Die Zahl der Begegnungen zwischen planetaren und Deep-Sky-Objekten ist gar nicht so gering wie man denken könnte. Besonders Kometen kommen auf ihrer Bahn über den Himmel an zahlreichen Sternhaufen, Nebeln und auch Galaxien vorbei. Heute zeigt uns Fachgruppenmitglied Axel Rau eine Begegnung von Komet C/2017 T2 (Panstarrs) mit der Galaxie IC 2574. Aufnahmeort war seine Sternwarte in Pfullendorf (20 km nordöstlich des Bodensees), wo er seinen Lacerta Fotonewton mit 250 mm Öffnung und 1000 mm Brennweite untergebracht hat. Als Kamera nutzt er eine ZWO ASI 1600MM Pro. Am 26./27./28.05.2020 war dieses Motiv seine Zielsetzung. Er belichtete L: 97 x 180 s, R: 33 x 180 s, G und B: je 34 x 180 s, insgesamt waren das 9,9 h bei Blende 4. Axel Rau merkt an: „Das Bild zeigt den Kometen in der Position, die er am Beginn der Belichtungsserie am 25. Mai um 23:48 Uhr MEZ hatte. Um die lichtschwache Galaxie IC 2574 besser darzustellen, wurde auch in den beiden darauffolgenden Nächten weiter belichtet. Der Komet befand sich dabei aber schon außerhalb des Gesichtsfeldes.“ Norden liegt oben und Osten links, das Bildfeld beträgt 56,7' x 42,5'.
Kurz zum Kometen. C/2017 T2 (Panstarrs) wurde 2017 mit dem PanSTARRS-Teleskop in den USA entdeckt. Schon bald zeichnete sich ab, dass der Komet am Nordhimmel im Frühjahr 2020 eine recht gute Sichtbarkeit und Horizonthöhe erreichen würde. Zwischen Dezember 2019 und Juni 2020 war er für Mitteleuropa sogar zirkumpolar zu beobachten. Auf der Webseite der VdS-Fachgruppe Kometen wird berichtet, dass die Koma des Kometen zwischen April und Ende Mai 2020 nahezu konstant bei 6,5' lag. Das Perihel wurde am 6. Mai bei 1,62 Astronomischen Einheiten Sonnenabstand durchlaufen. Die Kometenhelligkeit, zuerst recht optimistisch eingeschätzt, war dann aber doch etwas geringer. Gemäß Volker Kasten lag die Flächenhelligkeit der Koma am 29. Mai im 15x50 Bino deutlich unter der von M 82.
Das AdW zeigt sehr schön die Farbe des Kometenkopfes. Die grüne Farbe der Koma resultiert im Wesentlichen aus der Emission des molekularen Kohlenstoffs C2 in den beiden hellsten Swan-Banden im visuellen Spektralbereich bei 490 - 520 nm und 530 - 564 nm. Misst man im AdW den Komadurchmesser, so kommt man auf rund 7 Bogenminuten.
IC 2574 wurde 1898 von E.F. Coddington entdeckt, als lichtschwaches Objekt ca. 3° östlich von M 81. Es wurde daher „Coddington-Nebel“ genannt. Heute als Galaxie IC 2574 katalogisiert, steht sie im Zentralbereich der M 81-Gruppe. Trotz der relativen Größe von 13,2′ x 5,4′ wird IC 2574 nur selten beobachtet, sowohl visuell als auch fotografisch. Der Grund dafür dürfte auch in der geringen Flächenhelligkeit liegen. Mehr dazu in den Anmerkungen.
Wie weit ist IC 2574 entfernt? N.A. Tikhonov und Kollegen veröffentlichten 1991 ihre Messungen der Entfernungen von NGC 2366, IC 2574 und NGC 4236. Im Primärfokus des russischen 6-m-Teleskops waren ihnen tiefe Aufnahmen auf Kodak-Platten IIa-J und IIa-D gelungen (blau- und gelbempfindlich). Die fotografische Fotometrie ergab für die hellsten roten und blauen Riesen in IC 2574 einen Entfernungsmodul von 27,8 mag, d.h. eine Entfernung von 11,8 Millionen Lj wie man sie auch für die Zentralgalaxie M 81 selbst kennt. Der Galaxientypus ist in der Literatur nicht einheitlich. Mal wird IC 2574 als Zwergspirale bezeichnet, mal als irregulär. Morphologisch erkennt man im AdW eine balkenähnliche Gestalt mit zentralem kleinen Bulge. Im Norden ist ein nach Osten gerichteter Schweifansatz zu sehen, im Süden ein nach Westen gerichteter. Unter Berücksichtigung dieser Anordnung mit den enthaltenen Sternentstehungsgebieten ist eine Magellansche Balkenspirale (Typ SBm) durchaus berechtigt. Aus der gerade genannten Entfernung errechnet sich ein wahrer Durchmesser von 45.300 Lj. IC 2574 ist damit etwa so groß wie die Spiralgalaxie M 33 im Dreieck und damit keine Zwerggalaxie. Und jetzt noch schnell die Galaxie im AdW vermessen: Es ergeben sich 14,7' Längsdurchmesser. Das ist wieder einmal mehr als man aus den Tabellen in Wikipedia oder älteren Astrobüchern entnehmen kann.
