Schöne Beobachtungsnacht mit Startschwierigkeiten am 21.2.23

Himmelsguckerin

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Hallo zusammen,

gestern Abend trafen hier klarer Himmel, kaum Mond und moderate Temperaturen zusammen. Deshalb beschloss ich, die Chance zu nutzen, um meinen Sommerbeobachtungsplatz vor der Stadt nach einer langen Pause wieder mal zu besuchen. Voller Vorfreude, wägte ich nicht lange ab, welche Gerätschaften ich denn am besten einpacken sollte. Ich packte einfach ALLES ein, mein gesamtes Astro-Equipment (bis auf die Sonnenausstattung): das 10 x 50 Fernglas, mein 60/700 Teleskop, mein 80/400 Teleskop, alle meine 5 Okulare, den UHC-Filter. Ja, auch den Mondfilter nahm ich mit, obwohl es keinen Mond geben würde. Egal, ich wollte es astromäßig mal wieder so richtig krachen lassen, nachdem die winterlichen Beobachtereien stets recht reduziert ausgefallen waren.

Klappstuhl, ein warmes Kissen, eine Decke, Tee, was Süßes, der Karkoschka, mein Beobachtungsbüchlein und die Zeichensachen landeten im Auto. Da war ja genug Platz. Man muss ja keine leere Luft spazierenfahren...

Während ich geschäftig am Packen war, fiel mein Blick durchs Fenster, wo am klaren Abendhimmel gerade die Sonne untergegangen war. Und da sah ich ein wunderhübsches Arrangement aus dem ganz jungen Mond knapp über dem Horizont, darüber die hell strahlende Venus, und ein Stück weiter darüber Jupiter. Ich ließ alles liegen und stehen, lief auf den Balkon hinaus und knipste ein paar Fotos davon. Ein einziges davon wurde halbwegs brauchbar, und auch das ist im Grunde verwackelt und schrecklich. Aber ich zeig es euch trotzdem. Weil mir gut gefällt, wie der Mond da in seiner Horizontkuhle liegt, während die Planeten in einer Linie über ihm leuchten.

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Als ich alles für meine Beobachtungstour eingeladen hatte, machte ich noch ein Stündchen am Sofa die Augen zu. Eigentlich hatte ich mir ein paar schöne Beobachtungsziele heraussuchen wollen, um nicht völlig planlos draußen zu stehen. Aber ich war sehr müde.

Gegen 21.30 Uhr startete ich schließlich - angezogen wie für eine Polarexpedition - in mein Abenteuer. Es war eine herrlich klare Nacht und bei windfreien knapp 5 Grad (plus!) angenehm temperiert. Was wollte man mehr?

Nach kurzer Fahrt erreichte ich den erhöhten Platz vor der Stadt, an dem ein Feldweg zu der Wiese führt, auf der ein Stück entfernt die Kuppe des "Gruselplatzes" liegt. Als ich in den Feldweg einbiegen wollte, sah ich plötzlich, dass dort kurz hinter der Einfahrt mitten im Weg ein Auto stand. Auf dem Weg, auf dem ich etwas weiter hinten mein Beobachtungslager aufschlagen wollte. Irritiert bog ich ein paar Meter weiter in den kleinen Wanderparkplatz ein, den es dort gibt, und machte den Motor aus. Was tun?

Eigentlich wollte ich ja auf "meinen" Feldweg. Der schied gerade aus. Hier am Parkplatz gab es zwar dieselben Sterne, allerdings blendeten die vorbeifahrenden Autos ziemlich. Und mit diesem fremden Auto gleich nebenan hatte ich auch nicht das beste Gefühl bei dem Gedanken, hier auszusteigen und zu beobachten.

Während ich noch überlegte, was ich tun sollte, fuhr ein LKW zu mir auf den Parkplatz. Dann hörte ich, wie der Fahrer ausstieg und um seinen Laster herumlief. Jetzt schied dieser Ort fürs Beobachten definitiv aus. Etwas angesäuert verbarrikadierte ich mich in meinem Auto und wartete ab. Ich nahm mein Fernglas zur Hand und schaute ein wenig durch die Fensterscheiben nach den Sternen. Aber Spaß machte das nicht. Und gleichzeitig versuchte ich, mitzubekommen, was dieser LKW-Fahrer hinter mir tat, den ich nicht sehen konnte.

Nein, so hatte ich mir diesen Abend nicht vorgestellt. Ich überlegte noch eine Weile und dann machte ich mich so planlos wie erfolglos auf die Suche nach einem alternativen Beobachtungsplatz. Kurze Zeit später kam ich wieder an "meinem" Feldweg vorbei, und da war das Auto, das ihn blockiert hatte, plötzlich verschwunden. Voller Freude konnte ich nun also doch noch dorthin.

