47. Woche - Ein Ring aus Dunkelwolken und Reflexionsnebeln im Cepheus

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Auch das heutige AdW zeigt ein Motiv aus dem objektreichen Sternbild Cepheus: einen großen Ring aus Dunkelwolken und lichtschwachen Reflexionsnebeln, darin einige, die man selten zu Gesicht bekommt. Zu den Details folgt gleich die Beschreibung, doch zunächst die Aufnahmedaten. Bildautor ist Karsten Bahr, der in Flensburg im höchsten Nordzipfel Deutschlands derart gute Ergebnisse erzielt, siehe sein AdW 26-2023 zu Sh2-54. Die Belichtungsserien zum aktuellen AdW entstanden am 20., 22. und 24.08.2023. Das Teleskop war ein Apochromat TS Photoline 130/910, dessen Brennweite mit einem Reduktor auf 728 mm verkürzt wurde. Als passende Kamera dazu wurde eine ZWO ASI294MM Pro eingesetzt und im 2x2-Binningmodus betrieben. Belichtet wurde das klassische LRGB-Astrofoto 9 Stunden in Luminanz und je 1 Stunde in R, G und B. Für die Bildbearbeitung wurde SIRIL v.1.2.0 eingesetzt.

Das AdW zeigt Norden in etwa oben, Osten links bei einem Bildfeld von 89,1' x 59,4'. Was zeigt diese Aufnahme? Sehr auffällig ist der große elliptische Ring aus wechselnd aneinander gereihten Reflexionsnebeln und Dunkelwolken. Er misst bis in die äußeren Partien rund 78' x 51'. Welche Dunkelwolken das sind, wird im Zusatzbild 1 beschrieben. Die verbindenden Reflexionsnebel tragen keine Bezeichnungen, selbst nicht die helleren am mittleren unteren Bildrand (ich fand nichts, trotz intensiver Suche). Sie sind als bräunlich beleuchteter Teil der Dunkelwolkenkette einfach zu lichtschwach, als dass sie in irgendwelchen alten Katalogen aus der Mitte des letzten Jahrhunderts auftauchen. Möglicherweise hängen sie mit dem galaktischen Zirrus zusammen, der sich im Hintergrund durch das gesamte Bild zieht und dessen feine Fasern beispielsweise im Gebiet LDN 1152 - LDN 1157C nach unten in südöstliche Richtungen abströmen.

Drei Objekte sind nun zu besprechen:

(1) Im Bereich der linken oberen Bildecke liegt ein kometarisch erscheinendes Nebelchen, es erinnert stark an einen Kometen mit Staub- und Plasmaschweif. Dieser Nebel ist bekannt als Gyulbudaghians Nebel (engl.: Gyulbudaghian's Nebula). Stöbert man in der Fachliteratur, so stößt man unweigerlich auf die folgende Publikation: Giulbudagian A. L., Magakian T. Iu.: New red objects resembling Herbig-Haro objects, Doklady - Akad. Nauk Arm. SSR, Vol. 64, p. 104-107 (1977) . Hierin werden zahlreiche Nebelchen gelistet, die die beiden Armenier aus dem POSS heraus identifizieren konnten. Es gibt also nicht nur "den" Gyulbudaghian's Nebula, sondern eine Vielzahl solcher "GM"-Nebel. Der mit der Katalognummer GM 1-29 ist aber offenbar als der bekannteste durchgegangen.

Alle diese Nebelchen befinden sich an Rändern von Dunkelwolken, die mit Molekülwolken vermengt sind. Außerdem zeigt ein Großteil von ihnen zeitlich veränderliche Formen. Das ist stets auf einen jungen, mit dem Nebel verbundenen Stern zurückzuführen, der das Hauptreihenstadium noch nicht erreicht hat und von daher in seiner Instabilität einerseits Materie abstößt, der aber auch - durch geometrische und dynamische Verhältnisse bedingt - die umliegende Materie zeitlich unterschiedlich beleuchtet. Im Falle von GM 1-29 ist es der Veränderliche PV Cephei, der spektral einem T-Tauri-Veränderlichen gleicht (Cohen et al., 1981). Seine scheinbare V-Helligkeit schwankt im Bereich von 15 bis 17,5 mag. Der Spektraltyp A5 deutet an, dass der Stern bläulich leuchten muss. Das aber wird durch die ihn einhüllende dichte Materie vereitelt, sein Licht ist stark gerötet. Für PV Cephei beträgt die Entfernung anhand der gemessenen GAIA-Parallaxe 356 pc, während die alten Werte bei 500 pc lagen. Damit ist dann auch die Entfernung des gesamten ringförmigen Komplexes an Dunkelwolken bestimmt.

Wohlgemerkt: GM 1-29 ist ein Reflexionsnebel, kein Emissionsnebel. Das Zusatzbild 2 zeigt links eine alte Aufnahme aus dem POSS 1 der 1950er Jahre. Rechts ist der entsprechende, leicht gedrehte passende Ausschnitt aus dem AdW zu sehen. Das Bild dokumentiert also, dass der Nebel zu beiden Aufnahmezeitpunkten ein sehr viel anderes Aussehen hatte. In Großbritannien hatte es bei den dortigen Veränderlichenbeobachtern lange Zeit das Projekt "Gyulbudaghian's Nebula" zur Überwachung der wechselnden Erscheinungsformen des Nebels und seines Sterns PV Cephei gegeben. Insofern erinnert GM 1-29 sehr stark an "Hubble´s Varable Nebula" im Einhorn, der auch heute noch gern in seiner zeitlichen Entwicklung fotografisch beobachtet wird.

(2) Ein weiteres Beispiel dieser Art findet man am oberen rechten Bildrand. Dort liegt im Komplex LDN 1152/1155B ein bogenförmiges Nebelchen, welches als erkennbaren, beleuchtenden Stern den IR-Stern IRAS 20359+6745 besitzt. In LDN 1152 verborgen steckt noch ein zweiter IR-Stern mit einem umgebenden Nebel, IRAS 20353+6742. Der ist aber hier nicht erkennbar.

Anmerkungen: Das AdW ist von recht guter Qualität, auch wenn das 2x2-Binning auf die 4,63 Mikrometer großen Pixel angewendet, einen Bildmaßstab von 2,6"/px ergibt. Und ein sehr interessantes Aufnahmefeld mit der passenden Brennweite wurde uns hiermit ebenfalls geliefert.

Wir bedanken uns herzlich und gratulieren Karsten Bahr zum verdienten Astrofoto der Woche.



Peter Riepe
Bildautor: Karsten Bahr



Koordinaten (J2000.0) der Bildmitte:
RA = 20 h 39 min 46 s, Dec = +67° 38' 35"


Vollbild unter: https://www.astronomie.de/aktuelles...-dunkelwolken-und-reflexionsnebeln-im-cepheus



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