Verständnisfrage bei Vergrößerungen & Entfernungen

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Marius83

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Liebe Astrogemeinde,

Kürzlich bin ich auf der canon seite auf folgenden text gestoßen was vergrößerungen betrifft.

http://www.canon.de/For_Home/Product_Finder/Binoculars/Optical_Image_Stabilisation/index.aspx

ZITAT: "Vergrößerung:
Die erste Zahl in der Bezeichnung eines Canon Fernglases ist der Vergrößerungsfaktor verglichen mit der Größe, die das bloße Auge sieht. Wenn ein Fernglas beispielsweise eine 10fache Vergrößerung hat, wird ein Objekt um das Zehnfache vergrößert. Anders ausgedrückt: ein 100 Meter weit entferntes Objekt sieht aus, als wäre es nur 10 Meter entfernt."

Das mit dem vergrößerungsfaktor ist mir klar!!

Aber die rechnung z.B. mit 100 Meter weit entferntes Objekt sieht aus, als wäre es nur 10 Meter entfernt verstehe ich nicht so ganz...

Also wenn ich jetzt mit meinem 15x Fernglas auf ein 100 meter enferntes objekt beobachte, sehe ich das objekt so, als wäre es nur 6,6 meter von mir entfernt??

Das heißt wenn ich den Mond bei einer entfernung von c.a. 384.000 Km durch mein 12" f/5 Dobson mit einer vergrößerung von 324 fach beobachte (4,7er Okular) würde ich laut rechnung 384.000 / 324 = 1,851 Km entfernung sehen?!?!?!

Aber bei 1,8 Km entfernung, müsste man ja schon alle möglichen details auf dem mond erkennen, wenn diese rechnung so stimmt?

Ich wäre über zahlreiche antworten von dieser verständnisfrage sehr dankbar!!! :))

Lg, Marius
 
> bei mir ist 384.000/324= 1185!

...und das ganze in Kilometern! - wobei sich die Frage stellt, was an Details man aus 1185 km Entfernung für Einzelheiten auf dem Mond oder wo auch immer wahrnehmen kann. Das ist dann eher ein Problem der Auflösung eines Teleskops. Der genannte 12-Zöller hat ein theoretisches Auflösungsvermögen von 0,4" (das Seeing versaut einem den Wert meistens).

Kurz gerechnet: Mittlerer Monddurchmesser 3476 km erscheinen freisichtig unter einem Winkel von 1800" (= 30' = 0,5°). Mit dem Teleskop könnte man also grob gerechnet Objekte bis herunter zu knapp 800 m Größe erkennen.
 
Hi,

also das mit dem Faktor 1000 haste bestimmt inzwischen kapiert. Aber die Aussage von Canon ist streng genommen nur eine grobe Näherung. Denn eigentlich die der Vergrößerungsfaktor durch das Verhältnis des Tangens der beiden Sehwinkel definiert.

Gruß
Lothar
 
Hallo Micha,

deine Rechnung stimmt so nicht ganz. Das "Erkennen" hat entscheidend auch mit Kontrast zu tun. Andernfalls würdest du mit einem 3" Teleskop beispielsweise den Schatten von Europa auf Jupiter nie sehen können. Dieser hat aktuell ca. 0,9 Bogensekunden Durchmesser und liegt damit eindeutig unterhalb des Auflösungsvermögens des Fernrohrs.

Bei ausgedehnten dünnen Linien (Cassiniteilung) ist das noch viel krasser. Diese Linien können weit unterhalb der sogenannten "Auflösung" liegen. (siehe auch Stromleitungen aus großer Entfernung, betrachtet mit dem freien Auge).

Bezogen auf das Kraterbeispiel siehst (erkennst) du mit einem 12" auch noch kleinere Krater als 800m Durchmesser als Punkt bei entsprechend günstigen Kontrastbedingungen.

Viele Grüße
Werner
 
Ich danke euch herzlichst, Micha, Lothar und Werner!!

Ja, stimmt 1185 Km. Ich habe mich verschrieben!
 
Moin Werner!

> deine Rechnung stimmt so nicht ganz.

Doch, die Rechnung oben ist völlig i.O. so. ;) Die erhöhte Erkennbarkeit bei Kontrasteffekten hatte ich unterschlagen. Danke für Deine Ausführungen! Aber auch diese Erkennbarkeit ist wiederum von Vergrößerung und Seeing abhängig.
 
Oder nehmen wir anstelle des teleskop beispiel ein fernglas beispiel her.