Das AdW zeigt in IC 2574 bereits viele Einzelsterne. Die hellsten Roten Riesen mit visuellen Absoluthelligkeiten um -8 mag kommen bei der oben genannten Entfernung auf scheinbare visuelle Helligkeiten um 19,8 mag. Für ein 250-mm-Teleskop ist das bei gutem Himmel und geringer Luftturbulenz kein Problem. Im Zusatzbild (es ist ein leicht vergrößerter Ausschnitt) sind zwei deutlich sichtbare, noch lichtschwächere Sterne um 21 mag markiert.
Jetzt zu einem für die M 81-Gruppe typischen Phänomen. IC 2574 ist in eine etwa 36′ große Wolke aus neutralem Wasserstoff H I eingehüllt, doppelt so groß wie der optische Galaxienkörper. Was man auf optischen Aufnahmen nicht sehen kann: Diese umgebende H I-Wolke ist wie ein Schweizer Käse von vielen Löchern durchsetzt. Eines dieser Löcher am Nordrand von IC 2574 besitzt 3300 Lj Durchmesser und ist von diffusen Knoten eingerahmt. Diese Knoten zeigen sich sehr schön als ringförmige Anordnung blauer H II-Regionen. Im Lochzentrum sitzt bei den Pixelkoordinaten (2017/975) ein junger, massiver Sternhaufen mit einem Alter um 14 Mio. Jahre. Sternwinde der Haufensterne und Supernovaexplosionen blasen das H I-Loch von innen heraus mit 25 km/s auf (F. Walter und E. Brinks, 1999). Am Lochrand, wo sich das verdrängte Gas verdichtet, hat sich nun eine zweite Generation neuer junger heißer Sterne gebildet, die ihrerseits den Ring blauer H II-Regionen erzeugt haben. Dass diese HII-Regionen sehr jung sind, wird durch die Auffindung von Wolf-Rayet-Sternen bestätigt - Wolf-Rayet-Sterne existieren nur 2 bis 5 Millionen Jahre nach dem Starburst. Der Sternhaufen ist also deutlich älter und hat tatsächlich den umgebenden jüngeren Ring von H II-Regionen erzeugt.
Die blauen HII-Regionen sind real. Sie umgeben junge Sterne, die noch in den Molekülwolken und im Staub stecken, aus dem sie gebildet wurden. Daher ist der reflektierte, blaue Lichtanteil in diesen jungen H II-Regionen erheblich höher als in älteren roten H II-Regionen, in denen der Staub schon weggeblasen ist. Außerdem ist die [OIII]-Strahlung der angeregten sehr jungen HII-Regionen wegen der zahlreichen enthaltenen O-Sterne sehr stark. Vielen Astrofotografen ist das nicht bekannt, HII-Regionen müssen rot sein! Keineswegs! Die Astronomen wissen schon lange, dass die Hα-Emission eines Sternentstehungsgebietes sehr stark von dessen Alter abhängt (J.P.E. Gerritsen und V. Icke, 1997).
Anmerkungen: a) Die scheinbare visuelle Helligkeit von Flächenobjekten wie Nebeln oder Galaxien - immer wieder gern von Amateurastronomen auf ihren Webseiten zitiert - sagt nicht das Geringste darüber aus, ob das Objekt visuell leicht oder schwer erkennbar ist oder ob das Objekt fotografisch einfach nachweisbar ist. IC 2574 hat visuelle 10,8 mag. Das scheint hell zu sein. Aber für IC 2574 als Ganzes ergeben sich im Mittel nur 24,1 mag pro Quadratbogensekunde. Diese Flächenhelligkeit ist sehr gering. Erst mit der Flächenhelligkeit hat man ein Maß für den visuellen oder fotografischen Schwierigkeitsgrad.
b) Das Bild ist technisch gut gelungen. Ich persönlich bin erfreut darüber, dass der Bildautor sein AdW nicht „glattgebügelt“ hat, so dass Null Rauschen zu sehen ist.
Wir danken für das ansprechende Astrobild und gratulieren Axel Rau zum Astrofoto der Woche.
Peter Riepe
Bildautor: Axel Rau
Koordinaten (J2000) von IC 2574:
RA = 10 h 28 min 24 s, DE = +68° 24' 44''
Vollbild unter: https://www.astronomie.de/neuigkeiten/35-woche-komet-c2017-t2-panstarrs-bei-ic-2574/
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