Hallo nochmal,
Jetzt muss ich doch nochmal ausholen...
Erstmal gibt es aktuell drei verbreitete Motorsysteme:
- Als häufigste und günstigste Lösung: Schrittmotoren, meistens im Mikroschrittbetrieb. Benötigen keinerlei Encoder, Steuerungen sind günstig und robust, es gibt aber keinen "closed loop", also keine Rückmeldung, ob der Motor tatsächlich umgesetzt hat, was die Steuerung ihm aufgetragen hat. Damit besteht die Gefahr, dass Schritte "verloren" gehen. Ist aber im normalen Betrieb selten ein Problem, spätestens bei Guiding oder wenn man nach einem Slew einen Solve macht, passt das alles wieder. Die meisten EQs und ähnliche arbeiten mit Schrittmotoren.
- Der nächste Schritt auf der Leiter sind Servomotoren. Die haben für unseren Anwendungsbereich zwingend Encoder auf der Motorenachse, meistens im Bereich zwischen 200 und 1000 Ticks als TTL Signal (on/off mit zwei Flanken), daraus lässt sich per Quadratur die Auflösung vervierfachen. Die Encoder benötigt man, da der Servo keine festen Schritte geht wie ein Schrittmotor, und man ja eine Referenz für seine Position benötigt. Dafür sorgt eine Servosteuerung, die anhand der Motorencoder immer den Soll- mit dem Istwert abgleicht. Servosteuerungen sind laufruhiger, können schneller ausgelegt werden und verlieren keine Schritte (z.B. Astro Physics, 10 Micron...)
- Dann gibt's noch Direkt Drive, da ist die Motorwelle quasi die Achse (sehr vereinfacht ausgedrückt), die brauchen für unseren Antriebszweck zwingend sehr hochwertige Encoder, das sind dann automatisch Achsencoder, da ja keine Untersetzung mehr folgt. Teuer und Profiliga (ASA, Planewave).
Also haben zwei der Systeme bereits auf jeden Fall Encoder verbaut, aber nur bei der Direct Drive weiß dieser tatsächlich, was die Achse macht, beim Servo weiß er zumindest, was der Motor macht, und eine klassische Schrittmotorsteuerung hat grob gesagt gar keine Ahnung, ob alles nach ihrer Pfeife tanzt.
Jetzt könnte man ja denken, hey, wenn meine Servos schon Encoder haben, die noch dazu gegenüber den Achsen untersetzt und damit hochaufgelöster sind, wozu dann überhaupt noch welche an die Achsen bauen? Ganz einfach, weil nach dem Motor noch weitere Fehlerquellen folgen, die den exakten Lauf der Montierung beeinflussen: Schneckenfehler, Backlash.... Darüber hat weder die Schrittmotor-, noch die Servosteuerung Kenntnis.
Bei einer Standard-Schrittmotorsteuerung könnte man das Teleskop also sogar festhalten, der Motor würde sich nicht weiterdrehen, aber die Signale würden weiterhin gesendet und die Steuerung denkt, das passt alles. Stimmt so nicht ganz, da die Stromstärke massiv ansteigen würde, und bei entsprechender Elektronik der Motor in so einem Fall gestoppt werden sollte, wenn das Teleskop z.B. unbeaufsichtigt an einen Anschlag fährt. Was aber letztendlich genau los ist, davon hat die Steuerung keine Ahnung.
Im gleichen Fall wüsste die Servomotorsteuerung aber bereits, dass sich der Motor nicht mehr dreht, da sie immerhin Feedback von dem Encoder auf der Motorachse bekommt. Das Resultat sollte in beiden Fällen identisch sein: Motor aus
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Sind bei sowohl Schrittmotor als auch Servo die Rutschkupplungen an den Achsen lose und man bewegt das Teleskop von Hand, hat keines der Systeme davon Kenntnis!
Warum also Achsenencoder?
Habe ich aber nun eine Montierung mit Achsenencodern, dann weiß die Steuerung immer über den tatsächlichen Winkel der Achsen Bescheid, bekommt also sofort mit, falls sich eine Achse nicht bewegen sollte, wenn z.B. ein Slew gesendet wurde und die Montierung sich nicht bewegt. Oder noch anschaulicher: Die Montierung läuft enspannt sideral vor sich hin, und mit losen Rutschkupplungen bewegt man das Teleskop von Hand, dann kann man in seiner Planetariumssoftware zuschauen, wie sich entsprechend das Fadenkreuz über den Nachthimmel bewegt. Ohne Achsenencoder passiert da null komma nada.
Sind die Encoder hochwertig genug, dann werden auch Backlash und PEC etc. "automatisch" korrigiert, da die Steuerung ja Kenntnis über die exakte Position der Achsen hat, das ist ja der eigentliche Benefit. Und hochwertige Encoder für diesen Zweck kosten einen Haufen Schotter, da sind keine Argo Navis gemeint. Die sind gut für Push To oder ähnliche (auch sehr angenehme) Sachen, damit man recht präzise auf dem Objekt der Begierde am Himmel landet. Bei einer Autoslew mit den empfohlenen Heidenhain Drehgebern kommt man auf 147.456.000 Impulse pro Umdrehung (das sind ca. 1700 Impulse pro Sekunde!), und das mit einer Maximalabweichung von 2 Bogensekunden über eine komplette Umdrehung.
Jetzt sind wir beim Thema hochwertig angelangt... Das ist der casus knaxus. Man kann aus Mist kein Gold machen.
Pointingmodelle können im gewissen Rahmen Flexture, Mirror Shift, Cone Error, nicht exakte Polausrichtung und andere reproduzierbare Fehler ausgleichen, aber eben nur, wenn sie moderat und reproduzierbar sind. Achsenencoder können für einen perfekten Lauf und Positionsbestimmung sorgen, aber nur, wenn die Mechanik es zulässt. Mit einem Wackeldackel als Montierung klappt das nie! Einem Corsa Ferrarischlappen zu verpassen ist ähnlich sinnbefreit. Es hat schon einen Grund, warum sich Montierungen mit Encodern an beiden Achsen im Premiumsegment tummeln (AP, 10µ, Paramount und die DD Fraktion). Hier ist auch die Mechanik entsprechend, so dass sich der Einsatz lohnt. Wenn hier jetzt noch das entsprechende Rohr auf dem Achsenkreuz sitzt, bei dem nichts wackelt und wabert, das ganze auf einem soliden Unterbau steht, dann kann mit all der Technik erreicht werden, dass man mit 2m Brennweite 30 Minuten Subs mit perfekten Sternen machen kann, ohne jemals einen Guider einzusetzen. Wenn ich ein Setup habe, das auch bei guter Polausrichtung und guter Balance mit klassischem Guiding keine Runden Sterne hinbekommt, kann ich mir die Kohle und Aufwand sparen.
Eine Zwischenstufe sind die Lösungen à la TDM, die für einen sauberen Lauf in RA sorgen, ohne dass man sich um PEC etc. Gedanken machen muss.
Um von Pointingmodellen zu profitieren, brauche ich auch nicht zwingend Encoder. Wenn eine saubere Mechanik vorhanden ist, hilft das auch da für exaktere Slews und längere ungeguidete Belichtungen.
So, das war jetzt mal ne ganze Menge Text.
TLDR:
Mechanik vor Elektronik!
LG Michael