Ein z.B. fernglas mit 15 facher vergrößerung (15x70)
Wenn ich mit dem fernglas auf ein 1000m entferntes objekt beobachte, würde ich das objekt so groß sehen, wie wenn ich jetzt theoretisch 66,66666.... meter davor stehen würde?!

Also 1000m / 15fach = 66,666.... meter entfernung?!

Liebe grüße, Marius
 
Hi Micha,

ja, bezogen auf die grobe Berechnung des Auflösungsvermögens in Bezug auf das Fernrohr und die angegebene Entfernung stimmt deine Rechnung natürlich. In Bezug auf das "Erkennen von Strukturen" wie Kratern halt nicht. Darum ging es mir in meinen ergänzenden Bemerkungen. Hast du ja inzwischen korrigiert... ;)

Gruß
Werner
 
Zitat von Marius83:
Oder nehmen wir anstelle des teleskop beispiel ein fernglas beispiel her.

Ein z.B. fernglas mit 15 facher vergrößerung (15x70)
Wenn ich mit dem fernglas auf ein 1000m entferntes objekt beobachte, würde ich das objekt so groß sehen, wie wenn ich jetzt theoretisch 66,66666.... meter davor stehen würde?!

Also 1000m / 15fach = 66,666.... meter entfernung?

Ja, das stimmt. Hängt mit der Definition der Vergrößerung bei optischen Instrumenten zusammen - nämlich über das Verhältnis der Tangens der Betrachtungswinkel durch Instrument resp. bloßes Auge wie Lothar schon bemerkte. Und da der Tangens umgekehrt proportional zum Betrachtungsabstand ist (siehe Strahlensätze) vergrößert er sich in deinem Beispiel auf das 15-fache wenn du dich dem Objekt auf 1/15 der Entfernung näherst.

Thomas

 
Re: Verständnisfrage bei Vergrößerungen ...

Zitat von Lots:
Aber die Aussage von Canon ist streng genommen nur eine grobe Näherung. Denn eigentlich die der Vergrößerungsfaktor durch das Verhältnis des Tangens der beiden Sehwinkel definiert.
Zitat von ThN:
Ja, das stimmt. Hängt mit der Definition der Vergrößerung bei optischen Instrumenten zusammen - nämlich über das Verhältnis der Tangens der Betrachtungswinkel durch Instrument resp. bloßes Auge wie Lothar schon bemerkte. Und da der Tangens umgekehrt proportional zum Betrachtungsabstand ist (siehe Strahlensätze) vergrößert er sich in deinem Beispiel auf das 15-fache wenn du dich dem Objekt auf 1/15 der Entfernung näherst.
Hallo Lothar, Thomas und allerseits,

die bekannte Definition der Vergrößerung über den Tangens des Betrachtungswinkels ist aber ihrerseits nur mit der Einschränkung brauchbar, dass es sich dabei um orthoskopische oder rektilineare Abbildungen und hinreichend kleine Winkel handelt. In diesem Fall gilt das Abbildungsgesetz

tan α' = M tan α ........................... (1)

wobei α' und α die Betrachtungswinkel mit bzw. ohne vergrößernde Optik sind, der Faktor M = tan α'/tan α bezeichnet die Vergrößerung (magnification).

Ein solches Abbildungsverhalten ist insbesondere sinnvoll für die Darstellung von architektonischen Objekten auf einem ebenen Sensor, weil dabei gerade Linien und Umrisse wieder als solche dargestellt werden.

Bei großen Betrachtungswinkeln, wie sie astronomische Weitwinkelokulare vermitteln, ist dagegen eine winkeltreue Abbildung sinnvoller:

α' = M α ......................................... (2)

Dabei werden die Winkelabstände von Sternen auf der Himmelskugel proportional mit einem konstanten Vergrößerungsfaktor M = α'/α wieder auf einer Kugeloberfläche dargestellt.

Abweichungen von einem bestimmten Abbildungsgesetz werden als Verzeichnung bezeichnet, aber es gibt a priori kein absolutes Abbildungsgesetz und demzufolge auch keine allgemeingültige Verzeichnung. Ein winkeltreu abbildendes Okular zeigt rektilineare Verzeichnung, und ein rektilinear abbildender Kamerasensor verzeichnet die Winkelabstände von Sternen. Dieses Problem tritt bekanntlich auch bei der Darstellung der Erdkugel in einem Atlas oder auf einer ebenen Schautafel auf.

