Heute kommt ein Klassiker als AdW, der uns als weitwinkelige Variante eingeschickt wurde. Der Bildautor ist Thomas Hellwing, Mitglied der VdS-Fachgruppe Astrofotografie. Er fotografierte das Motiv ab dem 15.08.2023 bis in den September hinein in sechs Nächten. Der Aufnahmeort war Allendorf im nordhessischen Edergebiet. Dort liegen die östlichen Ausläufer des Rothaargebirges. Als Aufnahmeoptik wurde ein Refraktor des Typs Askar FRA300 Pro gewählt, mit 60 mm Öffnung und 300 mm Brennweite. Die Kamera war eine ZWO ASI2600MM Pro mit gekühltem CMOS-Sensor. Als parallaktische Montierung diente eine iOptron CEM120. Belichtet wurde 97 x 4 min in Hα und 86 x 4 min in [OIII], das sind 12 h 12 min Gesamtbelichtungszeit. Die Filter waren Hα 3 nm Chroma, 36 mm Durchmesser und [OIII] 3 nm Chroma, auch 36 mm Durchmesser. Die Fokussierung lieef über den Motorfokus von ZWO EAF. Für das Bild wurde dann Hα dem R-Kanal zugeordnet, [OIII] dem G-Kanal und dem B-Kanal.
Der Cirrusnebel im Sternbild Schwan ist ein klassisches Beispiel für einen Supernovarest (SNR). Wir erkennen einen sphärischen Nebel von etwa 3° Durchmesser, aufgebaut aus Filamenten und Schleiern. Daher erklärt sich auch die englische Bezeichnung „veil nebula“ (Schleiernebel). Vor langen Jahren ist hier ein massereicher, instabiler Stern explodiert. Allerdings ist von diesem Stern bisher kein Rest gefunden worden. Und doch breiten sich die gasförmigen Überbleibsel kugelförmig um das ehemalige Explosionszentrum aus. Diese Expansion geschieht nach neueren Messungen (Blair & Sankrit, 2005) mit einer Geschwindigkeit von etwa 180 km/s. Da die Entfernung des Cirrusnebels bei 540 pc liegt, lässt sich aus dem Durchmesser ein Alter von 150.000 Jahren errechnen, vorausgesetzt, dass die Geschwindigkeit über die Jahre konstant war.
Der Cirrusnebel leuchtet eigenständig. Seine Gasreste emittieren die wesentlichen Wellenlängen Hα (656,3 nm, rot), [NII] (654,8 und 658,3 nm, rot), [SII] (671,7 und 673,1 nm dunkelrot), Hβ (486,1 nm, blau) und schließlich [O III] (495,9 und 500,7 nm, türkis). Der Cirrusnebel leuchtet, obwohl kein Zentralstern ihn mit Energie versorgt wie bei den Planetarischen Nebeln oder auch bei den HII-Regionen. Die für die Emission erforderliche Energie entsteht beim Zusammenstoß (engl. shock) der expandierenden Gasreste mit dem interstellaren Medium. Nur durch diesen Stoßvorgang kann ein SNR überhaupt leuchten.
Anmerkungen: Im aktuellen AdW ist Norden oben, Osten links. Das Bildfeld beträgt 4° 26' x 2° 58' und zeigt den Supernovarest als komplette Kugel. Es kommen schwächste Nebelfilamente zum Vorschein, z.B. westlich und südwestlich des Sturmvogelnebels NGC 6960 im rechten Bildteil und östlich sowie nordöstlich von NGC 6992 im linken oberen Bildbereich. Auch unterhalb der Südspitze von NGC 6992 erstreckt sich von einem kleinen, hellen Nebelfetzen ein langer, schwacher Nebelstreifen bogenförmig nach unten. Die Nebelszenerie ist deswegen beeindruckend, weil die Sterne sehr stark zurücktreten. Das schafft Vorteile - keine Frage. Allerdings möchte ich selbst auch einmal kritisch anmerken: Für mich gehören die Sterne mit zum Motiv. Man schaue sich jetzt Zusatzbild 1 und Zusatzbild 2 an. Sie zeigen in einem Vergleich mit dem PanSTARRS-Bildarchiv, wie zwei Details aus dem Cirrusnebel zum einen mit Sternen ausschauen, andererseits als AdW-Ausschnitt ohne die Sterne. Beim Zusatzbild 2 bitte die mit Zahlen beschrifteten Details einmal intensiv vergleichen und Rückschlüsse ziehen: Da muss ich jetzt nichts weiter zu sagen.
Das AdW-Team bedankt sich hiermit ganz herzlich bei Thomas Hellwing und gratuliert ihm zum hervorragenden Astrofoto der Woche.
Peter Riepe
Bildautor: Thomas Hellwing
Koordinaten (J2000) vom Mittelpunkt des Cirrusnebels:
RA = 20 h 51 min 42 s, DE = +31° 01' 32"
Vollbild unter: https://www.astronomie.de/aktuelles...-woche-der-cirrusnebel-als-schmalbandaufnahme
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