nächtliche Wanderungen und visuelle Astronomie mit Fernglas: mehr ein ästhetischer Zugang

spaceWolfi

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Liebe Sternfreunde,

Ich möchte hier über ein Projekt schreiben, von dem ich nicht recht weiss, ob andere Sternfreunde dies ohnehin schon längst betreiben oder dies quasi ein komplette Schnapsidee ist.

Und zwar geht es um das Vorhaben - insbesondere bei moderaten Seeing oder bei helleren Mondnächten - in der Nacht längere Wanderungen zu machen und mit dem Fernglas immer wieder verschiedene "Himmelseindrücke"/Beobachtungen/Stimmungen einzufangen.

Mein erster Zugang zur Astronomie war eher "technisch" über die Astrofotographie (mehrere Jahre), der zweite Zugang betrifft die visuelle Astronomie (dies habe ich bisher ca. 1 Jahr betrieben mit einem 12" Gitterrohrdobson auf ca. 1300m Seehhöhe) und ich möchte sagen, ich habe so viele schöne Stunden (und freilich auch da und dort etwas Ärger ;-)) erlebt.

Der dritte Zugang wäre nun mehr ein "ästhetischer Zugang", wo man als quasi "nicht-stationärer" Beobachter Eindrücke gewinnen kann. Ich hab ein 10x42 Canon L IS WP 6.5" mit Bildstabilizer und bin wirklich überrascht wie gut das funktioniert. Das würde ich verwenden und auch 2.1 x 42 Binokular, wo man quasi einen "bessere Übersicht" in den Sternbilder bekommt.

Derzeit habe ich dies noch nicht ausprobiert, würde mich über Feedback freuen. Welche Erfahrungen bereits gemacht wurden, worauf es zu achten gilt, etc.

Soviel zu diesem Vorschlag,
CS Wolfgang
 
Hallo Wolfgang,

...ob andere Sternfreunde dies ohnehin schon längst betreiben...
ja, bestimmt! Was die "strukturierte" Fernglasbenutzung angeht, siehe hier: http://www.deepsky.vdsastro.de/de/project-deep-sky-with-binoculars.php?index=True.
ich bin im Laufe der Jahre auch dazu gekommen, neben den Teleskopen dieselben Objekte oder Regionen mit dem FG zu beobachten. Dabei bekommt man andere und/oder erweiterte Ansichten!
M25 ist ein schicker lohnender Sternhaufen im Teleskop, mit dem Fernglas erweitert sich der Anblick um den Asterismus "Kleopatras Auge". M11 zeigt denselben Effekt, hier tut sich im FG eine wunderschöne Sternkette als Ergänzung auf. Viele (sehr) offenen Haufen sind für Teleskope einfach zu groß, um sie gesamt zu erfassen und ergeben erst im FG einen tollen Eindruck, z.B. die Hyaden oder einiges aus dem Collinder-Katalog.
Bei Mondlicht gehen diese Objekte teils noch (bis zum ersten Viertel), dann habe ich immer den Eindruck, dass die Details im Streulicht des Mondes "absaufen".

Was bei mäßigem Seeing auch eine Option sein kann, ist die Beobachtung von Doppelsternen. Da ließe sich sicher herausfinden, welche noch gut im FG gehen.

...auf gar keinen Fall... :)

CS
Uwe
 
Hallo Wolfgang,

bin da ganz bei Uwe und unterschreibe seine Aussagen 1:1 mit.
In Mondnächten lassen sich sicher wunderbare Stimmungen, Haloerscheinungen und ähnliches einfangen.
Dein 2.1x42 Bino spielt seine Stärken aus meiner Sicht erst unter dunklem Himmel aus. Alles andere finde ich mit den kleinen 2x-Gläsern eher enttäuschend.

Mit dem 10x42 könntest Du versuchen, alles Messiers erfolgreich zu beobachten. Einige Galaxien des Frühjahrshimmels sind dabei besondere Herausforderungen, die Du unterstützend mit Parallelbeobachtungen mit Deinem 12"-Teleskop angehen könntest.

Beste Grüße

Rene
 
Hallo Wolfgang,

ich finde Deine Idee sehr schön! Und hatte selbst schon Gedanken, die in solch eine Richtung gehen.