Bei kleinen Winkeln gehen diese Abbildungsgesetze zwar ineinander über, bei größeren Winkeln weichen sie aber zunehmend voneinander ab. Das eine schließt dann das andere aus, rektilinar und winkeltreu geht gleichzeitig nur im Grenzfall verschwindender Winkel. Es hängt von der optischen Konstruktion ab, welches Abbildungsverhalten angestrebt und näherungsweise realisiert wird.

Gruß, Peter

Siehe dazu auch diese alten Beiträge:

Ist Verzeichnung eigentlich ein Abbildungsfehler?

winkeltreu vs rektilinear
 
Hallo Allerseits!!

Danke, dass ihr euch so zahlreich zu wort gemeldet habt, ein bisschen wurde meine frage beantwortet, oder eigentlich ganz gut.

Ich wusste gar nicht, das meine frage auch so eine spezielle mathematische rechnung verbirgt.

Was ist mit "Tangens der beiden Sehwinkel" gemeint? Ich glsube, das muss mir mal ein optiker im geschäft erklären, ich kann damit gar nix anfangen :help: Wäre diese rechnung wichtig, um eine theoretisch "scheinbare" entfernung je nach vergrößerung durch ein fernglas/teleskop zu ermitteln?

Danke, dass ihr euch zahlreich gemeldet habt!!! :super:

Liebe grüße, Marius
 
Hallo Marius,

> Ich wusste gar nicht, das meine frage auch so eine
> spezielle mathematische rechnung verbirgt

Das sind die Gesetze der Strahlenoptik mit denen man so Dinge wie Vergrößerung und Winkel berechnet.

> Was ist mit "Tangens der beiden Sehwinkel" gemeint?

Mal im Schnelldurchgang: Es gibt einerseits den Sehwinkel wie ihn das Auge bzw. das Objektiv eines Fernglases oder Fernrohrs wahrnimmt. Beispiel: Ein 10m hoher Baum in 100m Entfernung erscheint unter einem Winkel alpha. Das Verhältnis von Höhe (h) zu Distanz (d) nennt man Tangens des Winkels alpha. tan(alpha) = h/d. Im Beispiel: tan(alpha) = 10/100 = 0,1.

Nach den Gesetzen der Strahlenoptik gilt für weit entfernte Objekte bei denen sich das Bild des Gegenstands im Fokus des Objektivs befindet:

(1) h/d = B/F

wobei B die Größe des (auf dem Kopf stehenden) Bildes in der Fokalebene des Objektivs ist und F die Brennweite. Da tan(alpha) = h/d ist gilt also auch tan(alpha) = B/F.

Dieses Bild betrachte ich nun durch das Okular unter dem Blickwinkel beta aus der Entfernung f, wobei f gerade die Okularbrennweite ist. Nach der Definition des Tangens (s.o.) gilt jetzt tan(beta) = B/f, denn der Betrachtungsgenstand ist jetzt das Bild im Primärfokus aus der Distanz f. Die Vergrößerung ist nun definiert als das Verhältnis dieser Verhältnisse ;) d.h. das Verhältnis der Tangens der Betrachtungswinkel:

(2) V = tan(beta) / tan(alpha) bzw.
(3) V = (B/f) / (B/F)

Daraus folgert z.B. sofort mittels elementarer Bruchrechnung die bekannte Formel V = F/f mit der man bei Teleskopen die Vergrößerung berechnet.

> Wäre diese rechnung wichtig, um eine theoretisch
> "scheinbare" entfernung je nach vergrößerung
> durch ein fernglas/teleskop zu ermitteln?

Ja. Du willst ja die Entfernung d' wissen aus der der Betrachtungswinkel "mit bloßem Auge" übereinstimmt mit dem Betrachtungswinkel durchs Okular aus der Entfernung d. Ich behaupte: d' = d/V.

Anmerkung: Das nennen die Fotographen auch den "Turnschuhzoom". Statt ein (teures) Objektiv mit 15x Vergrößerung einzusetzen kann man sich dem Eisvogel auf 1/15 der Entfernung nähern um ihn Format-füllend aufzunehmen (wenn der Eisvogel nicht vorher wegfliegt ;) ).

Beweis: Sei alpha' der Betrachtungswinkel aus Entfernung d'. Dann gilt:

tan(alpha') = h/d' = h/(d/V) = V*(h/d) = V*(B/F) = B/f = tan(beta). Bei diesen Umformungen habe ich die Gleichungen (1), (2) und (3) benutzt. Aus tan(alpha') = tan(beta) folgt dann alpha' = beta.

Thomas

 
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