Brennweite einer Sat-Schüssel bestimmen

Status
Es sind keine weiteren Antworten möglich.

Michael_Haardt

Aktives Mitglied
Hallo,

das Wetter lud dazu ein, entsprechend Calculation of the Focal Length of an Offset Satellite Dish Antenna die Schüssel aus dem Keller zu holen und zu fluten. Was verspricht der Hersteller dieser 120 cm Schüssel?

Reflektorgröße: 119cm x 110cm
HQ-Reflektor aus ALU
robuste Halterung
gute Witterungsbeständigkeit
Mastbefestigung aus Stahl verzinkt
40mm-Feed-Halterung
breiter, windbeständiger Reflektorrand
Antennengewinn bei 12,75 GHz: 41,2dB
Elevation einstellbar: 8°- 49°
LNB-Halterung 40mm, schwarz
2x Mastbefestigungsschellen
für Mastdurchmesser 35- 60mm
glatte Beschichtung / Lackierung
Reflektorfarbe: Hellgrau

Erste Erkenntnis: Da geht viel mehr Wasser rein als gedacht. Diverse 10 l Gießkannen später:
Zweite Erkenntnis: Der Wasserspiegel ist 100,5 cm hoch und 102 cm breit bei 8 cm Tiefe. Häh, breiter als hoch? Offenbar verformt sich die Schüssel unter dem Gewicht.

Also zurück zur Webseite und nochmal genauer gelesen: Bei Schüsseln mit einem planen Rand braucht man kein Wasser und das trifft auf mein Exemplar zu. Ok, was sagt der Zollstock trocken?

114 cm hoch
105 cm breit
9,0 cm tief

Das sind die Maße zur Reflektorkante. Der Rand ist nach hinten abgekantet und trägt nichts zur Reflektion bei. Johns Formeln sind zusammengefasst:

Offsetwinkel:

theta = arccos(width / height)

Brennweite der Parabel:

focal length = width^3 / (16 * depth * height)

Koordinaten der unteren Rands relativ zum Ursprung der Parabel:

Yo = 2 * focal length * tan(theta) - width / 2
Xo = Yo^2 / (4 * focal length)

Abstand von unteren Rand zum Fokus:

BF = Xo + focal length

Abstand vom oberen Rand zum Fokus:

AF = Xo + focal length + height * sin(theta)

theta = arccos(105 / 114) = 22,9 Grad
focal length = 105^3 / (16 * 9 * 114) = 70,5 cm
Yo = 2 * 70,5 * tan(22,9) - 105/2 = 7,1 cm
Xo = 7,1^2 / (4 * 70,5) = 0,2 cm
BF = 0,2 + 70,5 = 70,7
AF = 0,2 + 70,5 + 114 * sin(22,9) = 115,1 cm

Der Fokus liegt also an der reflektorzugewandten Kante der Feedhalterung. Und wenn man die Schüssel ein wenig zieht, dann könnte man sie für die Wasserstofflinie auch auf Zentralfokus umbauen, denn der Unterschied ist nicht groß und die leichte Abweichung von der Parabelform würde 1,4 GHz vermutlich nicht weh tun, wenn man 1/8 Lambda als Kriterium nimmt.

Für eine dauerhafte Installation würde ich einen Reflektor aus Stahl nehmen. Alu ist schön leicht, aber ich kann mir vorstellen, dass Sturmböen das Material verformen. Dafür wäre der Umbau auf Zentralfokus bei Stahl sicher ein Problem.

Michael
 
Hallo Michael,
wenn Du die Schüssel für Beobachtungen des Wasserstoffs verwenden willst, dann geht das sicher auch in einer Offset-Konfiguration. Da weißt Du jetzt, wo der Brennpunkt liegt. Ich habe keine rechte Vorstellung, wie gut so eine Verformung geht. Jedenfalls ist danach die Frage, ob der Brennpunkt nun wirklich genau in der Mitte liegt oder vieleicht doch etwas danaben. Sicherlich wird man das f/D Verhältnis nicht wesentlich geändert bekommen, also bleibt es bei einem "flachen" Spiegel.
Wegen der Verformung durch Wind würde ich mir weniger Sorge machen. Als Sat-Schüssel sind die ja auch der Witterung und dem Wind ausgesetzt. Wir haben bei uns zwei 1,2 m Offset-Spiegel für unser Ku-Band Interferometer in Betrieb. Die haben schon ordentlich Wind gesehen (zuletzt "Sabine", davor "Friederike") ohne dass es ihnen geschadet hat.
Viele Grüße
Wolfgang
 
Zum Umbau auf Zentralfokus würde man nur eine Art Gerüst hinter dem Reflektor brauchen, was ihn entsprechend etwas zieht, so wie das Wasser es tat. Bei diesem Modell aus Alu braucht das nicht viel Kraft.