Meine persönliche Herangehensweise an die Astronomie ist eigentlich genau der Weg über die Ästhetik. Fernglas oder Teleskop sind dabei eher Mittel zum Zweck, mit denen man sich halt so weit auskennen sollte, um sie einigermaßen sinnvoll einsetzen zu können.

Schon öfter hab ich mit dem Gedanken gespielt, "es" doch mal etwas anders zu machen. Nämlich in Form einer nächtlichen Wanderung, bei der das Wandern und das Genießen des Gesamterlebnisses genauso wichtig wie das eigentliche Beobachten sein sollte. Schließlich ist doch so eine Beobachtungsnacht viel mehr als nur der Blick durchs Teleskop oder Fernglas.

Das nächtliche Draußensein (bei unterschiedlichen Temperaturen), das Wahrnehmen der nächtlichen Welt mit ihren Geräuschen, Schemen, der Stille und Einsamkeit (wenn vorhanden), der Genuss eines Bechers heißen Tees, der einem wieder etwas Wärme schenkt, das Wohlige der Decke, in die man sich vielleicht einkuschelt, während man über sich diesen weiten Sternenhimmel hat, der zum Träumen einlädt und dazu, sich als der unbedeutende Teil der Wirklichkeit zu fühlen, der man ja im Grunde ist. All das gehört ebenso zu einer Beobachtungsnacht wie der Blick durch ein optisches Gerät. Und macht die Astronomie meiner Meinung nach erst zu einer ganzheitlichen Erfahrung.

So eine richtige astronomische Nachtwanderung, wie ich mir denke, dass Du sie Dir vorstellst, hab ich noch nicht unternommen. Aber vor allem im Winter, wenn ich wegen der Straßenverhältnisse nicht gern mit dem Auto herumfahre, hab ich schon öfter mein kleines 60er Teleskop oder auch nur das Fernglas (mal mit, mal ohne Stativ) zusammengepackt und bin damit ein Stück aus meinem Ort hinaus in die Dunkelheit gewandert. Je nachdem, wieviel Gepäck mit musste, hab ich mir alles in eine große Tasche oder auch mein Einkaufswägelchen gepackt und bin los. Warm angezogen, mit einer Kanne Tee und etwas Süßkram fürs leibliche Wohl dabei. Mit einer Rotlichtlampe zum Sternkartenlesen, einem Klapphocker und einer Decke.

Schon allein diese Wanderung zum Beobachtungsplatz finde ich immer sehr besonders. Wenn man nach und nach die Lichter und die Hektik der Stadt hinter sich lässt und dabei immer mehr Sterne über sich erkennt. Das ist (in meinem persönlichen Empfinden) fast so, als würden einen die Sterne (und natürlich auch Jupiter & Co.) mit jedem Schritt ein Stück mehr begrüßen. Schon auf dem Weg zum Platz kann ich mich so am Himmel orientieren, die Sternbilder erkennen, und nebenbei die Augen an die Dunkelheit gewöhnen.

Probier es einfach aus! Und ich freue mich jetzt schon darauf, wenn Du uns hier von Deinem Erlebnis erzählen magst.

Herzliche Grüße
Sabine

PS: @Uwe65 - bei mir führt Dein Link in eine Fehlermeldung. Ich weiß nicht, ob das am Link liegt oder nur bei mir der Fall ist...
 
Worauf man achten sollte: Wohin bzw. worauf man tritt :)
Bei meinen kleineren Wanderungen kannte ich die Route schon vom Tage her. Wenn die Augen weniger sehen, sind andere Sinne geschärfter und man nimmt andere Geräusche, Gerüche eher war... (oder auch mal ein Glühwürmchen). Mir ist dann erst recht Ausstattung und Kleidung lieber, welche nicht bei jedem Schritt raschelt oder sonstiges Geklapper aus der Material-Tasche zu hören ist. Auch wenn ich nicht als Jäger unterwegs bin, so möchte ich am Wald nicht das Trampeltier sein.
Richte dich im Winter darauf ein, dass jegliches Gerät mit Batterie schneller seine Grenze erreicht und du auch ohne Elektrizität wieder heim findest.
 
