06. Woche - Der Supernovarest CTB 1

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Vorweg: Dieses Astrofoto der Woche ist das letzte seiner Art. Das AdW ändert sich und wird ab jetzt ein Astrofoto des Monats (AdM). Es erscheint dann hier wie gewohnt, und zwar jeden ersten Dienstag im Monat. Der inhaltliche Standard soll beim AdM so bleiben wie bisher beim AdW. Welchen Grund gibt es für diese Änderung? Die einfache Erklärung: Ich kann es zeitlich nicht mehr leisten, jede Woche ein AdW zu liefern. Der Aufwand bzgl. der Objektrecherchen und dem Verfassen eines ordentlichen Textes kostet mich zwei volle Tage. Diese Zeit fehlt mir, da ich ja alles in freiwilliger Arbeit in meiner Freizeit erledige und auch noch einige andere "Baustellen" zu bedienen habe. Abgesehen davon muss dem privaten Bereich ab jetzt auch mehr Bedeutung zukommen.

Bitte beachten: Alle unten anschließenden Texte zum Einsenden eines AdWs, zum Mitmachen in der Mailingliste der VdS-Fachgruppe Astrofotografie usw. werden nun Zug zum Zug angepasst. Nichts ändert sich für einen Sternfreund, der ein gelungenes Bild als AdM-Vorschlag an Astronomie.de (d.h. an die Fachgruppe Astrofotografie) schicken möchte. Klar sein dürfte dann aber: Es kann im Jahresverlauf keine 52 AdWs mehr geben, sondern nur 12 AdMs pro Jahr.




Heute geht es in das Sternbild Cassiopeia, und zwar zum Supernovarest CTB 1. Kai-Oliver Detken, aktives Mitglied der VdS-Fachgruppe Astrofotografie (und weiterer VdS-Gremien ... lach) ist der Bildautor. Die Belichtungen der Aufnahmeserien erfolgten am 09., 10., 13., 14. und 15.09.2023 von Grasberg aus (in der Nähe von Bremen). Aufnahmeteleskop war ein apochromatischer 130-mm-Refraktor, und zwar ein TS PHOTOLINE mit einem Triplett, welches f = 719 mm Brennweite hat. Ein 4-Element-Korrektor (0,79x) brachte das Öffnungsverhältnis dann auf 1:5,3 (= Blende 5,53). Die verwendete Kamera war eine Lacerta DeepSkyPro2600c, hinzu kam noch ein schmalbandiger Nebelfilter, der Optolong L-eXtreme für 2 Zoll. Fokussiert wurde mittels einer Cuzdi-Maske, dann tat der Motorfokussierer ZWOptical EAF seinen Dienst. Alle Gerätschaften sitzen auf einer parallaktischen Montierung des Typs iOptron CEM60. Das Autoguiding geschah mittels M-GEN V3. Gedithert wurde durch "Random Displacement" mit 10 px über M-GEN V3. Belichtet wurde 106 x 10 min = 17,5 Stunden bei Gain 100 (High Conversion Gain - HCG). Zur Bildorientierung: Norden liegt auf 13 Uhr, das Bildfeld beträgt 106' x 73'.

Man sollte die Aufnahme schon richtiug einschätzen, denn der Bildautor schreibt: "Das Objekt ist so lichtschwach, dass es auf den Einzelaufnahmen nur erahnbar war. Normalerweise verwende ich 5 min für eine Einzelbelichtung. In diesem Fall habe ich aber 10 min gewählt, um noch mehr Details sichtbar zu machen. Der Schleifennebel We 2-262 ist rechts unten noch gut zu erkennen. Durch die Verwendung einer Farbkamera ist die Verwendung eines Duofilters Pflicht. In diesem Fall machte der L-eXtreme-Filter einen guten Job, weil der auch die [OIII]-Anteile sichtbar machte. Die gehen mit dem L-eNhance-Filter verloren, wie ich drei Jahre davor feststellen durfte."

Zunächst zum Objektnamen: Der Katalogname CTB 1 bedeutet: Das Objekt ist das erste aller am <C>alifornia Institute of <T>echnology Radio Observatory in der Liste <B> veröffentlichten möglichen Supernovareste. Bereits 1960 veröffentlichten R.G. Wilson und J.G. Bolton ihre dortigen Radio-Beobachtungen. Vorsicht ist geboten: CTB 1 kursiert auch als PN Abell 85 im Netz. In seiner Liste der Planetarischen Nebel hat G.O. Abell aber vorsichtigerweise schon angemerkt, dass es sich auch um einen SNR handeln könnte. CTB 1 (SNR G116.9+00.1) hat im Prinzip Kugelgestalt. Im Inneren fallen faserförmige Nebelanteile auf, die der gesamten Kugel eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Basketball verleihen. Wir blicken auf einen äußeren Ring, dessen Struktur nicht-thermisch erklärbar ist. Im Inneren dagegen wird ein heißes Plasma mit thermischer Röntgenstrahlung registriert.