Ich las verschiedentlich, dass man mit Offsetfokus keinen normalen Feed verwenden kann, aber ich weiss nicht, warum. Der Feed sieht in der Konfiguration den Reflektor unter dem Winkel, der ihn als Kreis erscheinen lässt und damit muss nur das Öffnungsverhältnis zu diesem Kreis passen. Mir ist noch nicht klar, wie man das rechnet.

Man kann den Brennpunkt prüfen, indem man dünne Streifen aus Aluklebeband in der Sonne benutzt. Die bilden sich als Streifen auf dem LNB ab. Vielleicht reicht auch Tesafilm, ich habe es noch nicht ausprobiert.

Michael
 
Hallo Michael,
die Besonderheit beim Feed für eine Offset-Schüssel ist, dass der Öffnungswinkel deutlich schmaler sein muss als bei einem symmetrischen Spiegel. Man schaut sich halt nur ein kleines Segment aus der gesamten Parabel an. Hinzu kommt, dass die Offset-Spiegel wohl eher flache Spiegel sind, d.h. ein größeres f/D Verhältnis haben. Auf den Schnelle konnte ich den Öffnungswinkel für Deinen Spiegel nicht rechnen, da müsste ich doch noch ein wenig drüber grübeln.
Du könntest Dir vielleicht mal den Artikel von Marcus Leech ansehen: A 21cm Radio Telescope for the Cost-Conscious – Canadian Centre for Experimental Radio Astronomy
Dort steht etwas zum Thema Feeds für eine flache Offset-Schüssel.
Gruß
Wolfgang
 
Wenn man die Sache aus der Sicht des Feeds sieht, wird es einfacher: Der sieht unter seinem Winkel nämlich einen runden Spiegel. Die in der Höhe asymmetrische Geometrie sorgt für einen punktförmigen Fokus am Offset. In der Breite hat der Spiegel eine symmetrische parabolische Geometrie wie ein Spiegel mit Zentralfokus. Das Öffnungsverhältnis ist darum:

fratio = focal length / width

fratio = 70,5 / 105 = 0,67

Und damit hast Du Recht: Das f/D Verhältnis ist größer, d.h. der Feed muss daran angepasst werden, sonst schaut er über den Spiegel hinaus. Ich glaube, das ist der Grund, warum Feeds für Zentralfokus nicht funktionieren: Es liegt nicht am Zentralfokus, sondern am Öffnungsverhältnis typischer Zentralfokusspiegel. Diesen Spiegel auf Zentralfokus umzubauen, wird am Öffnungsverhältnis nichts ändern, d.h. man kann es sich sparen.

Der Feed schaut außerdem nicht auf die geometrische Mitte des Spiegels, sondern etwas darunter. Das ist wie mit dem Fangspiegel beim Newton.

Man hat es also mit einem Schiefspiegler mit Primärfokuskamera (1 Pixel) zu tun. :)

Michael
 
Hallo miteinander,

das ist ja wieder interessant hier, mir ist nämlich mittlerweile auch so eine 95cm Offsetschüssel, wie sie im von Wolfgang verlinkten Artikel genutzt wird, zugelaufen. Wenn ich die Resultate sehe, welche die Jungs dort damit erreichen, bekomme ich lang Zähne. Es zeichnet sich also ab, in welche Richtung es bei mir mal gehen wird. Dann kann ich mir schon mal Gedanken machen, wie man ein solches Monstrum montiert. Die Idee wäre, nur die Elevation über Schrittmotoren einstellbar zu machen und ansonsten die Erdrotation zu nutzen.

@ Michael:
Ich dachte bisher, Du wollest einen Standart-LNB auf 10 GHz nutzen.