Ich nutze ein sehr gutes 7x50, immer wenn ich mobil bin: bei Nachtwanderungen, im Auto, im Urlaub oder wenn das Aufbauen meiner größeren Optiken im Garten wg. drohender Bewölkung fraglich ist.
Man bekommt eine gute Orientierung am Himmel: wo genau stehen Messsier-Objekte u. a., wie laufen die Planeten im Abgleich mit Fixsternen, weitläufigere Sternkonstellationen und Asterismen, die im Teleskop nicht ersichtlich sind, werden sichtbar etc.
Der Mond zeigt schon viele Krater und die 4 Jupiter-Monde sind deutlich sichtbar.
Außerdem offenbart sich, besonders in einem Porro-FG, ein gewisser räumlicher Effekt am Himmel, der im Teleskop verborgen bleibt.
Nicht zu vergessen die Naturbeobachtungen tagsüber, in der Dämmerung und nachts: Wild, Vögel etc. (aber bitte nicht die Innenräume der Nachbarn :D).
 
Ich bedanke mich mal ganz herzlich für die vielen konstruktiven und inspierenden Beiträge.

Nun, bei den Wanderungen dachte ich an Almengebiete, die quasi flach sind und ich schon sehr sehr gut kenne. In meinem Fall ist dies die "Postalm" - das grösste Almengebiet in Österreich.

Der Tipp mit den elektrischen Geräten, die schneller die Batterien verbrauchen ist super. Daran werde ich denken und Ersatzakkus mitnehmen. In der Dunkelheit etwas zu verlieren - was mir neulich mal passiert ist - möchte ich gerne vermeiden.

Zum Thema "Ästhetik": besser als Sabine, die Himmelsguckerin es beschreibt, kann man es wohl nicht schreiben. Abseits vom "normalen Alltag" senkt sich die Nacht und wandert und sieht dabei die Sterne, Sternbilder, den Mond, die Milchstrasse. Zusammen mit den Waldbäumen, Wolkenstimmungen, könnte ich mir vorstellen, dass dies wirklich eine Bereicherung ist.

Neulich sah ich mal auf einem Berg bei einer "Probewanderung" den Vollmond aufgeben, so etwas hab ich überhaupt noch nie erlebt. Der Mond ging durch eine dünne Wolkendecke durch und kam dann in den freien Himmel und es enstand eine ganz feine rote Korona um den Mond. Wunderschön war das... und in bleibender Erinnerung.

Und es wurde immer wieder daraufhingewiesen: Grössere offene Sternhaufen sind zu gross für's Teleskop. Einige wenige Asterizismen (z.B. Kleiderbügel, Sommerdreieck, Wintersechseck) kenne ich gerade mal, AsterKleopatra's Auge hab ich zwar gelesen, doch noch nie beobachtet.

Nun, der Herbst naht und ich werde mal eine Wanderung machen und dann berichten.

CS, SpaceWolfi
 
Bei mir gehören kurze Wanderungen eigentlich dazu. Meist brauch ich am Standort ein bisschen Bewegung und dreh dann ne Runde. Dabei ist da immer ein Fernglas - meist das Leica Trinovid 8 x 40 (siebziger Jahre) das ich für einen 50er auf dem Flohmarkt erbeutet hab und in einem sehr guten Zustand ist. Für mich gehört zur Qualität des Beobachtungsplatzes auch eine Landschaftliche...Niederbayern bei Nacht
Felix
 

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Das sind alles Bilder vom Stativ ohne Nachführung. Deshalb bloß 9 sec bei Iso 3200 und Blende 1,8.
Übrigens Einzelaufnahmen und bloß Jpegs aus der Kam nur mit Canon Zoombrowser bearbeitet.
Entsprechend sehen sie aus..... Man kann es nur besser machen.
Felix
 
danke für die detaillierten Infos... ich werde ev. auch mal mit meiner sehr alten Digicam einige Aufnahmen machen, mal schauen...

gerade diese ästhetischen Eindrücke zu vermitteln ist ja auch ein Ziel ...
 
