Veränderung des bestirnten Himmelsanblicks
Hallo Norman,
wie bereits erläutert verursacht die Präzession der Erdachse die
Polwanderung (Wikipedia). Die unteren Grafiken zeigen das recht anschaulich. Der Kreisradius (!), auf dem der Pol wandert beträgt immerhin 23,5 Grad, mithin wäre der Durchmesser sozusagen 94 Vollmonddurchmesser (47 Grad!).
Im Laufe der Jahrhunderte ist dieser Präzessionskreis allerdings noch mondbedingt mit einer Wackelbewegung im Bereich geringerer Amplitude (wenige Grad) überlagert, der Nutation.
Die Eigenbewegung der Sterne (in Verquickung mit der Eigenbewegung der Sonne in der Galaxis) verändert die Positionen der Gestirne über die Jahrhunderte merklich, wie bereits schön anschaulich erläutert.
Ferner spielt auch die Sternentwicklung über Jahrtausende eine gewisse Rolle. Da die meisten freiäugig sichtbaren Sterne eher leuchtkräftige Exemplare sind, leben manche ab oder gelangen in andere Stadien. So mag der ein oder andere Überriese in einer Supernova vergehen, leuchtkräftige Sterne kommen ins Riesenstadium oder werden veränderlich. Weit relevanter dürften noch weiter draußen liegende Sterne sein, die heute noch zu leuchtschwach für das bloße Auge sind, aber wenn sie zu Riesen/Überriesen werden, sichtbar werden.
Ich vermag mangels mir vorliegender Daten kaum abzuschätzen, wie viele Sterne das wohl sein könnten. Ganz grob und womöglich durchaus um die ein oder andere Größenordnung danebenliegend mal weit aus dem Fenster gelehnt ein Versuch einer Abschätzung:
- viele sonnenähnliche Sterne werden durchaus um das 500fache heller, wenn sie zum Riesen werden, dies entspricht einer Steigerung ihrer Helligkeit um grob 7 mag.
- eine "Sonnenkopie" aus 10 parsec (32,6 Lichtjahre) wäre etwa 5 mag "hell" (4,83 mag, etwa so hell wie der schwächste Stern im Kasten des kleinen Wagen).
- bereits aus 100 Parsec gesehen (326 Lj) wäre sie mit etwa 10mag ein rein teleskopisches Pünktchen (9,83 mag).
- würde unsere "Sonnenkopie" jedoch zum Riesen, wäre sie mit rund 2,8 mag auch in dieser Entfernung schon ein gut sichtbarer Stern.
- selbst aus 1400 Lichtjahren Entfernung wäre sie dann noch als 6mag Sternchen bloßen Auges nachweisbar.
- bei ganz grob über den Daumen 10 Mrd. Jahre Sternenleben und 100 Mio Jahre Riesenstadium wäre das 1% der Sternenlebenszeit (von 100 sonnenähnlichen Sternen ist statistisch stets einer gerade Riese und damit wesentlich weiter sichtbar)
- bei 10 Mrd. betrachteten Sternen würde sich im Schnitt einer pro Jahr zum Riesen entwickeln (bei vielleicht 400 Mrd. sonnenähnlichen Sternen in der Milchstraße also etwa einer pro Tag! in der ganzen Galaxis - auch wenn die Riesenwerdung schon einige Zeit braucht...)
- Wieviele sonnenähnlich Sterne mögen in der Sonnenumgebung in einer Raumkugel von grob 1400 Lichtjahren Radius liegen? Wenn ich mal voraussetze, a) daß ein oberes/unteres Spiralarmende noch viel weiter weg ist, und b) daß die Durchschnittsentfernung am Ort der Sonne zwischen 2 sonnenähnlichen Sternen etwa 5 Lichtjahre beträgt, und statt der Kugel einen Würfel mit 2000 Lichtjahren Kantenlänge annehme, also ein Würfel mit "statistisch 400 Sternen" pro Kante, ergeben sich mithin also 400³ ca.= 64 Mio Sterne.
- Daraus wäre zunächst zu folgern, das 10 Mrd. geteilt durch 64 Millionen also (im Mittel!) etwa 156 Jahre vergehen, bis einer dieser Sterne zum Riesen wird.
- da der betrachtete Zeitraum 10.000 Jahre ist, würden etwa 64 neue Riesensterne (im Mittel) in die Sichtbarkeit gelangen, vermutlich auswahleffektbedingt eher schwächlichere.
- von den heute sichtbaren Sternen sind auswahleffektbedingt deutlich mehr als nur 1% Riesen. Bei einigen Tausend sichtbaren über 10.000 Jahre könnten von diesen wegen der nur wenige Promille bis Prozent Riesenphase auch einige vergehen.
- bei durchschnittlich 200 Jahren pro sichtbarer Supernova für einige Wochen, sind innerhalb von 10.000 Jahren 50 Supernovae geschehen. Die Wahrscheinlichkeit, daß gerade wenn Du im Jahr 12006 auf dem genannten Berge stündest und eine Supernova bloßen Auges siehst, ist sehr gering: vielleicht 4 Wochen/200Jahre=1Monat/2400Monate, also etwa 0,4%. Während eines ganzen Menschenlebens (75 Jahre) geschehen statistisch nur ca. 0,4 freiäugig sichtbare Supernovae, diejenigen, die das erleben dürfen, haben schon Glück.
Wenn jemand genauere Informationen zu meinem Gedankengang hat oder etwaige Fehler aufzeigen kann - meine Statistik ist schon etwas her - wäre ich sehr dankbar. So einiges wurde ja auch gar nicht berücksichtigt (Dunkelwolken, Zwergsternhäufigkeit und -entwicklung...).
Jedenfalls ist es vor allem wegen der Polwanderung und der Eigenbewegungen der Sterne in 10.000 Jahren ein durchaus fremder Himmel. Ganz so unveränderlich ist das Firmament nicht. Allerdings übersteigt ja die Dauer vielfach unserer Lebensspanne. Während unserer vielleicht 80 Jahre tut sich da wenig.
Auch würde mich interessieren, ob jemand eine Art Planetariumssoftware kennt, die die Eigenbewegungen und Polwanderung mitrechnet und auch im "100-Jahres-Zeitschritt" das Display bedienen kann.
Klare Himmel und Top-Bedingungen wünscht
Matthias.