(1) Wenn ein ruhendes Z-Teilchen in ein e+e- Paar zerfällt, dann erbt sowohl das Positron als auch das Elektron jeweils die Hälfte der Gesamtenergie von 91.188 GeV, also 45.594 GeV. Die Impulsvektoren von Positron und Elektron sind gleichgroß und entgegengerichtet. Der Schwerpunkt bleibt in Ruhe. Wegen der geringen e+/e- Masse von 0.000511 GeV spielt diese keine praktische Rolle mehr - ähnlich wie beim Photon sind Energie und Impulsbetrag zahlenmäßig praktisch identisch: E-|P| = 2.86 x 10^-9 GeV = 2.86 eV !!!

Das sich die Energie aufteilt ist klar. Stimmt also meine Annahme, dass der größte Ertrag dann in der Bewegungsenergie steckt? Mit dem Begriff Schwerpunkt kann ich sowohl im Fall 1 als auch in 2 nichtsanfangen. Dein Rechenbeispiel ergibt für mich keinen Sinn. Woher kommen die Werte. Das die Energie und Impuls praktisch gleich sind ergibt sich ja aus:

p= Wurzel( E²-m²)

Die Energie ist ja maßgeblich vom Impuls abhängig nach

E_i = Wurzel [(M_i)²+|P_i|²]

aber von welchen Größen wird der Impuls bestimmt?
Der Impuls lässt sich aus der Ablenkung bestimmen. Im Fall des Myons wird dieses ja im Inneren Detektor abgelenkt ( im elektr. Kalorimter auch bloß im had. Kalorimeter nicht oder? ) Die Ablenkung ist ja nach

r= m*v/(q*B)

bestimmt bzw. der Impuls da ja das Magnetfeld vorgegeben und die Ladung ja nur + oder - sein kann (Myon).

(2) Wenn das Z-Teilchen jedoch nicht in Ruhe ist, dann überträgt sich dessen Impuls auf den Schwerpunkt von Positron und Elektron. Die Impuls- und Energieaufteilung kann dann sehr asymmetrisch sein. Im e+/e- Schwerpunktsystem entspricht die Situation jedoch der unter (1) beschriebenen.

Wie schon erwähnt kann ich mir nichts unter Schwerpunkt vorstellen. Den zweiten Satz versteh ich auch nicht, weil ich noch nicht weiß, wo sich diese Größen signifikant unterscheiden.( Stichwort: Masse,Magnetfeld?)


Wie oben unter Punkt (2) beschrieben, befindet sich das Z-Boson beim Higgs-Zerfall ja gar nicht in Ruhe, sondern es hat sogar eine ganz beträchtliche Energie. Und es hat natürlich eine Masse. Wenn Du also das unsinnige Wort "Ruhemasse" durch Masse ersetzt, dann erübrigt sich auch Deine Frage!

Fall 1 ist also nur ein idealiserter Zustand der so nicht auftritt? Mit der Angst wieder den Begriff der invarianten Masse zu benutzen, verwende ich einfach den Energiebegriff. Das Z-Boson besitzt also nach seiner Erzeugung eine hohe Bewegungsenergie. Dies müsste doch zur Folge haben, dass beim Zerfall die Leptonen eine höhere Energie als 90 GeV besitzen?

Ohne eine ausreichend hohen Impuls kann ich mir den Zerfall eines Higgs in zwei Z`s auch nicht erklären.

Aus diesem Entschluss zieh ich nämlich auch den Grund, warum das Higgs häufiger in tau und antitau bzw. bottom und antibottom zerfällt.

Ich stand jetzt ein bisschen unter Zeitdruck, weshalb ich mich für Satzdreher entschuldige.

mfg cs
Kevin
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Zitat von capsulsorp:
Wie schon erwähnt kann ich mir nichts unter Schwerpunkt vorstellen.
Über solche elementaren Grundbegriffe solltest Du Dir aber schon Klarheit verschaffen, bevor Du hier mit endlosen Fragen nach Higgs und Z-Bosonen das Forum aufmischst. Vielleicht solltest Du mal eine Weile die Klappe halten und Dir etwas mehr Basiswissen aneignen. Ganz ohne eigene Anstrengungen geht das nun mal nicht.

 
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