Ich stieg aus und lauschte, denn der LKW stand immer noch auf dem Parkplatz, der nun allerdings außer Sichtweite war. Und weil mir nach der anfänglichen Aufregung die Lust auf den Gruselplatz auf der Wiesenkuppe, zu der ich noch ein Stück hätte laufen müssen, gründlich vergangen war, baute ich Hocker und Teleskop gleich hier auf dem Feldweg hinter meinem Auto auf.

Es war herrlich! Zuerst schaute ich bei einem Becher Tee einfach nach oben, um mir einen Überblick zu verschaffen, wie das nächtliche Himmelszelt in seiner Gänze momentan eigentlich aussah. Während meiner kleineren Winterbeobachtungen hatte ich immer nur einen begrenzten Himmelsausschnitt gesehen. Und nun hatte ich einen fast perfekten Rundumblick. Lediglich einige Bäume unterhalb von Orion schränkten die Horizontsicht etwas ein.

Ich suchte den kleinen Wagen, und das dauerte etwas, weil im Vergleich zum Sommer die Zirkumpolarsternbilder alle sehr verschoben waren. Als ich den Wagen fand, konnte ich alle vier Ecken seines Kastens erkennen. Der schwächste Kastenstern lag allerdings an der Wahrnehmungsgrenze. Laut meinem Büchlein müsste ich also eine Grenzgröße um die 5 mag gehabt haben, wie dort oben bei guten Bedingungen eigentlich immer.

Da ich wusste, dass der Löwe schon da sein musste, suchte ich ihn. Allerdings eher horizontnah, und dort war es einerseits recht dunstig und andererseits erhellte das Licht naher Städte dort den Himmel. Ich beschloss, dass die Sterne des Löwen bestimmt irgendwo dort absoffen, und ließ das Kapitel Löwe vorerst bleiben. Der Frühling ging ja erst los, dann würde es mit ihm bestimmt besser werden.

Wir hatten eine mondlose Nacht und Orion stand noch gut hoch. Deshalb bot sich ein Blick auf seinen Nebel an. Ich hatte das 60/700 Teleskop aufgestellt, und nun setzte ich das 25 mm Okular ein. Ich fand den Nebel problemlos, und er war sehr hübsch. Dann schraubte ich noch den UHC-Filter ans Okular. Ich meine, dass die neblige Fläche dann etwas ausgedehnter aussah. Mir fielen die Zeichensachen ein. Aber Orions Nebel hatte ich schon mehrfach gezeichnet, deshalb hatte ich darauf keine große Lust.

In meinem Beobachtungsbuch hatte ich gelesen, dass ich letztes Frühjahr vergeblich versucht hatte, die Sternhaufen im Einhorn zu beobachten. Das wäre doch mal was anderes, als immer nur Orion. Aber das Einhorn ist ja ein recht schwaches Sternbild. Um dort Sternhaufen beobachten zu können, wäre es praktisch, das Einhorn am Himmel überbaupt zu finden. Und nachdem ich gerade erst an dem riesigen Löwen gescheitert war, hielt sich mein Selbstbewusstsein in dieser Hinsicht sehr in Grenzen.

Ich setzte meine Brille auf und suchte mit Hilfe der Sternkarte den entsprechenden Himmelsbereich ab. Und tatsächlich: die zarten Sternchen, die diese markante Spitze des Einhorns oberhalb von Sirius bildeten, waren da! Nach einer Weile tauchten auch noch rechts und links davon Sternchen auf, die mir sagten, dass ich richtig lag.

Also studierte ich im Karkoschka die Seite mit dem Einhorn. Auf der Karte war M 50 eingezeichnet, der ziemlich genau auf der Verbindungslinie zwischen den unteren beiden Sternchen, die die Spitze formten, lag. Das sollte doch zu finden sein! Ich peilte mit dem Leuchtpunktsucher den Bereich an, blickte durchs 25 mm Okular - und da war tatsächlich etwas, das ein Sternhaufen sein konnte. Oder auch nicht. Ich verglich meinen Fund mit der Karte im Sternatlas. Aber das brachte auch keine Bestätigung. Am Himmel sieht alles trotzdem immer etwas anders aus als auf der Karte. Und wegen meinem Zenitspiegel auch noch seitenverkehrt. Das macht die Sache nicht einfacher.

