Zweite Chance für ein Revue 60/910 (ca. 1984) – erste Erfahrungen mit einem alten Teleskop

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FrankFu

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Nachdem ich bisher hier immer begeistert mitgelesen habe, traue ich mich nun auch mal und stelle hier einen kurzen Beitrag und ein paar Bilder unseres "historischen" Teleskops ein: einem Revue Spezial Teleskop 60/910 von ca. 1984 (Schätzung Verkäufer)

Das Schätzchen habe ich beim Durchstöbern eines einschlägig bekannten Kleinanzeigenportals gefunden und da hat es einen ziemlich traurigen Eindruck gemacht. Wurde als "nicht vollständig / wahrscheinlich sogar defekt" angeboten, war ein Kellerfund beim Schwiegervater, aber immerhin im Karton gelagert. Da es nur wenige Kilometer von uns zum Verkäufer waren, wurde ein Termin vereinbart und wenige Tage später war ich dann zur Inaugenscheinnahme vor Ort.

Für mich als Neuling, nicht nur beim Thema Hobbyastronomie, sondern vor allem beim Thema "alte Teleskope" wartete ein großes Abenteuer, denn so ein Geräte hatte ich noch nie in der Hand...aber der Verkäufer, ein sehr netter älterer Herr, wohl auch nicht.
Er hatte das Teleskop schon mal nach bestem Wissen und Gewissen aufgebaut, aber dann auch direkt festgestellt, dass wohl Teile fehlen, einige Teile im Karton irgendwie nirgends passen und es deswegen wohl auch als defekt anzusehen sei.

Guten Mutes also das Teleskop mal begutachtet, sah eigentlich ganz gut aus. Auf der Optik und allem anderen Staub und Schmutz, aber aus meiner Sicht nix Grobes. Also mal mutig ein Okular in den Zenitspiegel und am OAZ gedreht... aha... kann in beide Richtungen bis zum Anschlag drehen, aber bekomme kein Fokus... den Zenitspiegel mal herausgenommen aus dem OAZ...der sitz auch gar nicht richtig, total locker ...komisch... Mist, dachte ich, daher wohl "defekt", aber ich fand das Teleskop total schnuckelig, vor allem das kleine Lämpchen, das da auf der Spinne im Holzgestell sitzt. Also egal, was solls...für die paar Euros, die in die Taschengeldkasse des Enkels vor Ort gingen, hast Du dann wenigstens eine coole Deko, wenn das ordentlich geputzt ist...also alles zusammen wieder mit dem netten Herrn zerlegt, in den Karton und mitgenommen.

Zuhause dann erstmal kritische Blicke bekommen...alter Karton...vielleicht sogar defekt...Dreck und Staub...aber auch hier hat das Lämpchen die Situation dann gerettet...das ist aber auch niedlich :cool:

Dann erstmal zusammen mit meiner Frau das Teil zerlegt...ist ja eh defekt, also was soll da noch kaputt gehen...alles abgeschraubt, was ging. Auch den coolen Sucher mit dem Klappspiegel in den Tubus, den finde ich auch total klasse. Und dann geputzt...außen den groben Dreck und Staub weg und die Optik (die haben wir nicht zerlegt), den Sucherspiegel, Zenitspiegel und Okulare schön vorsichtig mit der in Foren empfohlenen Reinigungslösung (90% reiner Ethanol und 10% destilliertes und entmineralisiertes Wasser aus der Apotheke) sowie Laborreinigungstüchern vom Staub der Jahrzehnte befreit.

Meine Frau war dann gerade dabei den OAZ zu putzen und sagt dann plötzlich sowas wie "komisch, da steckt ja noch ein Rohr drin!" ... wie, da steckt noch ein Rohr drin... So haben wir dann auch gelernt, was ein "Posaunenauszug" ist ... ohjeh... wie peinlich! Aber plötzlich machte auch so ein Metallteil, das noch im Karton lag, Sinn und plötzlich konnten wir den Zenitspiegel auch stabil an dieses Rohr montieren und was soll ich sagen, inzwischen haben wir, nachdem wir uns noch ein paar weitere 0,965" Okulare günstig gebraucht besorgt haben, einige tolle Beobachtungen am Mond und den Planeten mit dem schönen Stück gemacht und irgendwie ist das Beobachten mit dem Gerät immer etwas Besonderes. Und das Beste: das Lämpchen konnten wir auch wieder zum Leben erwecken :)

Habe dann sogar im Netz noch einen Auszug aus einem Quelle Katalog von 1981/1982 gefunden, der das Teleskop zeigt und das Preisschild auf dem Karton mit 699,- DM passt also ziemlich gut zur Angabe des Verkäufers, dass das Gerät aus ca. 1984 ist.