Wie das AdW beweist, zeigt CTB 1 nach Nordosten eine Ringöffnung, und daraus entweicht ionisierte Materie asymmetrisch in den Raum. Messen wir kurz den Objektdurchmesser im Bild: Er beträgt von links nach rechts 34'. Mit einer Entfernung von etwa 2,7 kpc = 8800 Lj (die Messungen verschiedener Autoren streuen von 2 bis 3,4 kpc) bedeutet das einen Riesendurchmesser von 87 Lichtjahren. Damit ist CTB 1 bedeutend größer als der Orionnebel M 42. Das AdW zeigt auch, dass der Ring nicht einheitlich in seinen chemischen Bestandteilen aufgebaut ist. Der rechte Ringbereich leuchtet stark in [OIII], wärend der linke Ringbereich mehr duch Hα-Licht dominiert wird. Außerdem ist die unmittelbare Nachbarschaft von CTB 1 von zahlreichen ioniisierten Wasserstoff-Fetzen durchsetzt. Der linke Ringbereich von CTB 1 erscheint mir möglicherweise von äußerem Hα überlagert zu sein.

Ein als Supernova explodierte Stern endet nach gängigen Theorien als Neutronenstern (Pulsar). Aber nicht bei allen Supernovaresten wurden solche Pulsare auf optischem Wege gefunden, was an der Lage der Rotationsachse liegt, wie sie auf uns als Beobachter gerichtet ist. Die Erforschung des Alls erfolgt heute in wesentlichen Teilen durch Satelliten, die dann mit kürzeren oder auch längeren Wellenlängen arbeiten als optisches Licht. Da eine Supernova-Explosion ein hochenergetischer Vorgang ist, boten sich für die Forscher auch Röntgen- oder sogar Gamma-Wellenlängen an. Man kennt heute mehr als 200 Gamma-Pulsare. Außerdem konnte u.a. auch der Gamma-Pulsar PSR J0002+6216 in Röntgenwellenlängen nachgewiesen werden. Er steht nur 28' vom geometrischen Mittelpunkt von CTB 1 entfernt.

Kann er dann der Explosionsort gewesen sein? Um die Zugehörigkeit dieses Pulsars zu CTB 1 zu bestätigen, wurden im August 2017 mit dem "Very Large Array" (VLA) radioastronomische Untersuchungen an PSR J0002+6216 durchgeführt. F.K. Schinzel et al. (2019) fanden heraus, dass der Pulsar sich schnell von CTB 1 weg bewegt. Eine Bahn-Rückrechnung ergab, dass dieser Pulsar vor 10-20.000 Jahren durch den geometrischen Mittelpunkt von CTB 1 gelaufen sein kann. Damit hätte man dann auch das Alter von CTB 1. Weiter wurde noch herausgefunden, dass der Pulsar bei seiner Bewegung durch die interstellare Materie wie ein Komet einen Schweif hinter sich herzieht. Das kann optisch aber nicht beobachtet werden.

Jetzt zu den weiteren Objekten im AdW. Hellster Stern im Bild ist links oberhalb von CTB 1 der 5,9 mag helle blaue Riese 9 Cassiopeiae. Bei einem Spektraltyp A1 II-III sendet er farblich ähnliches Licht wie Wega in der Leier aus - ein helles Blau. Wandern wir von 9 Cas aus geradlinig über den Zentralteil von CTB 1 zur rechten unteren Bildecke, so entdecken wir dort ein rot leuchtendes, elliptisch erscheinendes Nebelobjekt. Das ist der PN-Kandidat We 2-262, von R. Weinberger entdeckt, als er noch am Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie wirkte. Die Datenbank Simbad notiert noch keine offizielle PN G-Nr., das geschieht erst dann, wenn der PN offiziell wissenschaftlich als PN bestätigt wurde. Und dazu müssen u.a. Spektren her.

Anmerkungen: Was mir gefällt, ist die Farbgebung des Bildes. Auch wenn es sich aufgrund des verwendeten Dual-Schmalbandfilters um ein Falschfarbenbild handelt, hat Kai-Oliver Detken die Sternfarben doch so gut austariert, dass sie einen schönen "echten" Farbeindruck bezüglich der Spektraltypen bzw. Farbindizes hervorrufen. Außerdem hat er jetzt den "richtigen" Dualbandfilter gefunden.

Dem Bildautor einen herzlichen Dank für diese außergewöhnliche Aufnahme. Und dazu dann auch die verdiente Gratulation des AdW-Teams zum Astrofoto der Woche!



Peter Riepe
Bildautor: Kai-Oliver Detken



Koordinaten (J2000) von CTB-1:R
A = 23 h 59 min 13 s, DE = +62° 26' 12"


Vollbild unter: https://www.astronomie.de/aktuelles-und-neuigkeiten/detailseite/06-woche-der-supernovarest-ctb-1



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