Egal, die Karte zeigte unterhalb des Einhorns noch viele schöne Nummern und Ms. Dann suchen wir halt was anderes. Laut Sternatlas sollte M 47 eigentlich recht auffällig sein. Das müsste doch gehen! Ich peilte die Region an, suchte wieder ein wenig in der Gegend herum, und dann stieß ich auf eine Ansammlung einiger heller Sterne. Voller Glück verglich ich das, was ich im Teleskop sah, mit der Detailkarte im Karkoschka. Und ich bin mir inzwischen recht sicher, dass ich M 47 wirklich gefunden habe.

Der Sternhaufen gefiel mir und ich zeichnete ihn.

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Allmählich wurde es trotz Decke etwas kühl, und die Zeichenhand musste ich zwischendurch immer wieder aufwärmen, weil ich sie vom Handschuh befreit hatte. Immer wieder beschlug das Okular, und ich musste pausieren. Dann setzte ich die Brille auf und schaute einfach so nach oben. Bis die Brille beschlug, und ich wieder mit dem Zeichnen weitermachte. Immer wieder genehmigte ich mir einen Becher Tee, um wieder mehr Wärme in meinen Körper zu bringen. Es war gut, dass kein Wind ging. So konnte man es schon etwas länger draußen aushalten, als zuletzt.

Als die wichtigsten Sternhaufensternchen gezeichnet waren, hörte ich auf, obwohl bei längerem Hinsehen noch einige weitere im Hintergrund auftauchten. Aber das Okular beschlug immer mehr, vielleicht auch das Objektiv. Das machte die Sache anstrengend. Ich versuchte noch, M 46 zu finden, der ja nicht weit von M 47 etfernt liegt. Ich stieß auch auf etwas, das ein Sternhaufen sein konnte. Aber sicher sagen, ob er das war, kann ich nicht.

Es wurde immer nasser. Das Teleskop hatte einen feuchten Überzug, meine Kleidung wurde klamm. Uhr hatte ich keine mitgenommen, und die fernen Glockenschläge hatte ich zuletzt nicht mehr gezählt. War auch egal, ich wollte bleiben, solange es mir gefiel. Und gefallen tat es mir trotz der Kälte und der Feuchtigkeit noch immer.

Deshalb wickelte ich meine Decke enger um mich, goss mir wieder einen Becher Tee ein und ließ das beschlagene Teleskop Teleskop sein. Der Himmel über mir war auch so wunderschön anzusehen. Ich schaute, ob ich vielleicht schon irgend ein Sommersternbild finden konnte. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass der Himmel inzwischen etwas weniger Sterne hatte als am Beginn meiner Beobachtung. In der Zirkumpolarregion stand eine seltsam gezackte Sternkette, und ich wunderte mich, was das denn sein sollte. Die Zirkumpolarsternbilder kannte ich eigentlich ganz gut. Aber das hier sah sehr fremd aus. Ich drehte und wendete meinen Kopf, und plötzlich musste ich lachen. Das war Kassiopeia! Total verdreht, aber nun doch unverkennbar.

Wie fremd so ein Himmel aussehen kann, wenn die bekannten Sternbilder so sehr verdreht sind, wie im Moment. Kassiopeia und auch den großen Wagen beobachte ich sonst eher im Sommer, weil sie dann von meinem Balkon aus ganz bequem erreichbar sind. Auch diesen Platz hier oberhalb der Stadt hatte ich noch nie im Februar besucht. Das war mein Sommerplatz. Und deshalb schaute der Himmel jetzt so fremd aus.

Mir fehlte auch die Milchstraße. Ich weiß, dass die Wintermilchstraße schwächer ist als die Sommermilchstraße. Ein Blick in den Sternatlas half mir dabei, zu sehen, wo sie im Winter verlief. Als ich das wusste, konnte ich in dem Bereich den Himmel auch ein klein wenig aufgehellt erkennen.

Es war kalt und ungemütlich und mir kam der Gedanke ans Zusammenpacken. Aber die Nacht war so schön, und der Gruselfaktor im Moment gegen Null. Da konnte man doch nicht einpacken. Kaum war der Gedanke zu Ende gedacht, flog plötzlich laut rufend ein Schwarm Gänse oder sowas dicht über mich hinweg. Der Gruselfaktor sprang sofort in die Höhe.

Als alles wieder ruhig war, ging mein Blick erneut gen Himmel. Ich konnte das mit dem Löwen nicht auf mir sitzen lassen. Der musste doch irgendwo dort oben sein. Ja, lacht mich ruhig aus. Ich brauchte die Sternkarte, um den Löwen dann doch noch zu finden. Genau über mir. Riesig groß, hoch am Himmel. Nix horizontnah und im Dunst abgesoffen... :LOL:

Aber was war das dann für ein heller Stern, den ich für Regulus gehalten hatte? Mit Hilfe der Karte konnte ich feststellen, dass es Arktur gewesen war. Vom Bootes war allerdings nicht viel mehr erkennbar. Etwas rechts davon leuchtete Spika, aber auch der Rest der Jungfrau war im aufgehellten horizontnahen Dunst verschluckt. Macht nichts. Ein Gruß von Arktur war ein Gruß vom Sommer. Und das freute mich sehr.

