Hmm... wenn wir hier schon etwas tiefer in die Materie gehen... (danke, Mathias), dann muss ich dazusagen, dass die Anthropometrie (
Anthropometrie – Wikipedia) bei allen Sterngucker-Produkten schlicht vernachlässigt wird. Dies liegt erstens daran, dass technische Produkte von Technikern gebaut werden. Zweitens daran, dass das schlichteste, minimalistischste Design auch meistens die wenigsten Fehlerquellen zeigt. Drittens, dass alles, das besser ist, als "notwendig" auch teurer ist. Viertens: da wir von Optik reden (an erster Stelle), ist alles, was diffiziler wäre als "so einfach wie möglich" auch eine Angriffsfläche für "Verschlimmbesserung".
Die Anthropometrie wäre aber vor allem bei der Hobbyastronomie
der Punkt schlechthin, der uns mehr Freude und Erfolg vermitteln könnte. Denn wird die Mechanik und Kinematik des menschlichen Körpers bei der Bedienung und Nutzung von Geräten wenig berücksichtigt, dann geschehen viele Dinge, die unangenehm sind: beim Einorden knien wir vor einem kleinen Fernrohr. Beim Gucken beugen wir uns irgendwie über ein kleines Okular oder stehen in irgendwelchen Verrenkungen am Acker bis der Nacken schmerzt. Oder der Rücken. Jemand, der eine EQ6 erfunden hat, hatte erst 2017 die Idee, einen Tragegriff (6R) an so ein Teil zu gießen. Davor durfte man es irgendwie und irgendwo anfassen, und hoffen, dass einem das nicht aus den kalten Fingern rutscht... kurz: seit Jahrzehnten hat sich kein [zensiert] dafür interessiert, Lösungen für etwas zu finden, dass doch offenbar gar keiner Lösung bedarf. Weil der Mensch sehr duldsam und gelenkig ist. (n)
Wer die menschlichen Körpermaße und deren Anwendung dem Design von Produkten zugrunde legt, würde auf andere Lösungen kommen, so wie schon einer, der nicht nächtens einen Newton auf einer parallaktischen Montierung mit seinem Körper "verfolgen" wollte, und daher mal den seitlichen Einblick eliminierte. Einige Dinge sind ja geschehen und haben ihre Vor- und Nachteile, aber wir scheitern rigoros daran, die Geräte an uns anzupassen, und passen uns nach wie vor an sie an.
Eine parallaktische Montierung, die höhenverstellbar ist, ohne die Nordung wegzuwerfen? Geht nicht. Gibt´s nicht. Ein Bino, dass 0 - 90° Einblick gleitend schafft? Geht optisch nicht einfach. Eine Bino-Montierung, die ein Rollen um die Längsachse zulässt? Gibt es nicht. Immer muss der Mensch seinen Körper und seine Haltung und seinen Einblick anpassen, weil das System vor ihm starr ist. Ja, auch eine Parallelogramm-Montierung schafft eine völlig bequeme Anpassung an die vom Menschen gegebene Haltung nicht, sie hat quasi die "letzen Meter" zum vollständigen Ziel der Usability nie geschafft.
Weil der Aufwand immer größer wird, je näher man an den anthropometrischen Anforderungen kommt. So ist immer irgendwo Schluss, der Winkelsucher am Polfernrohr ist das mechanisch-optische Ende der Fahnenstange, jetzt kommen die elektronischen Herferleins, und in 10 Jahren wird sich die Montierung eventuell selbst ins Wasser stellen, mit 2-3 kleinen Servomotoren und einer Kamera, wie es sie jetzt sowieso schon gibt. Für die, die keine AZ verwenden. Im Moment ist das aber nicht in Sicht.
Oder Stativbeine, die man OBEN festziehen kann, nicht unten, am Ender der Beine. Das geht? Sicher geht das, man muss nicht die Technik bezahlen wollen, das ist kein Problem. (Oder ein billiges Nivellierstativ kaufen). Doch blieb fast alles an unserem Hobby minimalistisch, über 100 Jahre unverändert (inzwischen waren wir auf dem Mond), und bei diesem Thread merkt man wieder einmal, dass wir dauernd irgendwelche Schrauben lösen müssen, wenn wir einen Binoansatz verwenden und von einem Objekt am Himmel zu einem anderen wechseln. Samt Körperhaltung, Einblick, alles ändert sich in uns, auch der Muskeltonus, und durch die Starrheit unserer Geräte ist auch unsere Starrheit während der Beobachtung garantiert.
Nur ein kleines Fernglas kann kleinste Änderungen bei der Haltung mitmachen, freihändig, das senken unsere Hände automatisch, wenn wir den Nacken etwas zurücklegen, das kippt mit leichten Nackenbewegungen mit und korrigiert sofort das Gesichtsfeld. Es wird ein Teil unseres Körpers und wir gleichen sich verspannende Muskeln laufend durch kleinste Haltungsunterschiede aus. Beim Fernrohr geht das nicht. Außer, wir stellen alles sehr optimal ein, sitzen sehr bequem davor, haben eine entspannte Körperhaltung, eine entspannte Kopfhaltung und können das Setup halbwegs vernünftig verstellen und anpassen, ohne alle Ausrichtungen zu verlieren, wenn wir das Beobachtungsobjekt wechseln.
In 50 Jahren wird Astronomie sicher anders funktionieren. Und in 100 Jahren sitzen wir wahrscheinlich nicht mehr verkrümmt vor unseren Geräten. Aber im Moment ist das für uns normal, und deshalb wäre es wichtig, beim Aufstellen schon alle wichtigen Parameter zu berücksichtigen, die uns entspanntes Beobachten ermöglichen. Gerade auch mit einem Binoansatz, den man kippen, neigen, drehen... etc. kann.
Ich mache das im Moment selbst mit, mit dem 100/45° APM auf einem Manfrotto N8. Da habe ich ja
keinen Bino-Ansatz, da kann ich nichts drehen, das Bino sitzt starr auf dem Neiger, und ein 3-Wege-Neiger ist auch nicht die Lösung, weil das nicht instantan geht, ohne Dinge aufzuschrauben und wieder festzuziehen. Ein Rollen müsste visko-gedämpft möglich sein, und zwar freigängig mit Reibungsbremse. Gibt es so nicht. Weder APM noch Manfrotto fühlen sich da in der Pflicht, wer so etwas vorsehen sollte. Natürlich geht´s auch ohne, sieht man ja, aber wenn es das mal gäbe, würden alle den Unterschied sehr positiv merken!
Keine Bohnen, weniger Nackenschmerzen.
So, genug gemault jetzt, ist mir nur jetzt wieder in den Sinn gekommen - ich hab das vor fast 40 Jahren schon in der HTL gelernt (Maschinenbau-Betriebstechnik), bei den Grundlagen zur Arbeitsplatzgestaltung und im Zuge der REFA-Ausbildung, der Mensch stand hier zwangsläufig im Mittelpunkt, wenn er 8 Stunden am Tag mit seinen Betriebsmitteln arbeiten soll.
lg
Niki