Hallo Wolfgang,

ich veranstalte viermal im Jahr Astrowanderungen für unsere örtliche Volkshochschule. Dabei geht es in erster Linie um den "ästhetischen Zugang", wie du das nennst. Die Wanderungen dauern 4 Stunden. Dabei lernen die Teilnehmer den Himmel mit bloßen Augen und Ferngläsern kennen. Für die Wanderungen suche ich mir auch jeweils ein übergeordnetes Thema aus, anhand dessen ich den Himmel erklären kann. Hintergrund ist ein Präsentationskonzept, das für die Ranger der amerikanischen Nationalparks entwickelt wurde (Thematic interpretation). Hauptziel dieses Konzeptes ist nicht, dass das Publikum möglichst viel lernt (und anschließend wieder vergisst), sondern dass es zum Nachdenken angeregt wird. Im Vordergund steht der Spaß. Es ist keine Lehrveranstaltung.

Auf halber Strecke machen wir dann Halt auf einer großen Wiese. Dort können die Teilnehmer ein paar ausgewählte Objekte mit meinen 18-Zöller bewundern.

Mit der Betriebsdauer von elektrischen Geräten hatte ich der Kälte noch nie Probleme. Das Smartphone bleibt in der Hosentasche unter der Thermolatzhose. Die Rotlichttaschenlampen kriegen Batterien, keine Akkus. In den Jackentaschen habe ich Taschenwärmer. Da haben es die Hände und die elektrischen Geräte mollig warm.

Um einen geeigneten Veranstaltungsort zu finden, habe ich lange gesucht. Meine Kriterien sind:

- landschaftlich schön
- dunkel
- ebenerdig
- gut befestigte Wege
- möglichst viel freier Himmel
- Rundweg möglich
- kein Blick auf Straßen, Dörfer und sonstige Beleuchtung
- Parkplatz am Treffpunkt / gute Erreichbarkeit

Viel Spaß bei deinen Nachtwanderungen.

Wolfgang
 
Vorhin konnte ich einen Bino-Bandit antesten. Erster Eindruck: eine Bereicherung für das Seh-Erlebnis. Habe das Gefühl weniger abgelenkt zu sein und mehr in den Sternenhimmel abtauchen zu können. Für einen vergleichbaren Blendschutz am Fernglas hiermit also auch meine Empfehlung.
 
Heuer im Sommer hab ich mich mal einfach ins Gras gelegt und mit dem Fernglas in den Himmel geschaut... Da hat man nicht nur den Sternhimmel vor sich sondern auch den Duft von Heu in der Nase...
Ein anderes Erlebnis war der Stausee der Isar im Frühjahr: Oben die langsam aufsteigende Milchstaße und ringsherum Froschgequake in Dolby Surround. Man wähnt sich mit Jim und Huck auf der Jacksoninsel auf dem Missisippi.... (Jugendträume)
Felix
 
Vorgestern war es soweit: der erste Versuch: um 5 Uhr früh zum Grundlsee (Österreich) gefahren und Richtung Elm gegangen.
Dort ist so extrem dunkeln im Wald, wie ich es eigentlich noch nie erlebt hatte. Richtig stockdunkel. Und darüber das Sternenzelt!

Die Magie dieser Augenblicke sind schwer zu fassen ... Es ist als ob man mit freiem Auge die Sternbilder "neu" sieht. Soviele zusätzliche Sterne, die ich auch - an anderen - sehr dunklen Standorten so noch nie gesehen habe, z.B. im Zwilling, Orion, Grosser Hund, Stier.

bin dann auf 2200m rauf in einer sehr langen Wanderung (es wurde dann schon Tag).

Und ich werde es versuchen, mal am Tag auf einen Berg zu gehen und dann oben mit einem 8x42 Feldstecher mit Bildstabilisator und einem Mini 2x42 in einem dicken Schlafsack, warmen Tee und meiner Hündin begleitet, die Schönheiten des Nachthimmels zu genießen.

Früher habe ich Astrofotographie betrieben, nun mehr visuell mit einem Gitterrohrdobson und dann als zusätzliche Ebene unter freiem Himmel.

Die Temperaturen müssen halt einigermassen stimmen ;-)

Wünsche Euch superschöne Beobachtungen, momentan ist so viel zu sehen!

CS, Wolfi
 
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