Viele Grüße und viel Erfolg bei den Projekten,
Reinhard
 
Ja, macht mal. Da draußen ist genug Wasserstoff für jeden ;-)

Nur Vorsicht mit Schrittmotoren: Die können eine HF-Dreckschleuder sein. Eine häufig verwendete Alternative sind Schubstangenantriebe mit DC-Motoren. Eine kleinere Variante verwenden wir bei unserem Ku-Band Interferormeter. Unser im der Mache befindliches 2,3-m Teleskop verwendet ein SuperPowerJack QARL-3636+, siehe 2,3-Meter-Spiegel | Astropeiler Stockert e.V. . Die Messung der Elevation erfolgt dann über einen Lagesensor.
Das Projekt liegt momentan Corona-bedingt auf Eis, es ist aber schon eine wenig weiter gediehen als in dem Artikel beschrieben. Ich hoffe wir können da demnächst weitermachen.
Gruß
Wolfgang
 
@Reinhard: Das ist richtig, ich werde mit 10 GHz anfangen. Aber ich bevorzuge zu verstehen, was ich da eigentlich mache, darum wollte ich die Geometrie des Spiegels verstehen. Und die Messung der Wasserstofflinie kommt bestimmt irgendwann. Mir war z.B. nie klar, dass LNBs und Spiegel nur zufällig meist mehr oder weniger harmonieren, oder wie der Strahlengang eigentlich aussieht.

@Wolfgang: Guter Hinweis! Es lohnt sich also zu schauen, ob die Aktivität der Schrittmotoren in der Montierung einen Unterschied macht. Ich lernte gerade diese Woche erst, dass die Leitungen wicklungsweise verdrillt und idealerweise noch abgeschirmt sein sollten. Bisher sah ich keins von beidem. Für den Anfang wollte ich die normale Teleskopmontierung benutzen, sofern sie dann irgendwann mal fertig wird.

Michael
 
Hallo in die Runde, ich verwende auch einen Offsetspiegel mit 1,3 Meter mit einem lNC für die Amerikanischen TV Sat's im C-Band 3,4 bis 4,2 GHz. Der LNC kostet ca € 50,- und Rauscht nur mit 17 K. Für den Offset-Spiegel braucht man einen Chokerring den es auch dazu gibt. Dieser Ring ist verstellbar und macht den Winkel kleiner das der LNC nur den Spiegel sieht. Mal suchen unter C-Band. Die Zwischenfrequenz ist 950 bis 1750 MHz also für jeden SDR verwendbar. Das Ding ist unheimlich empfindlich und der Oszillator läst sich sicher leicht verstellen. Damit ich auch die 3350 MHz empfangen kann. Die Milchstraße ist mit einem 60 cm Spiegel überhaupt kein Problem, Ich hoffe das ich euch eine neue Anregung geben konnte.
Liebe Grüße Fritz Unbenannt.JPG
 
Hallo miteinander,

das stimmt, dass man sich über die Schrittmotoren bzw. die Steuerung und Verkabelung Störungen in die Anlage holen kann, aber das trifft auch auf Gleichstrommotoren zu. DC-Motoren mit Kollektor sind da am schlimmsten, aber auch die Steuerungen sind problematisch, da heutztage praktisch alle Ansteuerungen mit Pulsweitensteuerung arbeiten. Es sind also immer die EMV-Regeln zu beachten (Masseführung, Masseschleifen vermeiden, paariges verdrillen der Zu- und Rück-Ader und natürlich Abschirmen). Die Thematik ist eine Wissenschaft für sich.
Hier in der konkreten Anwendung ist das aber kein Problem. Angesteuert wird ja nur beim Verstellen der Elevation, danach kann man den Antrieb abschalten, da ja die Erdrotation das scannen erledigt.

Viele Grüße,
Reinhard
 
@ Michael:
So einen Offset-Spiegel kannst Du betrachten wie eine prime-focus-Antenne, bei der man, bis auf einen seitlichen, außeraxialen Teil, alles weg geschnitten hat. Der Reflektor ist also ein außermittiger Teil eines Parabols. Da Du dann nur einen Teil des virtuell kompletten Parabols "beleuchten" musst, brauchst Du einen schmaleren Erreger-Beam.

LG, Reinhard
 
Status
Es sind keine weiteren Antworten möglich.
Oben