Nachdem wir dann soviel Spaß hatten, das gute Stück wieder an die Sterne zu bringen, haben wir uns bereits unser nächstes Projekt gesucht: ein Tasco 17-V in ähnlich schmutzigem Zustand und leider auch etwas Pilz auf der Optik...aber wir wachsen ja mit unseren Aufgaben :cool:

Beste Grüße aus Hannover und weiterhin viel Spaß mit Euren tollen Schätzchen
Frank
 

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Hallo Frank,

toller Bericht! War damals schon was besonderes, wollte ich auch haben das Teil, konnte es mir aber noch nicht leisten.
Bestellte mir das 10x30x30 und sah damit erstmals Krater auf dem Mond!
 
Hallo,

solche alte Schätzchen haben es verdient wiederbelebt zu werden.

Bei mir gibt es einen 60/900 von Revue aus den frühen 70ern. So einen hatte ich als Schüler gebraucht gekauft; dieses Exemplar verkaufte ich dann bei einer Familienauflösung 1985 für DM 100,-. Das hat mich seit dem, trotz inzwischen größerer Instrumente, regelmäßig geärgert. Vor so 2 Jahren lief mir das gleiche Gerät wieder über den Weg und wird seitdem regelmäßig benutzt.
Anfang der 70er kostete der Refraktor bei Foto Quelle DM 299,-. Im Unterschied zu dem obigen Exemplar aus den 80ern war die Mechanik deutlich stabiler, dafür fehlte etwas Deko. Der Montierungskopf war deutlich stabiler (auch schwerer), die Achsen besser gelagert, die Polhöhen Einstellung und die Klemmung in RA und Deklination besser konstruiert und wertiger ausgeführt. Dafür hatte die Montierung keine Teilkreise. Auch der Okularauszug war anders. Der Posaunenauszug hat den Vorteil mehr Fokusierweg zu bieten, ist aber auch deutlich wackeliger. Der alte Auszug war am Stück, das Auszugsrohr ist dicker und endet in einem Gewinde. So kann bei den alten Auszügen die Aufnahme für das 0,96" Zubehör gegen eine für 1 1/4" Okulare ausgetauscht werden. So macht das Rohr noch mehr Spaß beim Beobachten vor allem wegen des größeren Gesichtsfeldes.

Die Tendenz, dass die Fernrohre in dieser Zeit klappriger und zugleich auch wesentlich teurer wurden, gab es nicht nur bei Revue. Das machten damals fast alle bis auf die Nobel Anbieter wie Kosmos, Wachter, Lichtenknecker, Zeiss etc, deren Produkte sich aber nur wenige leisten konnten oder wollten.

Für Josef hoffe ich, dass er das 10-30X30 noch hat. Das (auch da das Vorgängermodell) war mein allererstes selbst gekauftes Rohr (gebraucht für DM 10,- von einem Sterngucker). Da konnte ich das erste mal mit was eigenem Landschaft auf dem Mond, Jupitermonde, die Venus als Sichel, Saturnringe (als irgend was am Saturn) Doppelsterne .... sehen. Noch lange hat mich dieses Röhrchen auf Reisen begleitet und es sogar bis nach Brasilien und Japan geschafft. So was gibt man nicht her.

CS Gerhard
 
Hach, da kommen nostalgische Erinnerungen rauf: Das blaue Teleskop im Katalog hat bei mir im Jahr 1980 die Infektion mit dem Astro-Virus ausgelöst. Beides - sowohl Teleskop als auch Virus - sind bis heute noch da....
LG Frank
 
Hallo Frank,

ja Wahnsinn, dieses wirklich schöne und gute Teleskop mal wieder zumindest auf Bildern zu sehen. Auch ich habe mit genau diesem Modell, das ich nach langem Sparen als Schüler von Taschengeld + Weihnachten + Geburtstag erstehen konnte, angefangen.
Später habe ich dann mit Teilen aus einem Märklin Metallbaukasten + Synchronmotor noch eine einfache Nachführung der RA Achse dazu gebaut. Ja, schöne Erinnerungen werden da geweckt.
Mir hat es sehr viel Spaß gemacht, damit zu beobachten, bei damals gefühlt noch richtig dunklem Nachthimmel.
Insbesondere Planeten mit Monden, den Mond, aber auch helle Deepsky Objekte waren möglich. Das war auch mein Einstieg in unser gemeinsames Hobby, das mir bis heute viel Spaß und Freude bringt.
Später hatte ich das Teleskop noch als Leitfernrohr an meinem 8" Newton genutzt, bis ich dann nach einigen Jahren beides zumsammen verkauft habe.
Danke fürs Teilen und die schöne Geschichte drum herum. Ich wünsche Dir viele schöne Beobachtungsnächte mit dem Teleskop und Erfolg bei der Jagd nach neuen Herausforderungen.

LG Ralf
 
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