Es war kalt und die Nässe kroch immer mehr in meine Kleidung hinein. Ein wenig suchte ich noch nach Herkules oder dem Schwan oder noch ein paar Boten des Sommers. Aber das wurde nichts mehr. Zusammenpacken, Sabine. Sonst bist du morgen krank. Sagte ich mir.

Aber der Himmel war noch so schön. Und der Tee noch nicht alle. Deshalb goss ich mir nochmal ein, zog die Decke nochmal enger heran und blickte wieder nach oben. Wenn es nur etwas wärmer wäre und ich meinen Liegestuhl mitgenommen hätte, ...

Es half nichts. Die Vernunft sagte, dass es jetzt wirklich genug war. Deshalb baute ich nun wirklich mein triefend nasses Teleskop ab und lud es samt dem Hocker wieder in mein Auto, wo noch all das andere Zeugs lag, das ich ebenfalls mitgenommen hatte. Aber außer dem 60/700er und dem 25 mm Okular (und dem UHC-Filter) hatte ich nichts von dem mitgeschleppten Astrokram benutzt.

Kurz vor Mitternacht kam ich müde und glücklich zu Hause an, packte all die nassen Sachen wieder aus und fiel dann zufrieden in mein Bett.

Herzliche Grüße und allseits klaren Himmel,
Sabine
 
...und was ist aus dem Grusel-LKW geworden... :eek::unsure::ROFLMAO:
 
Ach ist das schön.
(so eine Beobachtungsgeschichte)

Gruß
Peter
 
Wieder mal ein sehr schöner Bericht von dir. Du schreibst immer so ausführlich und mit Emotionen, gefällt mir, fast wie ein Buch. :y:

Schöne Grüße
Dirk
 
Liebe Himmelsguckerin, liebe Sabine....

das ist so schön beschrieben, dieses Gefühl des Aufbrechens, voller Erwartung und dann die Schönheit des Sternenhimmels zu genießen.

ich war übrigens gestern auch unterwegs und es war wirklich eine sehr schöne Nacht!

Ich wünsche Dir weiterhin Alles Liebe und ganz viele wunderbare Beobachtungsnächte unter dem Sternenzelt ;-)

mit lieben Grüssen,
Wolfgang
 
Ich auch

Nicht viel aber etwas, 20 Uhr nach meiner Abendessen Pause, mein Dobson natürlich den Ich schon um 17 Uhr mit Astro Utensilien
im PKW lud.

Ich habe so meine Plätze im umkreis 3 bis 4 Stück 10 min Entfernung, oder weiter bis 20km .

Der Sternenhimmel so nah und schön am Platz wo ich ankam, in der Entfernung die Industrie und Stadt Beleuchtung.
Ich verwendete nur ein Okular Hyperion 17 mm für alles, im Orion M 87 im Fuhrmann M 37 M 36 im Stier M 1 wahrnehmbar,
Mars aber mmm, Spazieren geschaut viele Sterne im Umfeld einzeln betrachtet wie ein Abenteuer jeder im Umfeld anders.

Ein Lichtmonster Geländefahrzeug 6 Scheinwerfer kam vorbei Landwirt der evtl sein Umfeld kontrollierte Wildschweine, oder seine Schaffe.

1,5 Std baute in Ruhe ab ging mein Fahrzeug auf zu tanken, da der liter Super auf 1,73 war.

Manfred
 
Hallo Sabine !!!
Danke, Danke, Danke … ;)

Gruß
Sascha
 
Hallo Sabine,
nun habe ich mir mal die Zeit ( Renoviere im Moment )genommen und Deinen ausführlichen Beobachtungsbericht gelesen. Ja, wer schreibt schon so Plastisch und spannend wie Du? Ich selber wurde dadurch an einige meiner eigenen Beobachtungen erinnert....Danke fürs Teilen deiner Nacht............
CS
K.Heinz
 
Hallo

Ich kenn das, vorbereiten zum beobachten mit Motivation, geht da raus in die Stiele der Nacht, ohne zu Wissen was.....und siehe da, manchmal kann es Nerven man möchte in ruhe ohne gestört zu werden bebachten, dreht eine runde oder geht an eine andere Stelle.

Scheinwerfer von Fahrzeugen, keine anständige fragen oder Benehmen, laute Musik, Rauchen beim beobachten. Ist nicht meine sache.

Manfred
 
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