Wie verwandle ich gregorianische Termine in julianische zurück?

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w_m_fr_arajna

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wenn ich von einer Astrosoftware den Termin eines astronomischen Phänomens (Vollmond, Finsternismaximum, Solstitium u.v.a.m.) wissen will, rechnet sie mit julianischen Tageszahlen und wandelt das Ergebnis zuletzt aus diesem Format in ein bürgerliches Datum um. Diese Umwandlungsroutine betrachtet JD2299160 als 1582OKT04,5 und 2299161 als 1582OKT15,5. Sie unterstellt also, die Kalenderumstellung sei 1582 global und überall sofort angewendet worden.

Dem war aber nicht so: Länder und Regionen, die dem Papst oder der katholischen Kirche skeptisch gegenüberstanden, verweigerten viele Jahrzehnte die Umstellung. Erst um 1700 gaben die nachlassenden konfessionellen Animositäten den Blick frei auf die wissenschaftlichen Vorteile des neuen Kalenders und man stellte außer im Bereich der Ostkirchen überall um. Man muss also damit rechnen, dass Schriftstücke aller Art wie Urkunden, Dokumente, Aufzeichnungen, Taufregister (!!) bis 1700 julianisch datiert sind. Klärend hinzugefügte Bemerkungen wie alten bzw. neuen Stils sind die Ausnahme, denn im hassgeprägten konfessionellen Klima der Zeit war "unsere" Tageszählung die einzig mögliche, jede andere nicht etwa falsch, sondern inexistent.

Wenn z.B. historische Meldungen nachzuprüfen sind, bringt dieser Umstand Astronomie-Interessierte wie einschlägig arbeitende Historiker in die Verlegenheit, Daten astronomischer Phänomene, die ihm eine moderne Rechenhilfe ab 1582 unvermeidlich im gregorianischen Kalenderformat liefert, nachträglich in den julianischen Kalender umzusetzen. In der Regel läuft dies darauf hinaus, das gregorianische Datum um 10 bis 13 Tage zu vermindern.

Man mache sich dazu klar, dass JAN09 gleichbedeutend ist mit DEZ40 des Vorjahres, FEB05 mit JAN36 und DEZ02 mit NOV32 des gleichen Jahres. Davon lässt sich dann bequem im Kopf subtrahieren. Ob 10 oder mehr Tage abzuziehen sind, hängt vom Jahrhundert ab. In den Jahren 1700, 1800 und 1900 hatte das julianische Jahr einen 29. FEB, das gregorianische nicht, und die Differenz wuchs um 1 Tag. Alle anderen Schaltjahre wie 1736 oder 1992 sind in beiden Kalendern gleich. Die konkreten Umstände von 1582 bis 2099, zumal in Nähe des Monatswechsels FEB auf MRZ der "ganzen Hunderter", entnehme man der beigefügten Graphik.
gregjul.jpg
 
Der Unterschied von zunächst zehn Tagen zwischen dem julianischen und dem gregorianischen Kalender gab ja Anlass zu allerlei kuriosen und grotesken Situationen:

> So entdeckte Simon Marius bereits am 29. Dezember 1609, also scheinbar 9 Tage vor Galileo, die vier Jupitermonde, was dann zu einem hässlichen Plagiatstreit führte. Wenn man dann aber die Kalender abgleicht, kam ihm Galileo um genau einen Tag zuvor!

> So starben Shakespeare und Cervantes scheinbar beide am selben Tag, dem 23. April 1616, tatsächlich aber um 10 Tage versetzt, denn in Spanien galt schon der gregorianische Kalender, in England aber noch lange der julianische.

> So wird berichtet, dass William III von England am 11. November 1688 von Holland nach England segelte und dort am 5. November, also scheinbar vor seiner Abreise, ankam. Wobei auch hier die verschiedenen Kalender in Holland und England das Rätsel erklären.

Abgesehen von der mittlerweile auf bis zu 13 Tage akkumulierten Differenz zwischen den Kalendern gibt es ja noch weitere Fallstricke bei der Konversion historischer Ereignisse. So war lange Zeit auch der Jahresbeginn nicht unbedingt auf den 1. Januar fixiert, sondern konnte auch schon mal zu Ostern oder zu Weihnachten stattfinden, so dass dann auch die Jahreszahl nicht immer eindeutig ist. Und ganz schwammig und unsinnig wird es, wenn historische Kalenderdaten, die vor der Kalenderreform von 1582 liegen, dann proleptisch "gregorianisiert" werden.

Und jenseits von julianisch und gregorianisch gab und gibt es noch unzählige andere Kulturen und Kalender, die bei der Einordnung von historischen Ereignissen in der Welt berücksichtigt werden müssen.

Astronomen vermeiden solche Probleme mit der fortlaufenden Zählung von julianischen Tagen.

Aber selbst bei astronomischer Software gibt es gelegentlich Ambiguitäten mit der Datierung historischer Ereignisse, je nachdem ob vorchristliche Jahreszahlen wie 585 BC dann nach historischer Zählweise ohne Jahreszahl "null", oder astronomisch unter Einschluss der "null" dargestellt und benannt werden. Das macht z.B. bei der Datierung einer historischen Sonnenfinsternis immerhin einen Unterschied von einem Jahr aus.
 
ich ergänze drei Belege:

Johannes Kepler, Von Finsternussen (... Bericht ... 1620 Mondsfinsternussen; Ulm 1621; zit. nach Barock - Das große Lesebuch, Fischer, FfM, 2011, S. 566): "erschienen zu Lintz in Oesterreich den 5. / 13. (alter / neuer Kalender) Junii, vor Tags hat jhren Anfang genommen 9. minuten vor Mitternacht" usw. Seltenes Beispiel, wo der Autor die zwei Kalender ausdrücklich nennt und unterscheidet. Eintritt des Mondes in den Kernschatten der Erde war nach heutiger Ansicht und Konvention am 1620JUN14 um 23h50, Maximum am 1620JUN15 um 01h45, beides MOZ Linz und im gregorianischen Kalender. Kepler hatte seine Uhren angesichts der damaligen Zeitabbildungstechnik - es gab noch nicht einmal Pendeluhren - perfekt im Griff.... Die 13 in "5. / 13." halte ich für einen Übertragungsfehler durch einen Kopisten oder Setzer, der Keplers handschriftliche Zahlzeichen 3 und 5 verwechselte.

Christian Gryphius, Beschreibung des von ihm den 7ten Septembr. Anno 1670 besuchten und erstiegenen Riesen-Gebirges in Nieder-Schlesien. (zit. n. Barock-Lesebuch 2001 w.o., S. 574): "Den. 7. Septembr. Anno 1670. war der 14. Sonntag nach Trinitatis,..." Trinitatis ist der Sonntag nach Pfingsten. In moderner Zählweise (d.h. Ausgangstag Trinitatis = 0) war SPT07 tatsächlich der 14. Sonntag nach Trinitatis oder der 15. nach Pfingsten. Dies ist aber nur richtig, wenn man den gregorianischen Kalender verwendet. Im julianischen Kalender wäre der SPT07 ein MI gewesen.

(Frankfurter) erneuerte Polizey-Ordnung (über Organisation und erlaubte Bekleidung beim) Leich-Begängnüs (ebenda 1671, zit. nach Deutsches Lesebuch, Das Zeitalter des Barock, Hrsgb. Walther Killy, Fischer, FfM, 1970): die Verordnung soll "Sonntags den 24. Decemb. dieses zu end lauffenden Jahrs ihren würcklichen Anfang nehmen und ...." ... "Conclusum in Senatu 16. Novembris 1671". Nur im julianischen Kalender war der 1671DEZ24 ein Sonntag.
 
Hallo!

Diese Umwandlungsroutine betrachtet JD2299160 als 1582OKT04,5 und 2299161 als 1582OKT15,5. Sie unterstellt also, die Kalenderumstellung sei 1582 global und überall sofort angewendet worden.

Eine globale, sofort überall gültige Kalenderreform vom julianischen Kalender zum gregorianischen Kalender hat es ja auch so nie gegeben. Dies wird auch nicht durch diese Routine unterstellt. Es wird hier lediglich mathematisch berücksichtigt, dass auf den 4.10.1582 sofort der 15.10.1582 folgte.

Wo und wann diese Reform anerkannt und umgesetzt wurde, ist eine sehr schwierige Aufgabe für die Geschichtsschreiber. In diesen Zeiten war wohl die ganze Landkarte bezüglich des Glaubens und des Kalenders ein einziger Flickenteppich. Es gab sogar Ortschaften, in denen zwei Osterfeste (glaubens- und kalenderbedingt an unterschiedlichen Tagen) gefeiert wurden.

Die Historie ist auch immer fehlerbehaftet, deswegen ist für die Historiker auch die exakte Quellenforschung von Texten so wichtig.

Das julianische Datum (also die Tageszählung seit dem 1.1.4713 v.Chr.) hat eigentlich wenig mit dem julianischen Kalender zu tun. Es ist ein gleichmäßiges Zeitmaß, die Grundlage von so ziemlich allen Ephemeridenberechnungen. Alle modernen mathematischen Theorien (z.B. VSOP87) beruhen darauf. In jedem Astronomieprogramm ist die Umwandlung vom Kalenderdatum (+Uhrzeit) in das julianische Datum (also die Tagesnummer mit Dezimalstellen) der erste Schritt. In den Rechenalgorithmen taucht nie ein Kalenderdatum auf, nur bei der letzten Datenausgabe auf dem Monitor oder Display wird die Tageszahl ins Kalenderdatum umgewandelt.

Da folgt dann auch halt dieser "Kalendersprung" im Oktober 1582. Wie sollte man es sonst anders lösen?
 
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